Schlagwortarchiv für: Ausgabe 03/2023

Prof. Dr. Christian Busch weiß, was es braucht, um Serendipität, also unerwartetes Glück, zu kultivieren. Wie es funktioniert, beschreibt er in seinem neuen Buch „Erfolgsfaktor Zufall – Wie wir Ungewissheit und unerwartete Ereignisse für uns nutzen können“. Im Interview spricht er darüber, wie ein Serendipität-Mindset auch Change-Projekte vorantreiben kann.

Herr Busch, was genau ist Serendipität und wozu brauche ich sie?
Serendipität lässt sich am besten definieren als unerwartetes Glück, das sich aus ungeplanten Ereignissen ergibt, in denen unsere Entscheidungen und unser Handeln zu positiven Ergebnissen führen.

Das klingt noch recht abstrakt. Hätten Sie ein Beispiel für Serendipität?
Eines meiner Lieblingsbeispiele hierfür ist die Entstehungsgeschichte der Kartoffelwaschmaschine des weltweit führenden Herstellers von Haushaltsgeräten, Haier. Denn als Haier-Vertreter erfuhren, dass Landwirte Haiers Waschmaschinen zur Kartoffelreinigung nutzten, passten sie die Maschinen schnell an. Damit die Teile mit dem zusätzlichen Schmutz fertigwerden konnten, den die Kartoffeln produzierten und der die normalen Maschinen überforderte. Hier wurde aktiv ein unerwartetes Kundenbedürfnis, das per Zufall bekannt wurde, aufgegriffen und mit der Entwicklung der „Kartoffelwaschmaschine“ aktiv Glück geschaffen – also Serendipität genutzt.

Gibt es ein Serendipität-Mindset bei Menschen?
Als ich anfing, erfolgreiche Geschäftsleute zu studieren, ist mir schnell aufgefallen, dass sehr viele von ihnen erklärten, sie hätten einfach Glück gehabt. Das Glück, von dem hier gesprochen wird, ist allerdings nicht blindes Glück, wie es auftritt, wenn man beispielsweise in eine reiche oder arme Familie geboren wurde. Diese Geschäftsleute verstanden es, wie bei der Kartoffelmaschine, aus Zufällen aktiv Glück zu schaffen und damit den Erfolgsfaktor Zufall zu nutzen.

Also haben sich diese erfolgreichen Geschäftsleute aktiv zu Glückspilzen gemacht?
Das ist eine gute Frage. In einem meiner Lieblingsexperimente wurden Unterschiede zwischen zwei Menschentypen untersucht. Die einen sahen sich eher als Glückspilze und wiesen so etwas wie ein Serendipität-Mindset auf. Die anderen sahen sich eher als Pechvögel, ihnen fehlte eher dieses Serendipität-Mindset. Die Leute sollten eine Straße runterlaufen, in ein Café reingehen, sich einen Kaffee holen und danach mit der Versuchsleitung sprechen. Was die Forschenden den Leuten nicht gesagt haben: Auf dem Weg und im Café waren versteckte Kameras, vor dem Café lag ein Geldschein und im Café war direkt neben der Theke ein Tisch, an dem ein unglaublich erfolgreicher Geschäftsmann saß.

Was ist passiert?
Eine Person mit Serendipität-Mindset geht die Straße runter, sieht den Geldschein, hebt ihn auf, geht ins Café, bestellt sich einen Kaffee, setzt sich an den Tisch direkt an der Theke, spricht mit dem Geschäftsmann und erhält eine Visitenkarte. Die unglückliche
Person ohne Serendipität-Mindset geht auch die Straße runter, sieht den Geldschein nicht, geht ins Café, bestellt sich einen Kaffee, setzt sich auch an den Tisch direkt an der Theke und ignoriert den Geschäftsmann. Am Ende des Tages werden beide gefragt, wie der Tag so war. Glückspilze sagen, es war ein perfekter Tag: Ich habe Geld auf der Straße und einen neuen Freund gefunden, durch
den ich potenziell eine neue Geschäftsmöglichkeit habe. Pechvögel sagen nur, es war ein ganz normaler Tag: Heute ist nichts passiert. Und genau das ist das Spannende: Je nachdem, ob eine Person ein Serendipität- Mindset hat oder nicht, können in der gleichen Situation völlig andere Ergebnisse entstehen.

