Noch Luft nach oben
Ich denke, mittlerweile sind sich alle einig: Künstliche Intelligenz gilt als Schlüsseltechnologie für die Zukunft der Wirtschaft. Und klar ist auch: Auf allen Kanälen wird man überschwemmt mit Nachrichten von vermeintlichen Experten und Expertinnen. Die Informationsflut führt zur Übersättigung. Dabei sollte doch gelten: Weniger reden und mehr machen.
Viele Unternehmen in Deutschland stehen nämlich bei ihrer Umsetzung noch am Anfang. Die Studie „KI-Kompetenzen in deutschen Unternehmen“ vom Stifterverband und McKinsey zeigt deutlich: Zwar erkennen rund 80 Prozent der Unternehmen die strategische Relevanz von KI, aber nur ein Bruchteil nutzt sie bislang in der Breite. Zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft eine Lücke – vor allem, weil es an den nötigen Kompetenzen fehlt.
Gerade kleinere und mittlere Unternehmen tun sich schwer mit der Implementierung von KI-Lösungen. Es mangelt nicht nur an technischem Know-how, sondern auch an der Fähigkeit, das Thema strategisch im Unternehmen zu verankern. Führungskräfte verfügen zwar oft über ein grundsätzliches Verständnis von KI, doch dieses Wissen bleibt häufig abstrakt. Was fehlt, ist die Fähigkeit, konkrete Anwendungsfälle zu identifizieren, Teams zu befähigen und KI in bestehende Prozesse zu integrieren.
Ein wichtiger Hebel, so heißt es in der Studie, ist die Vernetzung mit anderen Akteuren. Unternehmen, die sich beispielsweise mit Hochschulen, Startups oder regionalen Innovationsclustern vernetzen, sind deutlich weiter in der Umsetzung. Kooperationen sind ein Erfolgsfaktor. Lernen im Netzwerk, gemeinsame Entwicklung von Use Cases und der Aufbau von Ökosystemen schaffen die nötige Dynamik.
Das Lesen von möglichst vielen LinkedIn-Posts zum Thema KI gilt im Übrigen nicht als Erfolgsfaktor. Im Sommer des vergangenen Jahres hatte mich ein solcher Post etwas aufgeschreckt. Der Finanzdienstleister Klarna berichtete damals, dass aufgrund des KI-Einsatzes die Belegschaft schrumpfen werde. Beispielsweise erledige die Künstliche Intelligenz zur Bearbeitung von Kundenanfragen die Aufgaben von 700 menschlichen Beschäftigten, hieß es.
Im Mai kam dann überraschenderweise die Wende: Klarna führte zusätzlich zum KI-Support doch wieder mehr persönliche Betreuung ein, um die Servicequalität zu verbessern. „Es ist so wichtig, dass Sie Ihren Kunden klarmachen, dass immer ein Mensch da ist, wenn sie einen wollen“, sagte CEO Sebastian Siemiatkowski.
Das bedeutet nicht, dass KI nicht weiterhin eine Schlüsseltechnologie ist, sondern nur: Für eine erfolgreiche Transformation kommt es auch auf ein gutes Zusammenspiel von Mensch und Maschine an.
Jan C. Weilbacher, Chefredakteur