Fünf Fragen an Helen Reck, Konzernvorständin, HUK-COBURG

Bislang hat sich im Change Management noch kein Konzept als ultimativ richtig erwiesen. Veränderungen in Organisationen verlaufen höchst unterschiedlich. Deshalb sind die Erfahrungen, Erlebnisse und Eindrücke der Verantwortlichen auch so verschieden. Uns interessiert die persönliche Perspektive von erfolgreichen Managern und Managerinnen. Diesmal stellt sich Helen Reck unseren fünf Satzeröffnungen.

Meine bislang größte/wichtigste Business Transformation war …

… die Neuaufstellung eines großen Konzerns, dem mehr als die Hälfte seiner Einnahmequellen wegfielen. Er stand mit dem Rücken zur Wand. Wir haben ein profitables, neues Geschäftsmodell entwickelt.

Veränderungen von Unternehmen sind aus meiner Erfahrung im Wesentlichen geprägt durch …

… Schon immer war positive Veränderung geprägt von guter Analyse, smarten Köpfen und – in der Umsetzung – durch all die Menschen, die sie treiben. Aber heute reicht das allein nicht aus. Ein Problem „in sich“ zu betrachten, ist nicht genug. Denn Rahmenbedingungen können sich unglaublich schnell ändern. Man denke nur mal an die jüngsten Beispiele: KI, Corona, Krieg, Lieferengpässe – Entwicklungen kamen in kürzester Zeit und teilweise fast über Nacht. Und Nachhaltigkeit bei fast jeder Fragestellung mitzudenken, gilt sowieso.

Deswegen klappt es nicht mehr, ein sauberes Konzept zu erarbeiten und dieses auszurollen. Veränderungsumsetzung ist nicht „linear planbar“. Man muss mit seinen Maßnahmen anpassungsfähig bleiben, sich verändernde Rahmenbedingungen kontinuierlich mitdenken und entsprechend agil vorgehen.

Die Veränderungsgeschwindigkeit steigt exponentiell an. Positiv umformuliert:

Veränderung wird nie wieder so langsam vonstattengehen wie heute.

Deswegen: Aufspringen und einfach machen.

Die wichtigsten Erfolgsfaktoren von Change Management sind für mich …

1) Den Kundennutzen verstehen

Am wichtigsten ist es, den Kundennutzen zu verstehen. Das bedeutet, mit einer sauberen Analyse zu beginnen.

Welches Problem lösen, welchen Kundennutzen stiften wir?
Diese Analyse ist nur der erste Schritt. Mathematisch ausgedrückt: Sie ist notwendig, aber bei Weitem nicht hinreichend.

2) Die Mitarbeitenden mitnehmen

Zur Umsetzung braucht es Menschen. Das heißt eigentlich immer: viel kommunizieren. Überzeugen (nicht überreden) und über die Ebenen hinweg nachhalten. Sonst ereilt Unternehmensstrategien das gleiche Schicksal wie das australische Wetterphänomen Virga: Virga ist ein Regen, der sich aus den Wolken löst, aber nie den Erdboden erreicht.

Übertragen auf den Unternehmenskontext: Unternehmensstrategien bleiben dann irgendwo zwischen Vorstandssitzungszimmer und operativer Ebene hängen und verdunsten – und erreichen nie die Arbeitsebene, wo sie umgesetzt werden sollten.

3) Einen langen Atem bewahren und dranbleiben

Veränderungen sind meistens Langstreckenläufe, keine Sprints. Wobei agile Sprints meiner Erfahrung nach gut dazu geeignet sind, die Motivation in einem solchen Langstreckenlauf hochzuhalten.

Nicht alles gelingt. Was ich bei Veränderungen in meiner Verantwortung künftig anders machen werde oder was ich durch Lernen aus früheren Fehlern heute bereits anders mache, ist …

… Ich habe vor fast 20 Jahren meinen Werdegang bei der Unternehmensberatung McKinsey begonnen. Was man als Beraterin unter anderem lernt, ist ein Handwerkszeug, das jede und jeder braucht: grundlegende strategische Analyse. Berater können manchmal dazu neigen zu denken: „Jetzt haben wir doch analysiert und aufgeschrieben, was man machen muss, jetzt muss man das doch nur noch umsetzen.“

Dieses „nur noch“ ist falsch. 90 Prozent der Arbeit fängt dann erst an. Erfolgreiche Veränderung kann immer nur durch und mit Menschen klappen, die diese umsetzen. Diesen Faktor kann man gar nicht zu hoch einschätzen.

Mein persönlicher Tipp an eine Führungskraft, die Verantwortung für ein Veränderungsprojekt übernimmt, lautet:

  1. Das Wichtigste ist: beim Geschäft bleiben bzw. beim Problem, das es zu lösen gilt. Veränderung darf kein Selbstweck sein.
  2. Co-Creation: das heißt, erarbeite die Lösung mit den Betroffenen zusammen, das macht das Ergebnis lebensfähig – und auch robuster gegenüber sich ändernden Rahmenbedingungen, weil mehrere Blickwinkel zusammenkommen.
  3. Keine Angst vor KI: neue Tools nutzen und einfach mal ausprobieren.

… und last, but not least: genug schlafen. Das würde ich jedem empfehlen, nicht nur einer Führungskraft im Veränderungsprojekt.

 

 

Autorin

Dr. Helen Reck
verantwortet als Konzernvorständin bei der HUKCOBURG „People & Culture“, Recht, Compliance und den Operations-Bereich Konzernservices. Ihr Ressort hat sie konsequent an der Geschäftsstrategie der HUK-COBURG ausgerichtet. Begonnen hat sie ihre Karriere als Unternehmensberaterin bei McKinsey& Company. Später war sie unter anderem Head of HR bei der internationalen Großkanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer.
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Ihnen hat das Format „5 Fragen an…“ gefallen? Hier finden Sie einen weiteren Beitrag dazu: „5 Fragen an Anna-Theresa Korbutt, Hamburger Verkehrsverbund“.

Fünf Fragen an Anna-Theresa Korbutt, Geschäftsführerin, Hamburger Verkehrsverbund

Bislang hat sich im Change Management noch kein Konzept als ultimativ richtig erwiesen. Veränderungen in Organisationen verlaufen höchst unterschiedlich. Deshalb sind die Erfahrungen, Erlebnisse und Eindrücke der Verantwortlichen auch so verschieden. Uns interessiert die persönliche Perspektive von erfolgreichen Managern und Managerinnen. Diesmal stellt sich Anna-Theresa Korbutt unseren fünf Satzeröffnungen.

Meine bislang größte/wichtigste Business Transformation war …

Ich würde diese Frage gerne auf zwei Wegen beantworten:

Menschlich: Die Existenzsicherung eines Unternehmens, das durch viele Fehlentscheidungen der Vergangenheit in massive finanzielle Schieflage geraten war. Es hat mich sehr viel Energie und Willen gekostet, dieses Unternehmen trotz aller negativen Vorzeichen wieder auf die Beine zu stellen und somit zahlreiche Arbeitsplätze mitabgesichert zu haben.

Fachlich: Die Umsetzung und Mitentwicklung des Deutschlandtickets als das ÖPNV-Tarifangebot der Zukunft. Nach 20 Jahren in der Verkehrsbranche hat das Deutschlandticket dem ÖPNV endlich auch ein Gesicht gegeben. Die erfolgreiche Einführung im Hamburger Verkehrsverbund und der „Drive“ aller beteiligten Parteien hat mich sehr stolz gemacht.

Veränderungen von Unternehmen sind aus meiner Erfahrung im Wesentlichen geprägt durch …

„Menschen“ und „Ereignisse“. Das Große und Unmögliche kann dann am besten bewegt werden, wenn die richtigen Menschen für eine gemeinsame Sache kämpfen. Es ist der Spirit und die Einstellung, etwas verändern zu wollen; es sind Menschen, die von Natur aus Macher sind, die in sich den Drang haben, das Leben bzw. die Arbeit ein Stückchen besser machen zu wollen. Es sind natürliche Leader, die es schaffen, andere mitzureißen und deren Energie positiv zu bündeln. In der Kombination mit einem externen Ereignis, das Veränderung zwingend erfordert, gelingen Veränderungen dann schnell und erfolgreich.

Die wichtigsten Erfolgsfaktoren von Change Management sind für mich …

Übernimm Verantwortung für dein Handeln. Steh dafür ein und gib deinen Kolleg:innen Rückendeckung, wenn sie diese brauchen.

Habe Mut und sei gewissenhaft in dem, was du tust. Schüttle Gepflogenheiten ab und konzentriere dich auf das, was du erreichen möchtest. Lass dich nicht ablenken von dem, was bisher immer schon so war.

Hab Vertrauen in dich und deine Kolleg:innen. Vertraue dir selbst und anderen. Nicht jede Entscheidung ist von Erfolg gekrönt, aber es ist immer noch besser, als nichts zu tun.

Und außerdem: Passion. Leidenschaft für das, was man tut, ist ein immens wichtiger Faktor, der Berge versetzen und Widerstände aufbrechen kann.

Nicht alles gelingt. Was ich bei Veränderungen in meiner Verantwortung künftig anders machen werde oder was ich durch Lernen aus früheren Fehlern heute bereits anders mache, ist …

Den Kolleg:innen und mir selbst mehr Zeit für den Veränderungsprozess geben.

Auch wenn das Ziel klar ist, ist es immens wichtig, der Veränderung Zeit zu geben.

Ja sogar dem Team und sich selbst eine Verschnaufpause zu gönnen. Einfach die Dinge mal liegen lassen und von oben drauf schauen, was man alles schon erreicht hat. Den zurückgelegten Weg reflektieren und Stolz und Freude zulassen. Das gibt einem Kraft für die nächsten Schritte und erhöht das „Bonding“ aller beteiligten Parteien.

Mein persönlicher Tipp an eine Führungskraft, die Verantwortung für ein Veränderungsprojekt übernimmt, lautet:

Durchhalten. Das klingt einfach, ist es aber nicht. Veränderungsprozesse zu führen und zu begleiten, beinhaltet, vieles zu erleben und zu hören, was nicht so gut ist, was falsch ist, was nicht gewollt ist.

Man muss erkennen, dass man vielleicht nicht jeden von der notwendigen Veränderung überzeugen kann.

Das darf einen nicht verzweifeln lassen. Es gibt in jedem Projekt Rückschläge. Und bei Veränderungsprozessen sind diese oftmals nicht fachlicher, sondern menschlicher Natur.

Menschen und ihre Emotionen lassen sich nicht auf Charts und in Excel schreiben. Das braucht Zeit, Gespräche, Interaktion. Veränderung löst erst mal Stress aus. Diesen auch negativen Punkten auf dem Weg der Transformation muss man als Projektleiter:in gut begegnen können. Manchmal kann das Frust auslösen – man will etwas Gutes, aber keiner sieht es. An diesem Punkt angelangt, muss man sich Zeit nehmen, mit anderen Peers im Projekt Gespräche führen. Vieles relativiert sich wieder. Durchhalten.