Was fördert beziehungsweise behindert Serendipität in der Arbeitswelt und ganz besonders in Projekten?
Hier sehe ich zwei Ebenen, die individuelle und organisationale, die fördernd oder hinderlich sein können. Auf individueller Ebene können vor allem Ängste, beispielsweise vor Zurückweisung, und starre Vorstellungen darüber, wie Dinge zu funktionieren haben, Serendipität behindern. Förderlich sind wiederum Neugierde, Aufmerksamkeit und Improvisationsfähigkeit.

Auf organisationaler Ebene geht es darum, eine Kultur zu schaffen, in der Serendipität erlaubt wird. Dabei sind psychologische Sicherheit und die Fähigkeit einer Organisation, neue Informationen in existierende Strukturen und Prozesse zu integrieren, entscheidende Erfolgsfaktoren. Haben Beschäftigte Angst davor, über Fehler oder unerwartete Ereignisse zu sprechen, weil kein Raum für Lernen und Anpassen der Arbeitsprozesse gegeben ist, wird es sehr unwahrscheinlich, dass Zufälle gewinnbringend für Innovationen genutzt werden können.

Hätten Sie einen Tipp, wie man individuell Serendipität fördern kann?
Eine einfache Möglichkeit, individuell für mehr Zufallsmomente zu sorgen, sind Serendipitätshaken. Fragt man beispielsweise Oli Barrett, einen in London ansässigen Unternehmer: „Was machen Sie beruflich?“, sagt er in etwa: „Ich liebe es, Menschen zu verbinden, arbeite im Bildungssektor und beschäftige mich seit Kurzem mit Philosophie. Und Klavier spiele ich besonders gern.“ Diese Antwort enthält vier Haken: eine Leidenschaft (Menschen zu verbinden), eine Berufung (Bildung), ein Interesse (Philosophie) und ein Hobby (Klavierspielen). Dadurch ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass das Gegenüber eine Ähnlichkeit entdeckt, die die beiden verbindet. Das Gute an der Methode ist, dass sie in unterschiedlichsten Kontexten, sei es auf einer privaten Party oder in einem geschäftlichen Meeting, sofern es die Arbeitskultur in der Organisation hergibt, genutzt werden kann.

Welche Rolle spielt der Zufall bislang in Change-Projekten in Organisationen?
Er wird schnell als etwas Lästiges, das einem in die Quere kommt und extra Arbeit macht oder direkt als Bedrohung bewertet. Ich habe in Organisationen immer wieder beobachtet,
wie bei Change-Projekten recht straffe Pläne geschmiedet werden, wann welche Prozesse einzuleiten und abzuschließen wären. Solche Pläne haben wiederum häufig zur Folge, dass nach dem Prinzip „alles muss nach Plan laufen“ gearbeitet wird statt sich auf den tieferen Sinn, wohin das Change-Projekt langfristig führen soll, zu konzentrieren und entsprechend Pläne auch anzupassen.

Was tun Sie bei Ihren unterschiedlichen Projekten, sei es als Wissenschaftler oder CEO, um in Ihren Teams den Erfolgsfaktor Zufall nutzbar zu machen?
In meinen unternehmerischen Führungspositionen habe ich meine Aufgabe vor allem darin gesehen, das individuelle Potential aller Beschäftigten zu verstehen und mir die Frage zu stellen, was es braucht, um dieses ideal nutzen zu können. Ich bin der Überzeugung:

Fragen zu stellen, ist entsprechend damals wie auch heute als Wissenschaftler meine Haupt- und Lieblingsbeschäftigung. So entsteht der nötige Austausch, um dem Erfolgsfaktor Zufall eine Chance zu geben.

Was sollte aus Ihrer Zufall-Sicht bei der Projektplanung und Projektleitung unbedingt vermieden werden?
Zum einen sollte vermieden werden, Projektpläne als unbedingt genau abzuarbeitende Anforderungskataloge vorzugeben. Denn damit erklärt man unerwartete Ereignisse oder den Zufall von vornherein zur Bedrohung. Zum anderen sollten Change-Projektleitende klar kommunizieren, den Beteiligten in einigen Bereichen schlichtweg keine Planungssicherheit liefern zu können. Es ist entscheidend, diese potentielle Instabilität durch Change gemeinsam auszuhalten und Wege der Unterstützung zu finden. Denn Menschen sind nicht per se gegen Veränderung. Menschen sind nur oft eher darauf bedacht, nicht zu verlieren als zu gewinnen. Viele Unternehmen, mit denen ich zusammengearbeitet habe, formulieren zu diesem Zweck die Notwendigkeit einer Veränderung so um, dass die größere Gefahr darin besteht, sich nicht zu verändern. Wenn allen Beteiligten klar ist, dass die Veränderung dringend ist und sich lohnt, dann geht es darum, gemeinsam den maximalen Gewinn zu erzielen. Dazu gehört auch, den Erfolgsfaktor Zufall zu nutzen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Dr. Christina Guthier.