 

 

changement! Heft 06/2023

 

Autorin

Anna-Theresa Korbutt
ist Geschäftsführerin bei der Hamburger Verkehrsverbund GmbH. Zudem ist sie Aufsichtsrätin bei WESTbahn. Ihre Karriere begann sie bei der Deutschen Bahn. Es folgten Stationen bei der BLS AG (Schweiz), den ÖBB (Österreich) und der BEXity GmbH, bevor sie Anfang 2021 zum Hamburger Verkehrsverbund wechselte.
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Ihnen hat das Format „5 Fragen an…“ gefallen? Hier finden Sie einen weiteren Beitrag dazu: „5 Fragen an Caroline von Kretschmann, Hotel Europäischer Hof Heidelberg“,

Fünf Fragen an Caroline von Kretschmann, geschäftsführende Gesellschafterin, Hotel Europäischer Hof Heidelberg

Bislang hat sich im Change Management noch kein Konzept als ultimativ richtig erwiesen. Veränderungen in Organisationen verlaufen höchst unterschiedlich. Deshalb sind die Erfahrungen, Erlebnisse und Eindrücke der Verantwortlichen auch so verschieden. Uns interessiert die persönliche Perspektive von erfolgreichen Managern und Managerinnen. Diesmal stellt sich Caroline von Kretschmann unseren fünf Satzeröffnungen.

Meine bislang größte/wichtigste Business Transformation war …

… und ist die Ausrichtung unseres in dritter und vierter Generation geführten Familienunternehmens auf unsere Vision „Das herzlichste Luxushotel und das persönlichste 5-Sterne-Stadthotel Deutschlands zu werden“ sowie einen Ort zu schaffen, an dem Menschen glückliche Momente erleben. Dies beginnt für uns im Europäischen Hof in Heidelberg mit den Kolleginnen und Kollegen, die wir bewusst nicht Mitarbeitende nennen und die bei uns an erster Stelle stehen – noch vor dem Gast und weit vor dem Unternehmen. Uns treibt dieser höhere Sinn, der weit über das Ökonomische hinausgeht und als zentrale Idee sämtliche Energien im Unternehmen konzentriert.

Veränderungen von Unternehmen sind aus meiner Erfahrung im Wesentlichen geprägt durch …

… Ambivalenz: zwischen Veränderung und Kontinuität, zwischen Altem und Neuem, zwischen Stabilität und Instabilität, zwischen Lernen und „Ver-Lernen“, zwischen Vorgabe und Beteiligung, zwischen Angst und Zuversicht und so weiter. Ambivalenztoleranz und Ambivalenzkompetenz sind daher aus meiner Sicht wichtige Fähigkeiten in Change-Prozessen, die es erlauben, zwangsläufig auftretende Unsicherheiten und mehrdeutige bzw. widersprüchliche Situationen nicht nur zu ertragen, sondern diese zu integrieren und einen konstruktiven Umgang mit ihnen zu ermöglichen.

Die drei wichtigsten Erfolgsfaktoren von Change Management sind für mich …

  1. Ein attraktives, begeisterndes Zukunftsbild, das die Veränderung abbildet und die Frage nach dem „Warum“ beantwortet. „Ohne Ziel stimmt jede Richtung“. Nach meiner Erfahrung:
  2. Eine klare, transparente und Vertrauen schaffende Kommunikation: Organisationen sind soziale Systeme, das heißt Kommunikationssysteme. Daher ist die Kommunikationskompetenz der Führung ganz grundsätzlich und insbesondere in Change-Prozessen einer der zentralen Erfolgsfaktoren. Kommunikation fokussiert die Aufmerksamkeit, schafft das für die Veränderung essenzielle Vertrauen, sorgt für die erforderliche Güte der Beziehungen und macht Betroffene bzw. „Opfer“ zu Beteiligten und im besten Fall zu „Urhebern und Urheberinnen“.
  3. Die Bereitschaft und die Kompetenz, mit den notwendigerweise auftretenden „negativen“ Begleiterscheinungen von Veränderung einfühlsam umzugehen: „Echtes Neues“ erzeugt immer auch Widerstand und Verunsicherung, da „Albewährtes“ infrage gestellt wird. Die Folgen dieser konstruktiven Destabilisierung und Irritation des „Alten“ sollten im besten Sinne empathisch aufgefangen und genutzt werden.

Nicht alles gelingt. Was ich bei Veränderungen in meiner Verantwortung künftig anders machen werde oder was ich durch Lernen aus früheren Fehlern heute bereits anders mache, ist …

… mich möglichst nicht mehr mit meinem oder unserem Ziel und dem angedachten Lösungsweg zu identifizieren, sondern offen zu sein für erwartbare und notwendige Variationen.

Obwohl und gerade weil man mit einem klaren Ziel oder einer eindeutigen Vision gestartet ist.

Mein persönlicher Tipp an eine Führungskraft, die Verantwortung für ein Veränderungsprojekt übernimmt, lautet:

Mein Tipp wäre etwas, das sich bei uns auch im Nachfolgeprozess als hilfreich erwiesen hat. Fokussiere einseitig nicht nur das Neue und was sich verändern soll, sondern achte auch auf das, was sich bewährt hat und stabil bleiben muss, damit Veränderung gelingen kann und anschlussfähig ist. Es lohnt sich, wie bei fast allem im Leben, die Balance und das Spannungsverhältnis zu wahren, zwischen Neuem und Altem, zwischen konstruktiver Destabilisierung und stabilisierender Kontinuität und zwischen Fluss und Form.

 

 

changement! Heft 03/2023

 

Autor

Dr. Caroline von Kretschmann
ist geschäftsführende Gesellschafterin des Europäischen Hofs in Heidelberg. Sie führt das 5-Sterne-Superior-Hotel in vierter Familiengeneration. Nach einer Lehre bei der Deutschen Bank Frankfurt studierte sie Betriebswirtschaft an der Hochschule St. Gallen, wo sie auch promovierte. Vor dem Eintritt ins Familienunternehmen 2010 war sie 15 Jahre als Strategie- und Organisationsberaterin tätig. Zudem gründete sie 2010 mit Melanie Frowein die Komplementärberatung DUE CONSULTANTS. Neben zahlreichen Ehrenämtern ist sie Vizepräsidentin des Verbandes „Die Familienunternehmer“.
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Ihnen hat das Format „5 Fragen an…“ gefallen? Hier finden Sie einen weiteren Beitrag dazu: „5 Fragen an Laura Gersch, Allianz Versicherungs-AG“.

Der Kundenservice der BSH Hausgeräte GmbH ist mehrfach prämiert. Und dennoch ist man eifrig dabei, ihn stetig weiterzuentwickeln. Kund:innen eine moderne Customer Experience zu bieten und auch die Organisation danach auszurichten, sind wesentliche Ziele. Dabei helfen vor allem motivierte Mitarbeitende sowie eine effektive Nutzung datengetriebener Dienste und digitaler Kanäle.

Bei der BSH Hausgeräte GmbH orientiert sich die tägliche Arbeit an der Zufriedenheit der Kund:innen. Durchschnittlich verzeichnen wir in Deutschland über 10.000 Kontakte pro Tag. Diese Interaktionen haben eine große Innen- und Außenwirkung und sie entscheiden direkt darüber, wie zufrieden unsere bestehenden Kund:innen sind bzw. ob sich eine Person dazu entschließt, ein Hausgerät der BSH zu kaufen.

Vielzahl an unterschiedlichen Anfragen der Kund:innen

Die aktive Weiterentwicklung des Kundendienstes ist daher unabdingbar. Für unseren herausragenden Kundenservice in der Branche sind wir 2022 ein weiteres Mal ausgezeichnet worden – für uns ein wertvolles Signal, dass wir schon vieles richtig machen.

Bei der Vielzahl unterschiedlicher Anfragen – von der Produktberatung bei einem anstehenden Neukauf über die Installation neuer Geräte bis hin zu Fragen zu Fehlermeldungen, defekten Geräten und Gerätehandhabung – ist gute Koordination essenziell. Zudem braucht es innovative technische Lösungen, die Effizienz und Komfort erhöhen.

Digitalisierung für eine moderne Customer Experience

Konsument:innen erkennen immer häufiger den konkreten Mehrwert smarter Hausgeräte. Praktische Alltagshilfen wie die autarke Auswahl des effizientesten Trocknerprogramms oder ein Hinweis auf dem Smartphone, dass die Tabs für den Geschirrspüler zur Neige gehen, sorgen unmittelbar für Erleichterung im Alltag.

Diese Entwicklung hilft uns auch im Kundenservice: Wir nutzen datengetriebene Dienste wie Ferndiagnosen und -reparatur, wodurch Zeit und Aufwand eingespart werden – sowohl für uns als auch für unsere Kund:innen. Zum Beispiel helfen die Mitarbeitenden der Service-Hotline durch Fernwartung und die Zusendung eines Erklärvideos dabei, das Problem zu Hause selbst zu lösen. Teilweise lassen sich Reparaturen vor Ort durch Beratungshinweise oder das Zusenden von Einzelteilen auch ganz vermeiden.

Wir merken deutlich, dass uns die Anfragen an den Kundenservice immer häufiger über digitale Kanäle wie den Self-Service, unser Kontaktformular, den Chat oder WhatsApp erreichen. Rund 60 Prozent der Anfragen erfolgen aktuell noch über das Telefon. Aber wir rechnen mit einer weiteren Verschiebung in der Zukunft.

Dabei betrachten wir die Kanäle, die von den Kund:innen präferiert genutzt werden.

Anpassung der Abläufe, Prozesse und Systeme

Darüber hinaus integrieren wir eine Vielfalt digitaler Möglichkeiten in unser Angebot, um leichten Zugang zu gewährleisten und ein einheitliches Service-Erlebnis zu schaffen. Unser Anspruch ist es, den Konsument:innen Flexibilität zu garantieren: Die Möglichkeit, Terminbuchungen und -änderungen direkt online vorzunehmen oder auch Ersatzteile online zu bestellen, hebt uns von vielen anderen
Kundenservices ab. Auch unsere Selbsthilfetipps zur Nutzung der Geräte sind ein geschätzter Service, den wir auf allen Kommunikationskanälen anbieten.

Die Fokussierung auf die Bedürfnisse der Kund:innen und die bestmögliche Anpassung unserer Abläufe, Prozesse und Systeme darauf sind ein wichtiger Faktor, um einen herausragenden Kundenservice bieten zu können. Dafür führen wir fortlaufende Kundenbefragungen und Experience- Tests durch. Derzeit arbeiten wir daran, den Kund:innen noch zielgerichteter helfen zu können, zum Beispiel indem wir Termine ganz nach ihnen ausrichten. Statt eines Zeitfensters von sechs Stunden für die Ankunft unserer Techniker:innen sollen Kund:innen in Zukunft flexibel auf sie abgestimmte Termine erhalten.

Mitarbeitende als wesentlicher Schlüssel zum Erfolg

Um schnelle und effiziente Hilfe zu gewährleisten, kümmert sich allein in Deutschland ein Team von rund 1.300 Kundendienstmitarbeitenden um die Anliegen unserer Kund:innen. Global sind es rund 15.000, die Konsument:innen in rund 50 Ländern unterstützen. Gut ausgebildete, motivierte und engagierte Mitarbeitende sind ein Erfolgsgarant. Daher legen wir großen Wert darauf, ein entsprechendes Arbeitsumfeld zu schaffen.

Wie in allen anderen Geschäftsbereichen setzen wir im Kundenservice bewusst auf Nachhaltigkeit. Auch hier entwickeln wir uns ständig weiter. Da eine Reparatur meist nachhaltiger als ein Geräteaustausch ist, sorgen wir mit einem umfangreichen Kunden- und Ersatzteilservice dafür, dass Reparaturen zuverlässig durchgeführt und die Lebensdauer von Geräten effektiv verlängert werden können. Langfristig streben wir eine Kreislaufwirtschaft an.

Unser Reparaturkonzept stellt Werkstätten sowie Privatpersonen den Zugang zu Ersatzteilen sicher, mit denen unsere Geräte einfach und in kürzester Zeit instandgesetzt werden können. Falls Besuche vor Ort nötig sind, können wir global rund 83 Prozent der Probleme beim ersten Versuch beheben und arbeiten stetig daran, die Routen zu unseren Konsument:innen zu optimieren, um auch im Kundendienst CO2 einzusparen.

 

changement! Heft 02/2023

 

Autor

Andreas Döge
ist Leiter des deutschen Kundendienstes der BSH Hausgeräte GmbH. Er ist seit über 25 Jahren im Unternehmen tätig und begann seine Laufbahn im Kundendienst bereits direkt nach seiner Ausbildung bei der BSH. Neben seinen Tätigkeiten in Deutschland kann er auf jeweils mehrjährige Auslandserfahrungen in Führungspositionen in Großbritannien, Schweden und den USA zurückblicken.
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Im engen Zusammenspiel von HR und Business

Workforce Transformation ist in Deutschlands Führungsetagen eines der dominanten Zukunftsthemen. Je nach Industrie, Größe und Art des Geschäftsmodells haben die Unternehmen allerdings unterschiedliche Herausforderungen. Eine Studie auf Basis von über 50 C-Level-Interviews zeigt Wege auf, wie mit den Herausforderungen bestmöglich umgegangen werden kann.

Workforce Transformation ist in aller Munde, nicht zuletzt aufgrund schier endlos erscheinender Warteschlangen an Flughäfen oder der Ankündigung großer Unternehmen, wie der von Daimler, die laut Medienberichten bis 2030 mehr als 1,3 Milliarden Euro in die Weiterbildung von Beschäftigten investieren wollen.

Das Thema ist an sich kein neues, mittlerweile aber ganz oben auf der Prioritätenliste von Vorständen angekommen – wie unsere Studie mit über 50 C-Level-Interviews und einer breiten Umfrage (N=509) bestätigt. Und das überrascht nicht. Es ist seit Langem bekannt, wird aber gerne verdrängt, dass sich in Deutschland bis 2030 etwa vier Millionen Mitarbeitende (MA) beruflich neu orientieren müssen und zusätzlich circa fünf Millionen Fachkräfte fehlen werden, weil unter anderem Babyboomer in Rente gehen und zu wenig Menschen in die Workforce nachrücken. Die Zahlen hat das Institut der Deutschen Wirtschaft in diesem Jahr errechnet.

Orientierung durch den strategischen Überbau

Aus unserer Studie haben sich „3+2 Themen“ herauskristallisiert, die für alle Gesprächspartner:innen in Bezug auf Workforce Transformation zentral sind:

1 MA-Gewinnung – wie man Mitarbeitende für sich gewinnt
2 MA-Entwicklung – wie man Mitarbeitende weiterbildet
3 MA-Bindung – wie man Mitarbeitende hält

Die Umsetzung dieser drei Themen bedarf eines strategischen Überbaus (+1), der als zielorientierte Wegbeschreibung in der Umsetzung der drei oben genannten Kernthemen dient. Hier ist auch die Employer Value Proposition (EVP), also das Alleinstellungsmerkmal als Arbeitgeber, zu verorten, mit dem man (potenziellen) Mitarbeitenden ein Werteversprechen gibt und ausdrückt, warum man der richtige Arbeitgeber ist.

Zusätzlich benötigt es einen system-organisatorischen Unterbau (+1), der vor allem durch das richtige Operating Model, ein Upgrade digitaler Systeme sowie die Einbindung von People Analytics – die Sammlung und Anwendung von Daten zur Entscheidungsfindung – die Basis der Implementierung bildet.

Purpose wird immer wichtiger

Dabei hängt es vom Unternehmen und der spezifischen Marktsituation ab, ob alle Kernthemen plus Über- und Unterbau zusammen oder einzelne Themen fokussiert bearbeitet werden müssen (siehe Abbildung).

 

1. MA-Gewinnung – wie man Mitarbeitende für sich gewinnt

Die Gewinnung von Mitarbeitenden stellt in der heutigen Zeit für alle Organisationen eine umfassende Herausforderung dar. Und zwar unabhängig von Branche und Größe. So das eindeutige Ergebnis unserer großen Umfrage (96 Prozent Zustimmung).

Was können Unternehmen tun, um begehrte Talente für das eigene Unternehmen zu gewinnen? Insbesondere die junge Generation von Mitarbeitenden möchte für Unternehmen tätig sein, die einen tiefergründigen Purpose verfolgen, wie die CHRO eines großen FinTech-Unternehmens beschreibt: „Je nach Lebensphase sind unterschiedliche Faktoren wichtig. Purpose und Sinnhaftigkeit werden immer wichtiger, um als Arbeitgeber attraktiv zu sein.“ Ein gelebter Purpose, mit dem sich die Mitarbeitenden identifizieren können, ist demnach eine Grundvoraussetzung, um als Arbeitgeber interessant zu sein.

Flexibilität spielt eine weitere wichtige Rolle. Viele Mitarbeitende haben sich seit der Corona-Krise an eine gewisse Flexibilität des eigenen Arbeitsmodells gewöhnt und sind oft nicht mehr dazu bereit, ständig ins Büro zu fahren. Der „Head of Global People and Culture“ eines führenden Medienunternehmens konstatiert: „Flexibilität ist heute eine Währung, genauso wie Vergütung.“ Vollständige Flexibilität in Bezug auf Arbeitsort und -zeit wird aber durch die hiesige Arbeitsgesetzgebung erschwert.

Ein weiterer Faktor ist die positive „Candidate Experience“. Bei der Candidate Experience geht es darum, jeden einzelnen Kontaktpunkt auf der Gewinnungsreise der Mitarbeitenden positiv aufzuladen, denn diese Erfahrungen beeinflussen die Entscheidung für das Unternehmen positiv bzw. werden von Bewerber:innen in der Regel nach außen weitergetragen.

2. MA-Entwicklung – wie man Mitarbeitende weiterbildet

Neben der Herausforderung der Gewinnung von Mitarbeitenden stellt die Veränderung von Geschäftsmodellen und -prozessen neue Anforderungen an die Belegschaft in Bezug auf das Erlernen neuer Kompetenzen und Fähigkeiten. 85 Prozent unserer Gesprächspartner:innen bestätigen, dass kontinuierliche Mitarbeitenden-Entwicklung fundamental ist, um mit den sich stetig ändernden Anforderungen der heutigen VUCA-Welt umgehen zu können.

Dabei bringt Mitarbeitenden-Entwicklung für Unternehmen gleich zwei Vorteile mit sich: Investiert ein Unternehmen in Lernangebote, erhöht sich nicht nur die Qualität der Belegschaft, es zahlt auch automatisch positiv auf eine gesteigerte Arbeitgeberattraktivität (EVP) ein. Dies verdeutlicht die Aussage des Vorstandes eines internationalen Konsumgüterunternehmens: „Lernmöglichkeiten sind der neue Dienstwagen – und zwar mit Badges und Zertifizierungen.“

Lernen als Teil der DNA eines Unternehmens

Doch was können Unternehmen konkret tun, um dem Entwicklungsbedarf von Mitarbeitenden zu begegnen und diesen als Asset für sich zu nutzen?

Der Aufbau einer „Learning Culture“, also einer Kultur, die geprägt ist von dem Anspruch, sich immer weiterentwickeln zu wollen, sorgt dafür, dass Lernen in die DNA des Unternehmens integriert wird. Dies bedeutet, dass Mitarbeitende erstens passgenaue Entwicklungsangebote zur Verfügung gestellt bekommen und zweitens den nötigen Raum erhalten, diese auch zu nutzen.

Eine Vielfalt zielgruppenspezifischer Lernprogramme ist hierbei erfolgskritisch, da unterschiedliche Lerntypen unterschiedliche Formate benötigen. On-the-job-training oder digitale Lernformate angereichert mit kurzen Lernhacks bieten heutzutage einfache Möglichkeiten, um Lernen bedarfsgerecht und je nach Präferenz der Mitarbeitenden in den Alltag zu integrieren.

Ein weiterer zentraler Aspekt ist die Aktivierung der direkten Führungskraft durch systematische Entwicklung. Diese sollte hierbei als Vorbild vorangehen, Lernmöglichkeiten eröffnen und Anreizsysteme schaffen, sodass sich Mitarbeitende proaktiv weiterentwickeln. Das kann zum Beispiel durch die feste Verankerung von „Lern-Zeit“ im Arbeitsalltag gelingen. Bei der Frage, ob digitale oder physische Trainings bevorzugt werden sollten, sind sich die Gesprächspartner:innen einig: „Die Mischung macht’s.“ Zwar bieten digitale Lernformate mehr Individualisierungspotenzial, das klassische Präsenztraining bleibt als kulturstiftendes Element jedoch weiterhin wichtig.

3. MA-Bindung – wie man Mitarbeitende hält

Das dritte zentrale Thema ist allein deshalb relevant, da wir uns in Deutschland auf einem Arbeitnehmermarkt befinden. Es gibt schlichtweg weniger Menschen auf dem Arbeitsmarkt als Jobs. Hinzu kommt das Phänomen der „Great Resignation“, also vermehrte Kündigungen vonseiten der Arbeitnehmer:innen, zum Teil ohne einen Anschlussjob zu haben.

Bislang war dieser Trend vorwiegend in den USA zu beobachten. Laut dem Gallup Engagement Index Dezember 2021 ist die Wechselwilligkeit in Deutschland mittlerweile sogar höher als in den USA, was auf eine drohende Kündigungswelle hinweist.

War früher das Halten von Mitarbeitenden noch vorwiegend eine Frage der Gehaltserhöhung, sind sich 90 Prozent unserer Studienteilnehmer:innen einig: Der Fokus verschiebt sich auf die ganzheitliche Motivation der Mitarbeitenden.

Das bedeutet, dass sich die zentralen Maßnahmen von Mitarbeitenden-Gewinnung und Mitarbeitenden-Entwicklung auch positiv auf das Halten der Beschäftigten auswirken.