 

 

Autor

Prof. Dr. Christian Busch
ist Direktor des CGA Global Economy Programs an der New York University und lehrt auch an der London School of Economics und Political Science. Er ist regelmäßiger Redner auf Konferenzen wie dem Weltwirtschaftsforum (WEF) und TEDx sowie Mitglied des WEF-Expertenforums, Ehrenmitglied der Royal Society of Arts und steht auf der Thinkers50-Radar Liste. Über seine Arbeit berichteten bereits unter anderem Harvard Business Review, Forbes und BBC. Sein Buch „Erfolgsfaktor Zufall: Wie wir Ungewissheit und unerwartete Ereignisse für uns nutzen können“ erschien am 28. Februar 2023 bei Murmann.
»Christian bei LinkedIn

Das richtige Maß des Methoden- und Werkzeugeinsatzes im Projektmanagement ist eine notwendige Erfolgsbedingung, also im ursprünglichen Wortsinn „Hand-Werk“. Bereits nach der altehrwürdigen DIN 69901 umfasst Projektmanagement deutlich mehr als den gekonnten Umgang mit Tools, nämlich die „Gesamtheit von Führungsaufgaben, -organisation, -techniken und -mitteln für die Abwicklung eines Projekts“.

Es gibt bekannterweise (mindestens) zwei praxisbewährte Möglichkeiten, Projekte mit Ansage in den Sand zu setzen:

Eine hochambitionierte Planung im Vorhinein, die jede noch so unwahrscheinliche, aber denkbare Option an Chancen und Risiken akribisch aufplant, Projektstruktur- und -ablaufpläne im Tapetenformat erstellt und Arbeitspakete in einer Detailverliebtheit auflegt, dass das Projektbüro wie ein Paketverteilzentrum anmutet.

Man legt einfach mal los und etikettiert das Ganze dann als modernes Vorgehen: „Wir legen uns da doch nicht fest, wir sind ja agil unterwegs …“. Weil die Welt ja plötzlich überall und in jedem Lebensbereich so überkomplex und im wahrsten Sinne unplanbar erscheint, ist das ganze „altbackene Projektgedöns“ sowieso überholt und nur ein Klotz am Projektbein.

Also, was braucht’s denn an Handwerk?

 

Edingers 8 Tipps des Change-Handwerks

 

  1. Die kompetente Übersicht, was die aktuelle und ggf. zukünftige Situation der Gesamtorganisation und ihres Umfelds angeht.
  2. Personale und soziale Kompetenzen als Schlüssel im Projektmanagement. Die Projektverantwortlichen und die Projektbeteiligten sind in unterschiedlichen Rollen Moderator, Führungskraft, Motivator und Marketingfachkraft.
  3. Kommunikationskompetenz inklusive einer stringenten professionellen Feedback-Kultur mit kontinuierlichen Reflexionsschleifen in allen Projektphasen und gegenüber allen Beteiligten sowie den Betroffenen.
  4. Klarheit über Gestaltungsspielräume und -optionen, über die nicht gestaltbaren Rahmenbedingungen, Information zu plötzlichen „Änderungen in den Verhältnissen“ – entweder durch Einflussfaktoren von außen oder eben, weil Entscheider einen „Perspektivwechsel“ vorgenommen haben.
  5. Verlässlichkeit, klare Rollen und offengelegte Erwartungshaltungen im Team und der Organisation geben die Sicherheit, Risiken eingehen und offen mit Fehlschlägen umgehen zu dürfen.
  6. Die Projektziele sollten erkennbar für die Organisation als bedeutsam wahrgenommen und anerkannt werden und für die Projektmitglieder sinnstiftend wirken.
  7. Projekt(teil-)abschlüsse sollten konsequent gewürdigt und durchaus buchstäblich gefeiert werden.
  8. Gute „Umgangsformen“ mit Fehlschlägen – mit klarer Unterstützung für das „Recht auf Scheitern“ durch das obere Management.