Enorme Bedeutung der menschlichen Beziehungen

Wie bei den anderen Themen stellt sich hier ebenfalls die Frage nach konkreten Ansätzen für Unternehmen. Ein Hebel liegt in der Gestaltung der Arbeit im Sinne von New Work. Wie oben bereits skizziert, verändern sich die Prioritäten vieler Mitarbeitenden. Der Wert von Sinnhaftigkeit der Arbeit steigt und auch im Hinblick auf die Arbeitszeit ist eine Abkehr von früheren Ansichten zu beobachten, wie der Vorstand eines großen Telekommunikationsunternehmens berichtet: „Selbst im Upper Management merke ich eine ganz klare Abkehr von dem Willen, 60 Stunden die Woche zu arbeiten.“

Eine weitere Möglichkeit für Unternehmen, positiv auf die Mitarbeitenden-Bindung einzuwirken, ist die Aktualisierung des Führungsverständnisses, wie der Bereichsvorstand Organisation eines MDAX-Unternehmens treffend formuliert: „People join companies and leave bosses.“

Die zentralen Fragen hierbei sind: Welcher Führungsstil wird im Unternehmen gelebt? Kann ein potenzielles Talent sich damit identifizieren? Ist die Führungskultur wertschätzend und bietet sie genügend Freiräume, sodass sich Mitarbeitende weiterentwickeln können? Es geht hierbei aber nicht ausschließlich um die direkte Führungskraft, sondern auch um die Mikrokultur des unmittelbaren Teams, mit dem man permanent zusammenarbeitet.

Unsere Gesprächspartner:innen berichten unisono, dass die menschlichen Beziehungen innerhalb des direkten Arbeitsteams sowie dessen Kultur und Atmosphäre eine entscheidende Rolle spielen, ob Mitarbeitende motiviert sind und sich wohlfühlen. Und diese beiden Faktoren haben einen positiven Einfluss auf die Mitarbeitenden-Bindung.

Mit klarer Wegbeschreibung und starker Basis

Der alleinige Fokus auf Mitarbeitenden-Gewinnung, -Entwicklung und -Bindung wird allerdings nur selten zum Erfolg führen. Die Organisation braucht eine klare Orientierung, was die Ziele für die drei Themen sind, wie diese inhaltlich aufeinander abzustimmen sind und wie der Fahrplan aussieht, um diese auch zu erreichen.

Von elementarer Bedeutung ist die übergeordnete People-Strategie. Abgeleitet aus der Geschäftsstrategie, dient sie als Richtungsvorgabe für die gesamte Organisation.

Als Basis ist dabei eine Überprüfung des Operating Model (Aufbau- und Ablauforganisation) vonnöten, um sicherzugehen, dass auch gehalten wird, was nach außen versprochen wird. Gleichzeitig muss weiterhin in die IT-Infrastruktur investiert werden, um Prozess-Automatisierung voranzutreiben und eine Basis für moderne Analyse-Tools zu schaffen, die unabdingbar sind, um Veränderungen in der Belegschaft frühzeitig zu erkennen und entsprechend gegensteuern zu können.

HR und Business als Tandem gefordert

Obwohl die Mitarbeitenden im Mittelpunkt stehen, ist HR nicht in der alleinigen Verantwortung für die erfolgreiche Umsetzung.

Der Schlüssel zum Erfolg liegt vielmehr im engen Zusammenspiel von HR und Business, die sich einen gemeinsamen „Matchplan“ zurechtlegen, der flexibel anpassbar ist und mit der Workforce Transformation erfolgreich gestaltet werden kann.

Beim Gewinnungsprozess ist vor allem HR die treibende Kraft, den Purpose, flexible Arbeitsmodelle und Gehalt transparent nach außen zu tragen. Das Business hingegen steht in der Verantwortung, dass diese Themen auch gelebt und gepflegt werden.

Beim Thema Mitarbeitenden-Entwicklung übernimmt HR die Funktion als Servicedienstleister, der möglichst vielfältige Lernangebote schafft, während die Führungskraft im Business als Enabler für die Weiterentwicklung der eigenen Mitarbeitenden agiert.

Im Bereich Mitarbeitenden-Bindung setzt HR vor allem den Rahmen (unter anderem Motivations- und Benefits-Modelle, Gestaltung von New Work). Das Business ist hier besonders in der Führungsrolle gefordert, auf die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeitenden einzugehen und eine positive Führungskultur zu leben.

In allen Bereichen ist die Abstimmung mit dem Betriebsrat nicht nur notwendig: Die Abstimmung mit dem Betriebsrat kann  als Katalysator bei der Umsetzung der Transformation dienen.

Voraussetzung dabei ist, dass HR, Business und Betriebsrat sich gegenseitig als Partner verstehen, die alle dasselbe übergeordnete Ziel verfolgen: den erfolgreichen Umgang mit Workforce Transformation.

 

Autoren

Stefan Clemens Ulrich
ist Principal bei der Managementberatung undconsorten mit Fokus auf Leadership, People und Organization. Er berät unter anderem zu (agilen) Transformationen und einer Vielzahl von HR-Themen. Zuvor war er viele Jahre bei einer internationalen Strategieberatung tätig.
»Stefan bei LinkedIn

 

Dr. Tobias Duffner
ist ehemaliger Profifußballer vom SV Werder Bremen und hat im Bereich Sportmanagement an der Universität Leipzig promoviert. Er arbeitet bei der Managementberatung undconsorten als Associate in den Bereichen Transformation und Führung.
»Tobias bei LinkedIn

 

changement! Heft 06/2022

Große Summen werden in die Digitalisierung investiert, doch etwas Entscheidendes wird vergessen: das menschliche Element. Dabei ist die People-Transformation die wichtigste wirtschaftliche Herausforderung unserer Zeit. Ein dreistufiger Ansatz für die Workforce Transformation, der iterativ umgesetzt wird, kann dabei ein Schlüssel zum Erfolg sein: „Workforce Transformation in drei Stufen“.

Future Skills der (digitalen) Produktion entwickeln

Skill Management ist ein zentrales Instrument für eine flexible Zukunftsausrichtung von Fachabteilungen, das Trends berücksichtigt und Veränderungen dynamisch zulässt. Die konkrete Umsetzung hat das Pharmaunternehmen Daiichi Sankyo Europe für den Bereich Engineering und Industrie 4.0 an seinem Produktionsstandort Pfaffenhofen bei München pilotiert.

Es gibt kaum eine technologische Entwicklung, die die Arbeitswelt so stark verändert, wie die Digitale Transformation. Digitalisierung, Robotisierung und der Einsatz kognitiver Technologien bringen einen enormen Wandel und damit umfassende neue Anforderungen an die Belegschaft in der Pharmaproduktion mit sich.

Diese Workforce Transformation betrifft das gesamte Unternehmen über alle Generationen von Mitarbeitenden und Führungskräften hinweg. Vor allem in Zeiten des Fachkräftemangels stellen sich die folgenden Fragen: Welche Fähigkeiten werden in Zukunft genau benötigt und wer kann sie abdecken? Woher kommen die Menschen, mit denen die Transformation zum Leben erweckt werden kann?

Hier kommt Skill Management zum Einsatz. Denn: Was auf unternehmensweiter Ebene als Workforce Transformation bezeichnet wird, muss in der Umsetzung individuell gedacht werden. Wenn die Belegschaft ganzheitlich transformiert werden soll, bedeutet das eine Veränderung für jeden einzelnen Menschen.

Erfolgstreiber für die Belegschaftsentwicklung

Der Ressourcenbedarf wird dabei definiert durch die benötigten Fähigkeiten und die entsprechenden Ausprägungen. Dies ermöglicht den gezielten Einsatz von Mitarbeitenden sowie deren Förderung. Es fließt maßgeblich in die strategische Personalplanung und deren Umsetzung für die nächsten ein bis fünf Jahre ein.

Skill Management bedient sich ähnlicher Methoden wie die strategische Personalplanung, verwendet jedoch einzelne Skills bzw. Skill Cluster als Planungsgrundlage. In einem ganzheitlichen Assessment werden bestehende und benötigte Skills erfasst und abgeglichen, um die „Skill-Lücke“ zu ermitteln – entweder für einzelne Abteilungen oder für das gesamte Unternehmen. Diese Lücke (Gap) kann dann durch Personalentwicklungsmaßnahmen („Make“) oder Neueinstellungen („Buy“) geschlossen werden.

Flexibel auf neue Anforderungen reagieren

Die Unternehmen wissen: Neue Jobs werden kommen – und damit auch die neuen Anforderungen an Mitarbeitende. Zudem kennen eine Menge der Unternehmen die wichtigsten Schritte hin zur erfolgreichen Workforce Transformation: In einer Deloitte-Studie (Deloitte Global Human Capital Trends 2021) gaben rund 40 Prozent der befragten Führungskräfte als einen der wichtigsten Schritte den Aufbau von Fähigkeiten durch Upskilling, Reskilling und Mobility an. Die Anwendung des Skill Managements steht also für viele fest – jedoch ist einer großen Anzahl an Unternehmen noch nicht klar, wie der Weg dahin im Detail aussehen soll.

Das japanische Pharmaunternehmen Daiichi Sankyo Europe stand ebenfalls vor der Herausforderung, seine Belegschaft auf die neuen Anforderungen vorzubereiten. Gemeinsam mit Deloitte wurde das Projekt „Future Skills im Bereich Engineering und Industrie 4.0“ pilotiert mit dem Ziel, die Workforce Transformation operativ umsetzbar zu machen. Das Projektteam – bestehend aus Vertreter:innen von HR und des Fachbereichs auf Seite von Daiichi Sankyo Europe sowie Berater:innen von Deloitte – fand nicht nur Antworten darauf, die Mitarbeitenden fit für die Zukunft zu machen, sondern sie außerdem zu befähigen, künftig flexibel auf immer neue Anforderungen reagieren zu können.

Skill Management als Tool für Workforce Transformation

Im ersten Schritt definierten wir die konkreten Anforderungen als Future Skills (1), führten anschließend ein Skill Assessment durch (2) und identifizierten die „Skill Gaps“ durch den Abgleich benötigter und vorhandener Fähigkeiten (3). Abschließend entwickelten wir individuelle Lernreisen und definierten weitere Maßnahmen zur Umsetzung (4).

1. Future Skills

Wir haben verschiedene Annahmen über die Zukunft getroffen: Welche Technologien werden unsere Art zu arbeiten verändern? Welche Profile und Skills werden benötigt? Inwiefern werden diese Skills beeinflusst von Technologien und Software? Und welche Skills werden durch Digitalisierung und Automatisierung weniger gebraucht? Antworten auf diese Fragen werden gefunden durch:

  • Diskussionen mit den Führungskräften bei Daiichi Sankyo Europe,
  • eine intensive Beobachtung und Auswertung von Markttrends,
  • eine detaillierte Recherche mithilfe einer Kompetenzdatenbank von Deloitte und
  • Gespräche mit Industrieexpert:innen.

Daraus abgeleitet können die Veränderungen auf Jobprofilebene betrachtet und anhand von drei Kerndimensionen eingeordnet werden (siehe Abbildung 1):

Erstens haben wir die Frage danach gestellt, woher in Zukunft die Talente kommen und welche Aufgaben von externen Partner:innen (zum Beispiel von Dienstleistern oder Freelancern) übernommen werden können. Zweitens haben wir den Grad der Automatisierung bestimmter Aufgaben betrachtet und drittens den Aspekt des Arbeitsortes beleuchtet. Wird vor Ort oder remote zusammengearbeitet? Basierend auf dieser Analyse konnten wir aktuelle und zukünftige Arbeitsbedingungen gegenüberstellen.