 

 

Autor

Jochen Edinger
leitet die Abteilung Strategie, Organisation und Personal bei der Deutschen Rentenversicherung Rheinland-Pfalz. Er begleitet und verantwortet seit nunmehr über 20 Jahren Organisationsentwicklungsmaßnahmen und Veränderungsprojekte in verschiedenen Rollen und Funktionen.
»Jochen bei LinkedIn

Um in Veränderungsprojekten erfolgreich zu bleiben, müssen sich Projektmanagerinnern und -manager neu aufstellen. Sie müssen unterschiedliche Arbeitsweisen sowie neue Skills und solides Geschäftsverständnis aufweisen. Dies erklärt Bodo Giegel, Partner Success Manager bei Project Management Institute in seinem Beitrag „Projektmanagement in einer Welt des Wandels“.

Veränderungsprojekte misslingen häufig. Studien liefern dafür gute Gründe. Doch worauf führen Change-Verantwortliche selbst ihr Scheitern zurück? Dieser Beitrag versammelt anonymisierte Stimmen, die ungeschminkt von ihren Pleiten berichten: Fuck-ups.

Wer immer dafür wirbt, dass Change-Projekte nicht ohne professionelle Unterstützung gelingen, verweist auf einschlägige Studien. Die belegen in schöner Regelmäßigkeit, dass bis zu 70 Prozent aller Veränderungsprojekte nicht die Ziele erreichen, die sie sich gesteckt haben.

Auch die Gründe ähneln sich. Am häufigsten zitiert werden die acht Ursachen, die John Kotter in seinem Klassiker „Leading Change“ für das Scheitern von Change-Projekten verantwortlich gemacht hat. Zur Erinnerung: das Versäumnis, die Dringlichkeit der Veränderungsmaßnahme darzulegen, eine starke Führungskoalition zu bilden, eine Vision der Veränderung zu vermitteln, Hindernisse aus dem Weg zu räumen, kurzfristige Erfolge systematisch zu planen sowie die zu frühe Verkündung des Abschlusserfolges und die ausbleibende Verankerung der Veränderungen in der Unternehmenskultur.

Die Unternehmensberatung BearingPoint kam bei der Befragung von 300 Schweizer Change-Verantwortlichen im Jahr 2021 auf sechs Handlungsfelder, in denen Fehler zum Scheitern von Veränderungsprojekten führen:

1 Kultur/Mentalität: Emotionaler Widerstand aufgrund mangelnden Verständnisses

2 Leadership: Mangelnde Führung und Unterstützung

3 Kommunikation: Fehlende Klarheit

4 Menschen/Fähigkeiten: Begrenzte Ressourcen und mangelndes Know-how

5 Struktur/Prozesse: Fehlende Ausrichtung auf Wandel

6 Umsetzung: Mangel an Vision, Strategie, Zielen und klar definierter Roadmap

Doch wovon berichten Projektleitende und Change-Verantwortliche im persönlichen Gespräch, wenn es darum geht, was die größten Fehler und Niederlagen ihrer Laufbahn waren? Und wenn, wie in diesem Fall geschehen, man ihnen bei Veröffentlichung absolute Anonymität zusichert? Folgende Beispiele und Erfahrungen kamen in den anonymen Gesprächen zutage.

Homeoffice-Einführung setzt nur auf Regeln

Person A berichtet von einer überstürzten Einführung von Remote Work im Zuge der Corona-Krise. „Da haben wir im Tagesrhythmus Verhaltensregeln, Durchführungsanweisungen und Techniktipps rausgehauen. Doch in den Köpfen lebte die Präsenzkultur weiter.“ Das habe natürlich bereits die Arbeit aus dem Homeoffice heraus überschattet – und zwar sowohl von Seiten der Führungskräfte, die um Kontrolle rangen, als auch von Seiten der Mitarbeitenden, die Leistungsnachweise höher gewichteten als Eigenverantwortung und Selbstorganisation. Kein Wunder, dass nach Abklingen der Epidemie sofort wieder eine Präsenzpflicht eingeführt wurde.

Das aber hätte verhindert werden können. „Wir hätten das technische Einführungsprojekt einfach mit einem echten Veränderungsprozess begleiten müssen“, berichtet die Person. „Da hätte es genügt, die Remote-Erfahrungen zu reflektieren und mit Führungskräften wie Mitarbeitenden zu besprechen. Im Anschluss hätten wir entsprechende Kommunikationsskills und kooperative Führung schulen können – und die Welt sähe heute bei uns anders aus.“