Das Tempo, in dem die Digitalisierung der pharmazeutischen Fertigung voranschreitet, ist atemberaubend. Die technologische Weiterentwicklung trifft die Mitarbeitenden nicht selten unvorbereitet. Skill Management zeigt den Entwicklungsbedarf und ermöglicht Unternehmen frühzeitig, die Mitarbeitenden auf die neue Umgebung vorzubereiten. Vernetzte Maschinen bieten neue Möglichkeiten der Wartungsanalyse und unterstützen damit die Arbeit der Wartungsmechaniker:innen. Die Frage ist jedoch: Welche Skills müssen diese Mitarbeitenden lernen, um den Mehrwert der neuen Technologie für das Unternehmen nutzbar zu machen?

2. Skill-Evaluierung

Auf Basis von marktüblichen Mechanismen haben wir die Methode zum Assessment der Skills selbst entwickelt, um eine maßgeschneiderte Lösung für Unternehmensgröße, Ausrichtung der Produktion und Zielgruppe der Mitarbeitenden anwenden zu können. Die Teamleitungen nahmen anhand eines Evaluierungstools eine grobe Einschätzung der Teamkompetenzen vor.

So zeigten sich in der Evaluation die Potenziale der Teams: Es wurden gut ausgeprägte übergeordnete Skills wie unternehmerisches Denken, Mut zu Innovation und Soft Skills genauso festgestellt wie breites technisches Fachwissen zu Maschinen und Produktionsvorgängen, beispielsweise in der Sterilfertigung.

3. Skill-Gap-Analyse

Durch einen Abgleich der vorhandenen mit den Future Skills im Unternehmen ergibt sich eine Gap-Übersicht; die Skills, die im Unternehmen aktuell noch fehlen, werden sichtbar. Bei Daiichi Sankyo Europe liegen sie vor allem im Bereich der Digitalisierung. In Bezug auf das Profil eines Betriebsingenieurs sind beispielsweise die Skills „Data Analytics“ und „Predictive Maintenance“ gefragt.

Durch den flexiblen Ansatz im Skill Management kann dies auf organisationsweiter Ebene strategisch diskutiert werden. Gleichzeitig können erste individuelle Entwicklungsmöglichkeiten eruiert werden. Hierbei haben wir die große Spannbreite an vorhandenen Skills in einzelnen Teams sowohl als besondere Herausforderung als auch als Chance verstanden, da Mitarbeitende gezielt von ihren Kolleg:innen lernen können.

4. Umsetzungsmaßnahmen

Mit individualisierten Lernreisen (siehe Abbildung 2) haben wir einen Lösungsweg gefunden, wie die Mitarbeitenden die benötigten Future Skills entwickeln können – persönlich zugeschnitten auf die eigenen Bedarfe.

Die Chance liegt hier vor allem bei den Mitarbeitenden, die aufgrund ihrer aktuellen Tätigkeiten bereits über technologisches Wissen verfügen. Das konkrete Erarbeiten des Skill Managements ermöglicht es, nicht bei der strategischen Ausrichtung auf digitale Skills zu verbleiben, sondern konkret zu benennen, welche Fähigkeiten mit welchen Maßnahmen aufgebaut werden sollen.

Empowerment der Mitarbeitenden

Der Qualifikationserwerb passiert nicht von heute auf morgen. Daher braucht es ein vorausschauendes und strategisches Agieren. Alle an der Lernreise Beteiligten – von den Führungskräften über die Mitarbeitenden bis hin zu HR und Lernakademien – müssen auf die veränderten Kompetenzanforderungen vorbereitet und dabei unterstützt werden, die Qualifikationsprofile anzupassen und die damit einhergehenden Neuerungen umzusetzen.

Ein entscheidender Erfolgsfaktor ist die Transparenz über die veränderten Kompetenzanforderungen. Damit sich Mitarbeitende in Zusammenarbeit mit den Führungskräften genau jenes Wissen, jene Fertigkeiten und jene Fähigkeiten aneignen können, die für die zukünftige Pharmaproduktion gebraucht werden.

Gezieltes Skill Management ermöglicht den Mitarbeitenden, selbstwirksam ihre Entwicklung zu gestalten und aktiv an der Transformation mitzuwirken. Es zeigt ihnen konkrete Handlungsfelder und einen gemeinsamen Weg in eine von Veränderung und Unsicherheit geprägte Zukunft auf. Der von Deloitte vorgeschlagene und mit Daiichi Sankyo umgesetzte Ansatz soll dabei Nachhaltigkeit und Wertschätzung sicherstellen.

Ganz klar: Die Verantwortung für die Workforce Transformation soll nicht auf die Mitarbeitenden abgewälzt werden, HR zieht sich nicht aus der Verantwortung. Ein integrierter Ansatz vereint die Interessen von Belegschaft, Führungskräften und HR. Er beruft sich darauf, Mitarbeitende zu befähigen, selbst Teil der Transformation zu sein und ihren eigenen Weg mitzugestalten – ohne sie vor vollendete Tatsachen zu stellen.

Für Daiichi Sankyo sollten die zukünftigen Skill-Anforderungen aus einer Kombination von „Entwickeln“ und „Rekrutieren“ bedient werden. Insbesondere mit Blick auf den Fachkräftemangel und die Schwierigkeit, neue Mitarbeitende zu finden, ist es das Ziel, die eigene Belegschaft an das Unternehmen zu binden und ihre Entwicklung durch entsprechende Trainings und weitere Entwicklungsmaßnahmen sicherzustellen.

Das Skill Management selbst wird digitaler

Die Digitalisierung und der damit einhergehende Wandel an Tätigkeiten und Jobprofilen stellt viele Unternehmen vor große Herausforderungen. Wollen sie den Anschluss an ihre Wettbewerber auch in Zukunft nicht verpassen, müssen sie jetzt die Weichen stellen und ihre Mitarbeitenden auf eine umfassende Transformation vorbereiten. Es gilt, diesen fundamentalen Wandel für die gesamte Organisation, aber auch für jede:n einzelne:n Mitarbeitenden als Chance zu begreifen.

Das Projekt bei Daiichi Sankyo Europe hat gezeigt, dass durch ein integratives und strategisch orientiertes Skill Management auch für jede:n Einzelne:n große Potenziale für die Ausweitung des persönlichen, zukunftsorientierten Skillsets im digitalen Zeitalter realisiert werden können. Dabei wird das Skill Management selbst digitaler werden.

Dies ermöglicht, den Skill-Management-Prozess aus dem Pilotprojekt auf das Gesamtunternehmen zu skalieren. Es gibt am Markt ein großes Potenzial, die Entwicklung jobrelevanter Skills mithilfe künstlicher Intelligenz zielgerichtet zu unterstützen. In Zukunft werden Skills-Ökosysteme die Basis für intelligente, datengestützte Skill-Gap-Analysen im Unternehmen darstellen. Skills Intelligence unterstützt somit den gesamten Employee Lifecycle – von der Rekrutierung über das Onboarding und die Talententwicklung bis hin zum Offboarding.

Durch das Projekt ist deutlich sichtbar geworden, welche Skills über die kommenden Jahre entwickelt und aufgebaut werden müssen – die
Herausforderung wurde als Chance ergriffen. Digitalisierung wird die Pharmaproduktion revolutionieren – Daiichi Sankyo Europe ist bereit.

Autor:innen

Svenja Schnabel
begleitet als Psychologin die Digitalisierung der HR-Prozesse bei Daiichi Sankyo Europe. Bei ihrem Herzensthema Skill Management steht für sie nicht nur die angemessene Verarbeitung von Daten, sondern vor allem das Empowerment der Mitarbeitenden im Vordergrund. So auch aktuell in ihrer Dissertation über den Einfluss von People Analytics und Künstlicher Intelligenz auf „Decision Making“.
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Cathrin Christ
ist Director bei Deloitte und Expertin zu „Workforce Planning“ und „Talent Management“ in Deutschland. Sie hat bereits zahlreiche Workforce Transformations umgesetzt. Deloitte Consulting ist weltweit eine der größten Unternehmens- und Technologieberatungen. Der Bereich Human Capital bietet Beratung in den Bereichen HR-Transformation, Workforce Transformation und Organisationstransformation.
»Cathrinbei LinkedIn

 

changement! Heft 06/2022

 

Fünf Fragen an Laura Gersch, Finanzvorständin bei der Allianz Versicherungs-AG

Bislang hat sich im Change Management noch kein Konzept als ultimativ richtig erwiesen. Veränderungen in Organisationen verlaufen höchst unterschiedlich. Deshalb sind die Erfahrungen, Erlebnisse und Eindrücke der Verantwortlichen auch so verschieden. Uns interessiert die persönliche Perspektive von erfolgreichen Managern und Managerinnen. Diesmal stellt sich Laura Gersch unseren fünf Satzeröffnungen.

Meine bislang größte Business Transformation …

… die konsequente Weiterentwicklung der betrieblichen Altersversorgung der Allianz Leben im Umfeld von Null- und Negativzinsen. Das Ziel: Freiheiten für die Kapitalanlage zu schaffen, um auch in einem solchen Umfeld zukunftsfest Renditen erwirtschaften zu können. Die Methode: Das Ganze ging nur als cross-funktionales Team mit der klaren Überzeugung, dass dieser Wandel möglich und zum besten unserer Kund:innen ist. Gleichzeitig hat sich auch noch unsere Art der Zusammenarbeit von einem auf den anderen Tag grundlegend geändert. Mit Corona haben auf einmal mehr als 90 Prozent aller Kolleg:innen mobil gearbeitet, vorher waren eher 90 Prozent im Büro. Gestartet sind wir zehn Wochen nachdem ich meine Rolle als Firmenvorständin bei der Allianz Leben angetreten hatte. Es war also ein Wandel auf vielen Ebenen gleichzeitig – und hat sehr gut funktioniert. Das zeigt, was alles möglich ist!

Veränderungen von Unternehmen sind aus meiner Erfahrung im Wesentlichen geprägt von…

… sich verändernden Kundenanforderungen, Weiterentwicklung von Technologien, demografischem Wandel, radikalen Veränderung des Arbeitsplatzes und – ja auch – Krisen wie beispielsweise Corona, Klimawandel oder Krieg.

Die drei wichtigsten Erfolgsfaktoren von Change Management sind für mich …

Über allem steht für mich das Mindset, mit dem der Wandel angestoßen wird. Im Sinne von „Was ist, wenn’s klappt“ anstelle von „Was könnte alles schiefgehen“. Es geht darum, motivierende Zielbilder aufzuzeigen, die Menschen zu beteiligen und die Veränderung dann auch vorzuleben. Und: Eine intensive und transparente Kommunikation ist unerlässlich.

Wir müssen Betroffene zu Beteiligten machen. Für mich bedeutet das, dass wir die Mitarbeitenden nicht nur informieren, sondern durch agiles Arbeiten mitgestalten lassen und aktiv einbinden bei der Umsetzung der Veränderung.

Und noch ein Punkt ist mir wichtig: Wandel gelingt nur, wenn alle mitmachen und jede:r bei sich selbst anfängt.

Oft wird bei Veränderungen der Fokus auf die Mitarbeitenden gelegt, Führungskräfte und vor allem das Top-Management ausgeklammert. Dabei ist es essenziell, dass diese die Veränderung mittragen und als Vorbild vorausgehen – ganz im Sinne von „Walking the Talk“.

Nicht alles gelingt. Was ich bei Veränderungen in meiner Verantwortung künftig anders machen werde oder was ich durchs Lernen aus früheren Fehlern heute bereits anders mache, ist…

… noch mehr kommunizieren und Veränderungen anhand von ganz konkreten kleinen Beispielen für die Mitarbeitenden (be)greifbar machen. Und: Veränderung braucht Zeit! Nur weil ein Führungsteam sich schon eine Weile mit der Veränderung beschäftigt, heißt das noch lange nicht, dass das Bewusstsein für die Notwendigkeit zur Veränderung und der Veränderungswille schon in allen Teams angekommen sind. Daher meine Daumenregel: Man kann bei Change-Themen nicht zu viel kommunizieren. Erst wenn ich die Argumente und Themen selbst kaum noch hören kann, ist es wahrscheinlich in allen Ecken des Unternehmens angekommen.

Mein persönlicher Tipp an eine Führungskraft, die Verantwortung für ein Veränderungsprojekt übernimmt, lautet:

Mutig sein, Mut machen, Visionen haben und diese auch kommunizieren sowie das Zielbild so verständlich und erlebbar wie möglich machen.

 

changement! Heft 04/2022

 

Autorin

Laura Gersch
ist aktuell Finanzvorständin bei der Allianz Versicherungs- AG, davor war sie Vorständin für Firmenkunden und Personal bei der Allianz Lebensversicherungs-AG. Nach dem Studium der internationalen Betriebswirtschaftslehre in Reutlingen und in Boston hat Laura Gersch bei der Unternehmensberatung McKinsey sieben Jahre Unternehmen aus dem Versicherungs- und Bankenbereich im In- und Ausland beraten. 2014 ist sie zur Allianz gewechselt und hatte dort verschiedene Führungspositionen inne.
Leidenschaftlich setzt Laura Gersch sich für Gleichberechtigung ein und hat die Initiative #equalpension ins Leben gerufen, die Aufmerksamkeit auf das geschlechterspezifische Gap in der Altersvorsorge lenkt. Hierfür hat sie 2021 den German Diversity Award von Beyond-GenderAgenda in der Kategorie Gender gewonnen.
»Laura bei Linkedin

Ihnen hat das Format „5 Fragen an…“ gefallen? Hier finden Sie einen weiteren Beitrag dazu: „Change Management: 5 Fragen an Felicitas von Kyaw“.

Im Mai 2020 stellte sich die ING die Frage, wie ihr „One Agile Way of Working“ weiterentwickelt werden muss, um dabei Markenkern, Kultur und Purpose weiter zu stärken und diese nicht nur für Kundinnen und Kunden, sondern auch für Mitarbeitende erlebbar zu machen. Entstanden ist eine neue People Strategy, die in einer veränderten Arbeitswelt Empowerment, Flexibilität und Autonomie in den Fokus rückt – und Arbeit neu denkt. Bei der ING nennt man es: Beyond WorkING.

Bereits sechs Monate nach offiziellem Abschluss der Transformation zur ersten vollständig agilen Bank Deutschlands stellte die Corona-Pandemie die neue agile Arbeitsweise der ING Deutschland auf den Prüfstand. Zu Beginn der Pandemie war Schnelligkeit und Flexibilität gefragt, um der Fürsorgepflicht für die Mitarbeitenden gerecht zu werden sowie die operative Funktionsfähigkeit der Bank sicherzustellen. Innerhalb kürzester Zeit mussten Prozesse angepasst und technisches Equipment bereitgestellt werden. Die Teams mussten ihre Zusammenarbeit ins Virtuelle verlegen. Die Pandemie erwies sich somit als Lackmustest für die agile Arbeits- und Denkweise. Die Zeit war gekommen, unter Extrembedingungen zu beweisen, dass der sogenannte „One Agile Way of Working“ die ING tatsächlich agiler gemacht hatte.

Von den Herausforderungen der Pandemie zu einer neuen Vision

Es war schnell klar, dass auf diese von Volatilität, Unsicherheit und Komplexität geprägte Situation nicht mit vorgefertigten Programmen reagiert werden konnte. Vielmehr brauchte es ein iteratives, agiles Vorgehen, um die unterschiedlichen Herausforderungen bestmöglich zu koordinieren. Nur durch kurze Frequenzen konnte schnell auf äußere und interne Rahmenbedingungen reagiert, zeitnah verschiedene Stakeholder einbezogen und Gelerntes zügig angewendet werden.

Die Corona-Pandemie hat zu tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen geführt, die sich auch auf die Arbeitswelt auswirken. Daher hat sich die ING schon im Mai 2020 die Frage gestellt, wie als Antwort auf diese Disruption der sogenannte „One Agile Way of Working“ weiterentwickelt werden muss, um dabei den Markenkern, die Unternehmenskultur und den „Purpose“ der Gesamtbank weiter zu stärken und nicht nur für die Kundinnen und Kunden, sondern auch für die Mitarbeitenden erlebbar zu machen. Entstanden ist daraus eine neue People Strategy, die sich konsequent an dem Purpose und dem (externen) Markenversprechen der Bank orientiert.

Dadurch stand fest, dass in Bezug auf die Zukunft der Arbeit bei der ING Empowerment, Autonomie und Flexibilität gefördert werden sollen:

Empowerment bedeutet dabei, dass allen Kolleginnen und Kollegen die passenden Tools zur Verfügung gestellt werden – egal wo sie arbeiten und egal ob sie Software entwickeln oder Kreditanträge bearbeiten.

Autonomie heißt in diesem Fall, dass keine starren Regeln vorgegeben werden, wie viele Tage mobil gearbeitet werden kann oder an welchen Tagen Mitarbeitende im Office anwesend sein müssen. Dem zugrunde liegt der Glaube, dass Teams diese Frage selbst beantworten können und sollen, und zwar unter Berücksichtigung der Bedürfnisse des Teams, der Verpflichtung den Kundinnen und Kunden gegenüber sowie eventueller arbeitsorganisatorischer oder regulatorischer Rahmenbedingungen.

Und Flexibilität bedeutet, dass die individuellen Bedürfnisse nach einer gesunden Work-Life-Balance der Mitarbeitenden ernst genommen werden. Denn gerade während der Pandemie wurde deutlich, dass eine gute Teamleistung darauf aufbaut, dass jeder und jede die Balance behält – und zwar beruflich, familiär, mental sowie körperlich.

Schnelle Lösungen durch agile, interdisziplinäre Zusammenarbeit

Ausgehend von diesen Überlegungen mussten folgende Fragen für das „nächste Level des Arbeitens“ – die ING nennt es „Beyond WorkING“ – beantwortet werden:

  • Welche Produkte und Angebote für die Mitarbeitenden braucht es, um den Anspruch nach Empowerment, Autonomie und Flexibilität zu erfüllen?
  • Wie kann das mit Blick auf eine komplexe Mitbestimmungslandschaft und verschiedene arbeitsrechtliche Vorgaben, die nicht unbedingt für volle Flexibilität ausgelegt sind, umgesetzt werden?
  • Wie lange wird die Pandemie andauern und wird das die Anforderungen und Erwartungshaltungen von Mitarbeitenden und Führungskräften noch einmal verändern?
  • Wie können alle Mitarbeitenden auf diesen Weg mitgenommen werden?
  • Und wie kann es gelingen, die Stimmungen innerhalb der Belegschaft zu erfassen und die Bedürfnisse in den Teams zu berücksichtigen?

Um Antworten auf diese komplexen Fragestellungen zu finden, hat die ING ein interdisziplinäres, agil arbeitendes Squad zusammengestellt.

Das im August 2020 zusammengestellte Squad besteht aus Mitarbeitenden aus den Bereichen HR, Strategy, IT, Facility Management, Internal Communications, „Way of Work-ING“ sowie den operativen Einheiten Wholesale Banking und Service. Die Aufgabe des „Beyond WorkING“-Squads war es unter anderem:

  • die rechtlichen Grundlagen für eine neue, hybride und flexible Arbeitsweise zu durchdenken,
  • die passende technische Ausstattung zu finden,
  • die Flächenplanung anzupassen
  • und vor allem alle Mitarbeitenden inklusive der Führungskräfte mitzunehmen
  • sowie eine Vereinbarung mit dem Gesamtbetriebsrat der Bank zu treffen.

Zum Zeitpunkt der Squad-Gründung hatte die agile Arbeitsweise noch keinen Eingang in die Mitbestimmungsprozesse der Bank gefunden. Diese liefen nach wie vor in gesonderten Verhandlungsrunden ab und die zuständigen Gremien waren in den agilen Arbeitsprozess nicht involviert. Das sollte sich mit „Beyond WorkING“ ändern, denn ein Arbeiten auf dem „nächsten Level“ bedeutet auch, die Zusammenarbeit mit den Gremien neu zu denken.

Die Vorteile der iterativen, agilen Herangehensweise zeigen sich insbesondere dann, wenn das Endprodukt noch nicht klar definiert ist und es zunächst mehr Fragen als Antworten gibt. Agilität und insbesondere der darin verankerte Lernansatz helfen den Beteiligten, Lösungen gemeinsam zu erarbeiten und das Zielbild Stück für Stück bzw. Sprint für Sprint zu vervollständigen.

Das Zielbild schrittweise gemeinsam erarbeiten

Das „Beyond WorkING“-Squad und der Gesamtbetriebsrat haben sich zum Start der Zusammenarbeit zunächst darüber verständigt, dass nicht ein finales „Produkt“ für das Arbeiten der Zukunft entwickelt werden soll, sondern dass es vielmehr darum geht, flexible Lösungen in einer sich ständig verändernden Welt zu erschaffen.

Anschließend wurden gemeinsam Arbeitspakete definiert und diese dann in zweiwöchigen Sprints ausgearbeitet, bevor die Ergebnisse in Verhandlungstermine überführt wurden. Mit diesem Vorgehen war es möglich, das Zielbild schrittweise gemeinsam zu erarbeiten und kreative Lösungsansätze auch für unerprobte Situationen zu schaffen.

Das Ergebnis nach knapp einem Jahr Kollaboration waren insgesamt drei Gesamtbetriebsvereinbarungen, die die Grundsätze und Leitplanken des mobilen Arbeitens und zur Flächenplanung der Bank regeln. Das Besondere daran: Es wurden „lernende“ Vereinbarungen geschaffen.

Diese werden zwölf Monate nach Inkrafttreten, also nach Ende der pandemiebedingten Einschränkungen, im Rahmen einer Retrospektive jeweils überprüft und gegebenenfalls angepasst.

Während dieser zwölfmonatigen Testphase wird die interdisziplinäre Arbeit zwischen dem Squad und dem Gesamtbetriebsrat aufrechterhalten, um flexibel und schnell auf sich verändernde Rahmenbedingungen zu reagieren und vor allem Mitarbeitenden und Führungskräften rund um „Beyond WorkING“ Hilfestellung und Orientierung zu geben.

Die Mitarbeitenden befragen und mitnehmen

Bei einem Change dieser Größenordnung darf vor allem der Faktor Mensch nicht vernachlässigt werden. Die Organisation muss sich auf die Ängste und Unsicherheiten der Mitarbeitenden und ganz besonders auch der Führungskräfte einstellen, denen eine wichtige Rolle in der „Beyond WorkING“-Transformation zukommt. Gute Führung war und ist entscheidend, um die Teams gut durch die Krise sowie die Transformation zum Erfolg zu führen.