Innovationsinitiative demotiviert im Bestandsgeschäft

Person B berichtet von einer großen Change-Initiative, die ein mutmaßlich träge gewordenes Familienunternehmen hin zu einer Innovationshaltung führen sollte. „Da haben wir die Leute mit Silicon-Valley-Narrativen überschüttet, Innovationsinseln gebaut, dort die Leute experimentieren und Geld verbrennen lassen – und noch dazu den Kolleginnen und Kollegen in einem immer noch sehr soliden Bestandsgeschäft suggeriert, sie hätten die Zeichen der Zeit nicht verstanden, sie seien zu träge, zu rückwärtsgewandt und ohnehin mehr oder weniger ein Auslaufmodell.“

Das führte natürlich im Bestandsgeschäft zu Frustration, riss Gräben auf und erzeugte Kämpfe um Anerkennung und Ressourcen. Auch erwies sich dieses Vorgehen als in keinster Weise hilfreich: Den Innovatoren fehlte die Rückkopplung in die Bestandsbereiche, die Innovationslust der Bestandsbereiche wurde ausgemerzt und führte zu Kündigungen oder innerer Emigration. „Dabei wäre es so einfach gewesen“, erzählt die Person. „Wir hätten nur den Gedanken der Ambidextrie leben müssen, nämlich dass es bei uns beides braucht: Exploration und Exploitation, Innovation und Effizienz. Und wir hätten beides wertschätzen und eine Durchlässigkeit zwischen den Bereichen ermöglichen müssen.“ In diesem Fall setzte sich Einsicht durch – und im genannten Sinne wurde, allerdings für viele zu spät, nachgesteuert.

Kommunikation, die keiner braucht

Person C berichtet: „Wir haben bei der Einführung eines wichtigen Teils einer Personalstrategie eine unglaubliche interne Kommunikation dazu aufgesetzt. Und uns dann gewundert, dass es scheinbar niemanden interessiert hat. Da waren wir einfach zu produktverliebt und haben viel Energie und Begeisterung in etwas gesteckt, was aus Sicht unserer Stakeholder überhaupt nicht von Relevanz war.

Person D, die immer wieder als externe Kraft Change-Projekte begleitet, erzählte uns: „Ich habe ohne vorherige Stakeholderanalyse und Einschätzung der Gesamtsituation am Kick-off eines großen Projektes teilgenommen. Ein sachlicher Verweis von mir zu bestehenden Risiken hat dann unerwartet heftige Kritik losgetreten.“ Die geplante Veränderung war offenbar schon im Vorfeld sehr kritisch diskutiert worden. „Das hätte ich vorab recherchieren müssen. Es hat mir gezeigt, wie emotional auf Fakten reagiert wird und wie das objektive Urteilsvermögen in den Hintergrund rückt. Es wäre gut gewesen, die Situation im Vorfeld besser zu analysieren und die Risiken zu einem anderen Zeitpunkt und in einem anderen Rahmen anzusprechen.

„Den Fuck-up-Kult sehe ich kritisch”

Wie umgehen mit Fehlern und Scheitern in Change-Prozessen? Professorin Ilka Heinze hat dazu eine klare Meinung.

Zu scheitern schmerzt und verunsichert, auch in Veränderungsprojekten. Wie sollten Change-Verantwortliche damit umgehen?
Zuerst möchte ich betonen: Ich halte die Verherrlichung des Scheiterns für naiv und gefährlich. Fuckup- Nights und andere Moden sehe ich eher kritisch. Denn Fehler zu machen und zu scheitern, hat Auswirkungen auf die Betroffenen, die mit lockeren Sprüchen und unreflektierten Gruppenevents nicht zu bewältigen sind.

Was macht denn Scheitern mit Menschen?
Ich habe dazu unter Gründern geforscht. Da bin ich auf vier grundlegende Arten gestoßen, mit dem Scheitern umzugehen. Dabei geht es immer darum, dem Scheitern einen Sinn abzugewinnen und im Idealfall aus den Fehlern zu lernen.

Wie würden Sie diese vier Arten beschreiben?
Da gibt es Personen, die das gründlich analysieren, emotional wenig an sich heranlassen und Sachgründe finden, warum das Vorhaben gescheitert ist. Auf der Basis können sie ihren Frieden damit machen, lernen aber für sich selbst eher wenig. Dann gibt es die, die unter dem Scheitern und den Folgen leiden. Die stecken im Loch und grübeln. Die sind zu Veränderungen und Schlussfolgerungen gar nicht in der Lage – zumindest noch nicht. Die dritte Art, mit Scheitern umzugehen, ist eher sportlich: Hinfallen gehört dazu, aufstehen und weitermachen. Diese Personen reden befreit über ihr Scheitern, entwickeln sich dabei aber als Person kaum weiter. Die vierte und beste Art damit umzugehen, legen jene an den Tag, die das Scheitern intensiv reflektieren, ihr Verhalten anpassen und ändern wollen. Sie gehen Projekte nicht nur deshalb an, um Erfolge zu erzielen, sondern auch, um zu lernen.