Im Verlauf der Pandemie gab es insgesamt sechs Umfragen unter den Mitarbeitenden: drei im Jahr 2020 und ebenfalls drei im Folgejahr. Die Ergebnisse aus dem Befragungszeitraum 2020 zeigten, dass den Mitarbeitenden eine Zukunftsperspektive insbesondere im Hinblick auf ihre Arbeitsgestaltung fehlte und sie sich eine Antwort auf die Frage wünschten, welchen Stellenwert mobiles Arbeiten auch nach der Pandemie einnehmen wird.

Als weiteres Handlungsfeld konnte die Arbeitsausstattung identifiziert werden. Infolgedessen wurde die Einführung neuer Kollaborationstools mit erhöhter Geschwindigkeit vorangetrieben sowie ein individuelles Ausstattungsbudget beschlossen, das ein wesentlicher Bestandteil der ersten Gesamtbetriebsvereinbarung ist.

Darüber hinaus zeigten die Befragungsergebnisse, dass sich mit Beginn der Pandemie die Work-Life-Balance im Arbeitsalltag verändert hatte. Daraufhin wurden von HR unmittelbar Unterstützungsangebote insbesondere im Bereich Resilienz und Achtsamkeit entwickelt, mit dem Ergebnis, dass in der Befragung im November 2020 die Mitarbeitenden der Bank eine exzellente Unterstützung bescheinigten und 95 Prozent der Befragten Zuversicht äußerten, dass die ING die Corona-Krise gut managen wird.

 

Gute Führung, Wellbeing und Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Die Unterstützungsangebote durch den HR-Bereich der ING werden konsequent digital ausgerichtet und decken im Rahmen der Pandemie in erster Linie zwei Bereiche ab: Wellbeing und Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Im Bereich Wellbeing wurde Wert gelegt auf Maßnahmen, die sich leicht in den Arbeitsalltag integrieren lassen. So wurde beispielsweise der „WellbeING Useletter“ entwickelt – ein wöchentlicher Newsletter, der Impulse für mehr Bewegung, Mikropausen, Achtsamkeit und Resilienz enthält. Darüber hinaus steht jedem Mitarbeitenden der ING ein jährliches Gesundheitsbudget zur Verfügung, das individuell genutzt werden kann – beispielsweise für den eigenen Sportverein, den Fitnessclub am Wohnort, für Kochkurse oder Ernährungsseminare, aber auch für die medizinische Vorsorge.

Bei den Leistungen rund um Vereinbarkeit von Beruf und Familie konzentrierte sich HR auf die Unterstützung für Familien mit Kindern. Ziel war es, die angespannte Betreuungssituation zu erleichtern, die durch die Schließung von Betreuungseinrichtungen entstanden war.

Für die Führungskräfte fokussierte HR sich auf Qualifizierungsangebote im Bereich virtuelle bzw. hybride Führung. Das agile Führungsverständnis hat sich durch die hybride Arbeitsweise nicht verändert, jedoch müssen Führungskräfte sich darauf einstellen, dass Zusammenarbeit und Interaktion überwiegend virtuell stattfinden. Das speziell entwickelte „Leading Remotely Toolkit“ deckt vier Themenkategorien ab, die jeweils grundsätzliche Tipps und Tricks enthalten sowie auf weiterführende Quellen und spezielle Entwicklungsangebote verweisen:

  • In der ersten Kategorie „Engagement & Wellbeing“ geht es darum, in engem Kontakt zu den Mitarbeitenden zu bleiben.
  • Die zweite Kategorie konzentriert sich darauf, für alle Mitarbeitenden gleichwertige und faire Arbeitsbedingungen zu schaffen, unabhängig vom Arbeitsort.
  • Bei Output-orientierter Führung, der dritten Kategorie, geht es darum, die Leistung der Mitarbeitenden an den erzielten Ergebnissen zu bemessen, nicht an der aufgewendeten Arbeitszeit oder dem Arbeitsort.
  • Die vierte Kategorie fokussiert auf Selbstreflexion, um das Bewusstsein für den eigenen Führungsstil zu schärfen, mögliche Schwachstellen im virtuellen bzw. hybriden Setting zu identifizieren und bei Bedarf anzupassen.

Auch im Bereich Führung hat die agile Arbeitsweise sich als großer Pluspunkt im Umgang mit der Pandemie herausgestellt. Kern der agilen Arbeitsweise sind sich selbst steuernde Teams, die ihre Zusammenarbeit durch agile Routinen strukturieren. Die Führungskraft hat nicht die Aufgabe, zu kontrollieren oder Aufgaben zu verteilen, sie gibt vielmehr die Vision vor und steht im Sinne des „Servant Leadership“ als Problemlöserin oder -löser bereit. Dieses Führungsverständnis hat die Umstellung auf mobiles bzw. hybrides Arbeiten leicht gemacht.

Drei Säulen des Arbeitens und neue Herausforderungen

Die Erfahrungen der ING haben gezeigt, dass die Themenfelder Arbeit, Menschen und Organisation ganzheitlich betrachtet werden müssen. Es geht längst nicht mehr nur um „Human Resources“, sondern um die Einbeziehung der drei Säulen des neuen Arbeitens:

1 Bricks (flexible Gestaltung des Arbeitsplatzes)
2 Bytes (effektive IT-Lösungen)
3 Behaviour (HR-Programme, die das Business und die Unternehmenskultur unterstützen).

Um hierfür innovative Lösungen zu finden, sollte zum einen der Rahmen der eigenen Projektarbeit entsprechend ausgelegt sein, beispielsweise durch cross-funktionale, agile Entwicklungs-Teams. Zum anderen ist das iterative Vorgehen in einem von Veränderung und Disruption geprägten Umfeld auch für HR das Mittel der Wahl. Und bei beiden Aspekten sollte ebenfalls explizit die Mitbestimmung miteinbezogen werden. Denn das zukunftsfähige Arbeitsmodell der ING konnte nur deshalb entstehen, weil die Kolleginnen und Kollegen der Mitbestimmungsgremien sich offen und aufgeschlossen auf eine agile Zusammenarbeit mit der Arbeitgeberin eingelassen haben.

Das „nächste Level“ des Arbeitens bringt für Unternehmen allerdings weitere, neue Herausforderungen mit sich. Das „Continuous Listening-Programm“ der ING ermöglicht der Bank zwar, nah am Puls der Mitarbeitenden und der Teams zu sein, die Weiterentwicklung einer einzigartigen Unternehmenskultur ist jedoch in der hybriden Arbeitswelt ungleich komplexer. Dazu braucht es neue Interventionsformen und eine gut abgestimmte Zusammenarbeit zwischen HR, Kommunikation, der Mitbestimmung sowie anderen Schnittstellenfunktionen.

Darüber hinaus bedarf es neuer Herangehensweisen, um den Zusammenhalt hybrider Teams zu fördern und die Zugehörigkeit und emotionale Bindung zum Arbeitgeber aufrechtzuerhalten und vor allem zu stärken. Auch beim Blick auf die Förderung von Diversity und Inclusion zeichnen sich neue Themenfelder ab: Unternehmen sollten verhindern, dass sich unbeabsichtigt durch die hybride Zusammenarbeit sogenannte „In-Groups“ und „Out-Groups“ bilden.

Zwei zueinander komplementäre Arbeitssphären

Um als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben, müssen Organisationen zukünftig zwei – zueinander komplementäre – Arbeitssphären entwickeln: Auf der einen Seite müssen sie ein Regelwerk schaffen, das mobiles Arbeiten ermöglicht sowie jederzeit und überall verfügbare Kollaborationstools zur Verfügung stellen, die Kreativität fördern und ein hohes Maß an Effektivität gewährleisten.

Auf der anderen Seite: Organisationen müssen inspirierende Büros zur Verfügung stellen.

Das bedeutet, Räumlichkeiten mit einem überzeugenden Flächenkonzept anzubieten, das sämtliche Anforderungen an die Arbeit vor Ort berücksichtigt, die mobil Arbeitenden nahtlos einbezieht und den Arbeitstag im Büro zu einem Erlebnis macht.

Um diese beiden Sphären herum muss ein hybrides Arbeitsmodell entwickelt werden, das die Aspekte Kultur, Inklusion und Wellbeing mit attraktiven Ansätzen umfasst. Der externe – aber auch der interne – Arbeitsmarkt werden ein solches Modell zukünftig genauso voraussetzen wie vor der Pandemie beispielsweise ein Gleitzeitmodell.

 

changement! Heft 01/2022

 

Autoren

Dr. Sebastian Harrer
ist seit Anfang 2018 verantwortlich für HR bei der ING Deutschland. Nach dem Studium und der Promotion (unter anderem Bonn, Paris,
Sydney) war er zunächst als Berater in der Executive Education tätig. Anschließend hatte er in einem Zeitraum von zwölf Jahren verschiedene Rollen in der Bosch-Gruppe inne – sowohl im In- als auch im Ausland.
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Kathrin Lemmes
leitet seit Mitte 2020 bei der ING Deutschland den Bereich „Talent & Learning“. Nach dem Studium der Wirtschaftspsychologie sowie
des HR Managements im In- und Ausland arbeitete Kathrin Lemmes als Beraterin in einer HR-Managementberatung. 2018 wechselte sie zur ING Deutschland, zunächst in die Funktion der Business Managerin für den Head of HR.
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Kathi Heinrichs
ist Rechtsanwältin und arbeitet seit April 2020 als Senior Legal Counsel, „Labour Relations & Labour Law“, für die ING Deutschland. Zuvor war sie bei einer internationalen Wirtschaftskanzlei und einer deutschen Großbank jeweils im Bereich Arbeitsrecht tätig. Seit August 2020 betreut sie die arbeitsrechtlichen Themen rund um „Beyond WorkING“.
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Was hilft Ihnen persönlich, bei potenziellen Veränderungen gute Entscheidungen treffen zu können?

Wie gehen Sie bei der Entscheidungsfindung vor? Die Change-Experten Britta Redmann, Carsten Schermuly & Mirko Bass haben geantwortet und teilen Ihre persönlichen Entscheidungshilfen in der Ausgabe 09/2021 mit uns.


Britta Redmann ist als Rechtsanwältin mit dem Schwerpunkt Arbeitsrecht und Agilität, Systemic Agile Coach und Mediatorin tätig.

»Britta bei Linkedin

Wie so oft, macht es für mich die Mischung. Meine Mischung umfasst bei wichtigen Entscheidungen folgende drei Komponenten: (1) Eine fundierte Recherche rund um das Entscheidungsthema, (2) der Austausch mit Menschen zu diesem Thema und (3) letztendlich mein Gefühl zur Entscheidung. Für mich lassen sich so am besten Vernunft, der Blick aus unterschiedlichen Perspektiven sowie Emotionen miteinander verbinden. Komponenten, die für mich alle eine wichtige Berechtigung haben. Wenn alles im Einklang ist, ist es leicht und die Entscheidung geht schnell. Gibt es noch Unstimmigkeiten, dann unterstützen mich Methoden aus agilen Formaten bei meinem inneren Dialog, der dann gerne „raus aus dem Kopf“ und „auf dem Flipchart ausgetragen wird“.

Prof. Dr. Carsten Schermuly ist Vizepräsident für Forschung und Transfer sowie Professor für Wirtschaftspsychologie an der Berlin University of Applied Science.