Einen Wandel nicht herbeizuführen, den ich herbeiführen sollte, wird aber Change-Verantwortlichen kaum verziehen. Was tun?
Da sehe ich zwei Ansatzpunkte. Erstens: Die Balance zwischen Minimierung der Fehlerquellen und dem Lernen aus dann doch gemachten Fehlern zu finden. Agile Herangehensweisen, die Projekte iterativ gestalten und damit auch Fehler und Möglichkeiten zu scheitern überschaubar halten, sind ein guter Weg. Dann braucht es aber auch eine andere Einstellung zu Veränderungsprojekten.

Welche wäre das?
Wir sollten ehrlicher sein. Veränderung ist ein komplexes Anliegen, hier sollten die Lernchancen für alle Beteiligten betont werden. Gerade bei gemeinschaftlichen Veränderungsprojekten können Sie ja nicht nur mit Typ 3 oder 4 die Veränderung betreiben. Da müssen alle ins Boot, und alle sollten das Nötige dabei lernen. Und alle müssen übrigens genauso konsequent verlernen, was an Verhaltens- und Herangehensweisen dem Neuen im Wege steht. Change-Manager sollten sich daher zunehmend auch als Lern- und Verlern-Coaches verstehen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Randolf Jessl.

 

 

Autoren

Randolf Jessl
ist Geschäftsführer der Beratungsagentur Auctority. Er berät, trainiert und coacht an der Schnittstelle von Führung, Kommunikation und Veränderungsanliegen.
>>Randolf auf LinkedIn

Prof. Dr. Ilka Heinze
ist Professorin für Wirtschaftspsychologie und Management an der Hochschule Fresenius. Sie hat zu Lernstrategien von gescheiterten Entrepreneuren promoviert.
>> Ilka auf LinkedIn

Jede Veränderung ist anders – auch ihr Scheitern. Dennoch lassen sich manche Ursachen für den Misserfolg besonders oft in Unternehmen beobachten. Im Beitrag „Warum Change häufig scheitert“ sind sieben Punkte für das Scheitern von Change.

„Corona-General“ Carsten Breuer zu den Learnings, die er bei der Koordinierung der Impfkampagne sowie in Bundeswehrprojekten gemacht hat.

Ihr Tätigkeitsspektrum erstreckt sich von Kampfeinsätzen bis hin zu Organisationsprojekten. Wie befruchtet das eine das andere?

Wir Soldaten können Krise. Wir sind dazu ausgebildet, im Unbekannten zu agieren. Wir nutzen dazu die Auftragstaktik, das Führen mit Auftrag. Das setzt Vertrauen in die Fähigkeit jedes Einzelnen voraus. Und wir fragen nicht nach Zuständigkeit, sondern wir übernehmen Verantwortung. Das ist das, was ich überall in meinen verschiedenen Aufgabenbereichen erfahren habe. Unter Beschuss in Afghanistan genauso wie bei Übungen oder im Hochwasser.

Was brachte die Wende bei der stockenden Corona-Impfkampagne?

Der Krisenstab im Bundeskanzleramt war ein Novum – ressortübergreifend. Wichtig war, zunächst ein gemeinsames Lagebild mit Bund und Ländern zu erzeugen. Dann sind wir sehr schnell in die Führung und das konkrete Koordinieren eingestiegen – mit den Bundressorts und den Ländern. Deutlich wurde bei alldem: Man muss den Mut haben, eingefahrene Wege zu verlassen, Lösungen neu und mit anderer Perspektive zu denken, aber auch Bekanntes in neuen Situationen anzuwenden. So war die Durchführung eines „Wargamings“ sicherlich etwas, was uns allen die Augen geöffnet und neue Wege aufgezeigt hat.

Worum geht es bei der Neuaufstellung Territoriales Führungskommando?

Ziel ist die durchgängige nationale Führungsfähigkeit für den Einsatz deutscher Streitkräfte innerhalb unserer Landesgrenzen. Es kommt dabei darauf an, die Ärmel hochzukrempeln. Ohne Flexibilität geht das nicht. Eine Prozessverliebtheit, das Denken in gewohnten Prozessen, macht uns langsam. Wir haben flache Hierarchien geschaffen und Verantwortung gebündelt: Wir führen aus einer Hand. Das, was wir brauchen, ist Geschwindigkeit. Geschwindigkeit ist Zeitenwende.

Die Zeitenwende ist Change hoch zehn. Worauf kommt es an?

Es kommt darauf an, Mentalitäten zu verändern. Dies gelingt nur, indem wir kommunizieren, kommunizieren und noch mal kommunizieren. Ich habe noch nie so intensiv und in so vielen unterschiedlichen Formaten versucht zu überzeugen. Aber ich stelle auch fest, es reicht nie. Es kommt vor allem auch darauf an, dass man vor Ort ist, dass man an der Basis ist und sich ein Gespür dafür bewahrt, wie die Veränderungen bei den Menschen aufgenommen werden. Im Militärischen nennen wir das, den eigenen Blick ins Gelände zu haben und darauf Entscheidungen fußen zu lassen.

Wie erleben Sie die Fähigkeit in Deutschland, mit drastischen Veränderungen umzugehen?

Deutschland ist bekannt für seine Gründlichkeit. Das ist gut. Aber diese Gründlichkeit geht häufig auf Kosten von Geschwindigkeit. Wir müssen Tempo machen, denn wir sehen uns einem Krieg in Europa gegenüber. Einem Krieg, der unsere Freiheit bedroht und unsere Art zu leben infrage stellt. Es gilt für uns, schnell Strukturen so zu verändern, dass wir uns dem auch künftig entgegenstellen können. Wir müssen uns dazu von rigiden Prozessen und verkrusteten Strukturen lösen. Es geht jetzt nicht um Goldrandlösungen. Ganz häufig müssen wir ganz pragmatisch sein. Im militärischen Gefecht gilt immer: „Perfect ist the enemy of good enough.“

 

 

Autor

Generalleutnant Carsten Breuer
hat sich als Koordinator der Corona-Impfkampagne einen Namen gemacht und ist zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Ausgabe mit der Neuaufstellung des Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr betraut. Er soll zum Generalinspekteur der Bundeswehr und damit zum ranghöchsten Soldaten der Truppe berufen werden.

Klassische Projektmanagerinnen und -manager richteten ihre Arbeit früher an einem simplen Prinzip aus: dem sogenannten magischen Dreieck aus Qualität, Kosten und Leistung. Im Projekt waren sie die ultimative Instanz. Um gerade in Veränderungsprojekten erfolgreich zu bleiben, müssen sie sich neu aufstellen. Sie müssen unterschiedliche Arbeitsweisen beherrschen sowie neue Skills und solides Geschäftsverständnis aufweisen.

In einer Umfrage des Wall Street Journals nannten Vorstände, CEOs und Top-Manager die Anpassung an ein zunehmend dynamisches Marktumfeld 2022 als aktuell größte unternehmerische Herausforderung. Das bestätigen Zahlen der Harvard Business Review. Demnach scheitern rund 70 Prozent der Change-Projekte in Organisationen. Allein durch missglückte Digitalisierungsmaßnahmen, so Forbes, seien 2018 mehr als 800 Milliarden Euro in den Sand gesetzt worden. Zum Vergleich: Das ist mehr als das Vierfache dessen, was die öffentliche Hand in Deutschland 2022 für Bildung ausgegeben hat (rund 180 Milliarden).

Doch woran liegt das? Die Welt befindet sich in einem epochalen Wandel. Um den Anforderungen ihrer Stakeholder unter neuen Rahmenbedingungen gerecht zu werden, müssen Organisationen die Fähigkeit entwickeln, sich anzupassen. Change wird zur Dauerherausforderung. Tempo und Flexibilität sind gefragt. Agilität ist dabei ein Schlüsselfaktor – und genau daran mangelt es.

Nicht ohne Grund gaben in einer PwCUmfrage 2022 mehr als die Hälfte der befragten COOs an, dass eine Steigerung der Agilität für das Wachstum ihres Unternehmens in diesem Jahr sehr wichtig sei. Jedoch: Im Pulse of the Profession des Project Management Institute (PMI) berichteten 2021 zugleich nur 33 Prozent der Befragten von einer hohen Agilität in ihrem Unternehmen. Das veranschaulicht:

Aus Fehlern lernt man

Traditionell werden agile Vorgehensweisen wie Scrum oder Kanban vor allem in IT-Projekten oder der Produktentwicklung genutzt, zunehmend aber auch in anderen Branchen, zum Beispiel in der Organisationsentwicklung oder im Marketing. Projekte, Produkte oder Vorhaben werden dabei iterativ immer wieder aufs Neue überarbeitet, getestet und so lange weiterentwickelt, bis man am Ziel ist. Die zentralen Fragen: Was ist das Ziel? Welcher Weg führt am effizientesten dorthin? Und welches Problem muss dafür gelöst werden? Das hilft, Risiken zu reduzieren, Effizienz sicherzustellen und Probleme flexibel anzugehen.

Agile Vorgehensweisen helfen insbesondere in Change-Projekten, in denen diverse Stakeholder eingebunden und orchestriert werden müssen. Dass es beim schrittweisen Herantasten ans Endergebnis auch Rückschläge gibt, liegt in der Natur der Sache – und ist auch gut so. Jeder weiß: Aus Fehlern lernt man. Deren Analyse ermöglicht es, Rückschlüsse auf Schwachstellen zu identifizieren und Lösungsansätze dafür zu entwickeln, um das Projekt, Produkt oder Vorhaben nachhaltig besser zu machen.

Kernkompetenzen für den Erfolg

Das vom PMI entwickelte Talent Triangle spiegelt die idealen Kompetenzen wider, die Projektmitarbeiter entwickeln und verfeinern müssen, um in der heutigen, sich ständig weiterentwickelnden Welt des Projektmanagements erfolgreich zu sein. Es veranschaulicht ebenso, dass auch Organisationen anpassungsfähiger werden müssen, um in diesem zunehmend dynamischen Umfeld nachhaltig erfolgreich zu sein.

Damit sind Chancen, aber auch Risiken verbunden. Um die Chancen zu nutzen, braucht es Kenntnisse und Fähigkeiten in drei Bereichen:

Auf diesen Feldern sollten sich moderne Projektmanagerinnen und -manager, die Change erfolgreich gestalten möchten, sicher bewegen können. Neben den agilen Methoden sind dafür zwei weitere Vorgehensweisen besonders interessant: Wicked Problem Solving und Organisational Transformation.

Das Wicked Problem Solving stellt ein innovatives Vorgehen und einen gemeinsamen Rahmen für einfache bis hin zu tiefgreifenden Problemlösungen zur Verfügung. Aufgrund seines universellen Vorgehens eignet sich Wicked Problem Solving auch, um Veränderungsvorhaben zum Durchbruch zu verhelfen. Bei der Organisational Transformation geht es darum, eine ganze Organisation in die Lage zu versetzen, einen nachhaltigen Quantensprung in der Leistung zu erzielen und gleichzeitig die Mentalität der Mitarbeitenden und damit die Kultur der Organisation zu verändern.

Auch hier spielen die im PMI-Talent-Triangle beschriebenen Eigenschaften eine entscheidende Rolle:

Zu den Power Skills zählen wir neben den genannten Problemlösungfähigkeiten noch

  • Kommunikationskompetenzen,
  • strategisches Denken und
  • kollaborative Führung.

Was Projektmanagende heute können müssen

Zusammenfassend lässt sich sagen: Wer Projekte heute erfolgreich managen möchte, kommt mit dem klassischen Prinzip des „Command and Control“ nicht mehr weiter. Heute orchestrieren Projektmanagerinnen und -manager eher. Sie verfügen zwar nach wie vor über Expertise in bestimmten Disziplinen, vor allem aber glänzen sie durch die Fähigkeit, Arbeitsschritte, Perspektiven und fachliche Kompetenzen aller Beteiligten sinnvoll und effizient zusammenzuführen.

Darüber hinaus verfügen sie über spezielle Fähigkeiten zur Lösung diverser Probleme, zum Beispiel im Rahmen des Managements sensibler, dynamischer Veränderungsprozesse. Diese Grundlagen befähigen Projektmanagende, auch ganz große Vorhaben, bei denen unter Umständen mehrere Teilprojekte zusammengeführt werden müssen, zum Erfolg zu führen. Hier zeigt die Praxis: Moderne Projektmanagerinnen und -manager vereinen dienende Führungsqualitäten und spezielle Expertisen in der Anwendung unterschiedlicher Arbeitsweisen, um mit ihren Projektteams Veränderungsprozesse erfolgreich umzusetzen.

 

 

Autor

Bodo Giegel
ist Partner Success Manager beim Project Management Institute, das als führende Institution mit 700.000 Mitgliedern weltweit in 300 Ländern Standards, Skills und Prozesse rund um Projektmanagement konzipiert, definiert und vermittelt.
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