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Entscheidungen zu treffen, ist ein wesentlicher Bestandteil der menschlichen Existenz und wir werden jeden Tag hundertfach gezwungen zu entscheiden. Deswegen ist es für mich zunächst wichtig zu bestimmen, bei welchen Entscheidungen ich mir eine heuristische, also aus dem Bauch resultierende Entscheidung, erlaube und wann ich systematisch vorgehe. Systematisch gehe ich vor, wenn meine Entscheidungen das Schicksal von mir oder anderen Menschen langfristig beeinflussen (zum Beispiel Karriereentscheidungen). Betreffen die Entscheidungen mich selbst, dann hilft es mir, einen Dialog zu führen und meine langfristigen Lebensziele im Blick zu haben. Den inneren Dialog vollziehe ich in einem Notizbuch. Es ist eine große Unterstützung für mich, wenn ich meine Gedanken und Gefühle darin verschriftliche. Dadurch vergegenständlichen sie sich und ich kann sie besser betrachten. Ich kann sie zur Seite legen, wieder in die Hand nehmen und so auch manchmal das Thema hinter den Themen entdecken. Meine zweite Dialogpartnerin ist in der Regel meine Frau. Es ist von unschätzbarem Wert, eine liebevolle Frau an meiner Seite zu wissen, die als Psychotherapeutin arbeitet und es dadurch beherrscht, Fragen zu stellen.


Mirko Bass ist Business Development Manager bei Cisco Systems mit der Leidenschaft Menschen und Ideen zu vernetzen.

»Mirko bei Linkedin

Wenn wir Entscheidungen für Veränderungen treffen, sind wir oft hin- und hergerissen. In diesen Situationen versuche ich immer mit einer simplen Pro- und Kontra-Liste zu arbeiten, die ich dann mit meinem beruflichen und oftmals auch privaten Umfeld spiegele. In den vergangenen Jahren sind dazu vertrauensvolle „Sounding Boards“ und Netzwerke entstanden, auf die ich mich wirklich verlassen kann. Dazu kommen dann noch das Bauchgefühl und die Frage, wozu ich leidenschaftlich tendiere. Ist die Entscheidung besonders schwierig, versuche ich mich von anderen Meinungen sowie Ratschlägen freizumachen und richte meine Aufmerksamkeit auf das Gefühl und versuche in mich hineinzuhorchen. Es hat auch immer geholfen, mindestens eine Nacht darüber zu schlafen, besonders bei weitreichenden Entscheidungen. Ist die Entscheidung einmal getroffen, sollte man sie nicht ständig wieder infrage stellen. Innerlich sage ich mir dann: „Stopp. Ich habe alle Argumente durchdacht und werde jetzt handeln!“

changement! Heft 09/2021

Die Wirtschaft spielt bei der Gestaltung einer nachhaltigeren Zukunft eine ausschlaggebende Rollen. Bei SAP hat man es sich mit dem Ökosystemprogramm Climate 21 zum Ziel gesetzt, gemeinsam mit anderen Unternehmen dem Klimawandel den Kampf anzusagen und der ökologischen Transformation den Weg zu bereiten.

Wandel ist unvermeidlich. Wandel ist beständig. Wandel ist unbequem. In den letzten Monaten haben wir gesehen, dass wir zwar nicht alle Faktoren bestimmen können, die unser soziales Leben und unser wirtschaftliches Handeln beeinflussen. Aber es gibt Situationen, die uns zum Handeln zwingen, weil sie schonungslos Defizite aufzeigen. Eine instabile Weltwirtschaftslage, Wettbewerbsveränderungen, neue Geschäftsmodelle und nicht zuletzt eine Pandemie führen dazu, dass Unternehmen ihre Arbeitsweise ändern müssen. Eines ist klar, die Herausforderungen der notwendigen ökologischen Transformation können nur gemeinsam gelöst werden.

Unternehmen im Kampf gegen den Klimawandel

Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen – dieses Sprichwort spiegelt meine Einstellung wider. Viele aus der Generation, die in den 80er- und 90er-Jahren in Deutschland aufgewachsen sind, erinnern sich vielleicht noch daran, wie wir im Zuge der Abfallpolitik des Landes begannen, unseren Hausmüll zu sortieren. Regierungen und
Unternehmen schlugen Maßnahmen vor, wie dem von Menschen verursachten Klimawandel entgegengewirkt werden kann, und beteiligten sich aktiv an der Gestaltung einer nachhaltigeren Zukunft.

SAP unterstützt die 2015 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen formulierten Nachhaltigkeitsziele und konzentriert sich dabei insbesondere auf Ziel 13: Maßnahmen zum Klimaschutz. SAP strebt an, bis 2023 CO₂-neutral zu sein. Apple will dies bis 2030 schaffen. Und laut dem NIKE Impact Report 2020 wurden ungefähr sieben Prozent der Produktabfälle des Unternehmens im Rahmen von NIKE Recycling-Initiativen recycelt, während 38 Prozent in den Produkten anderer Hersteller verarbeitet wurden. Dadurch wird klar: Das Rennen um die Rettung unseres Planeten hat begonnen.

Die Zielsetzungen demonstrieren den klaren Willen von Großunternehmen, den Klimawandel proaktiv anzugehen. All diese Initiativen werden jedoch nur erfolgreich sein, wenn sie ganzheitlich und über Unternehmensgrenzen hinweg gedacht und umgesetzt werden. Business-Ökosysteme können dazu ein zielführendes Vehikel sein. Doch wie genau kann dies funktionieren?

ERP als Basis für die Kooperation

Software spielt eine entscheidende Rolle bei der Steuerung aller Unternehmensfunktionen – von der Fertigung über den Versand und die Auslieferung von Produkten bis hin zum Finanz- und Personalwesen. Laut einer Umfrage von Deloitte erwarten mehr als drei Viertel der Befragten, dass sich ihre Unternehmen in den nächsten fünf Jahren stärker verändern werden als in den vergangenen fünf Jahren. Die Art und Weise, wie Firmen operieren, in Wettbewerb bzw. Kooperationen treten und wachsen, wird sich deutlich verändern. Es wird auf jeden Fall eine Zukunft sein, auf die wir Einfluss nehmen können. Denn wenn digitale Technologien mit neuen und insbesondere unternehmensübergreifenden
Geschäftsmodellen verwoben werden, können Unternehmen etwas bewirken.

Ein großer Unterschied im Jahr 2021 besteht darin, dass sich mehr und mehr Unternehmen auf ihre ERP-Systeme verlassen können, nachhaltige Entscheidungen zu treffen. Es gilt heute mehr denn je, Nachhaltigkeitsmaßnahmen in Geschäftsprozessen zu verankern und aus Daten wichtige Erkenntnisse zu gewinnen, um daraus skalierbare Maßnahmen abzuleiten, die sich positiv auf das Klima auswirken, sowie Transparenz und soziale Verantwortung in Lieferketten zu fördern. Viele Auslöser, insbesondere die Coronapandemie, haben den digitalen Wandel beschleunigt. Unternehmen digitalisieren ihre Prozesse, um sich an neu entstehende wirtschaftliche Ökosysteme anzupassen und ihren Umsatz und Gewinn zu optimieren. Doch nur wenn sie zusätzlich eine „grüne“ Dimension in ihrer Unternehmensbilanz einführen, können sie Technologien sinnvoll nutzen, die mehr Nachhaltigkeit ermöglichen.

SAP sieht sich als Enabler in der durch den Klimawandel ausgelösten ökologischen Transformation, indem wir mit unseren Software-Angeboten für Transparenz sorgen und die Umsetzung von Initiativen als Matchmaker begleiten. Das kommt vor allem in Climate 21 zum Tragen. Diese Ökosysteminitiative reagiert auf die dringliche Notwendigkeit, Treibhausgasemissionen zu reduzieren, um eine nachhaltige Umwelt zu schaffen. Das Programm hilft Unternehmen dabei, den ökologischen Fußabdruck ihrer Produkte und Services zu messen, zu minimieren und offenzulegen. Dazu werden Funktionen in zentralen Analyse- und Transaktionssysteme integriert, die dabei helfen, Treibhausgasemissionen in Betriebsabläufen und Lieferketten zu verfolgen. Auf diese Weise können Unternehmen die CO2-Bilanz bis auf Produktebene ermitteln.

Nachhaltigkeitsmanagement bei SAP

Die Hauptmotivation liegt hier darin, Kunden gemeinsam mit unseren und deren Partnern dabei zu unterstützen, ihre Klimaziele für das 21. Jahrhundert zu erreichen. SAP schafft damit eine Grundlage, um Unternehmen bei der Vorbereitung auf einen Wandel zu helfen, der durch Ansporn von außen und Eigeninitiative vorangetrieben und durch ein grünes ERP-System in der Cloud ermöglicht wird. Die obige Abbildung veranschaulicht die Bestandteile des Sustainability Ecosystems.

Die Strategie in Steuerungskonzepte übersetzen

Voraussetzungen für Widerstandsfähigkeit im Ökosystem sind Kooperationen mit anderen sowie systematische und kontinuierliche Anpassungen an die Nachhaltigkeitsherausforderungen. Die Zusammenarbeit mit gleichgesinnten Unternehmen, Organisationen und jungen Start-ups macht es möglich, gemeinsam Innovationen hervorzubringen und Lösungen zu entwickeln. Damit erhalten Unternehmen Unterstützung bei ihren Dekarbonisierungsstrategien und können die Grundsätze der Kreislaufwirtschaft entlang ihrer Lieferkette umsetzen. Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile – das gilt auch für die SAP-Initiative Sustainable Future, ein globales Accelerator-Programm mit Accenture, und den SAP.iO Foundries Berlin und München, das jungen Start-up-Unternehmen im B2B-Bereich helfen soll, schnell durchzustarten. Das Programm ermöglicht Unternehmen aus vielen Branchen, gemeinsam Herausforderungen in Bezug auf Nachhaltigkeit zu bewältigen.

Neben der Etablierung von konkreten Ökosystemformaten und -initiativen ist es wichtig, ein klares Steuerungs- und Verantwortlichkeitskonzept sowie einen Prozess für die Verwaltung und Berichterstattung festzulegen. Ein klares Steuerungskonzept sorgt dafür, dass die zugrunde liegenden Datenanforderungen sowie die Systemanforderungen eindeutig
sind. Der Global Compact der Vereinten Nationen hat mit Unterstützung von Accenture und SAP die Initiative SDG Ambition ins Leben gerufen. Ziel des ganzheitlichen Programms ist es, in den nächsten zwei Jahren die Unterstützung der Führungskräfte von mehr als 1.000 Unternehmen in über 40 Ländern zu gewinnen und Nachhaltigkeit fest in Geschäftsstrategien zu verankern, die dann auch und gerade über Ökosysteminitiativen umgesetzt werden können.

Ein gemeinsames Ziel im Blick

Damit unsere Gesellschaft fortbestehen kann, müssen wir dafür sorgen, dass unsere Nachhaltigkeitsinitiativen positive Auswirkungen haben. Um den derzeitigen Bedarf an natürlichen Ressourcen zu decken, würden wir einen Planeten benötigen, der 1,6-mal so groß ist wie der unsere. Die Änderung unseres Konsumverhaltens stellt einen wichtigen Schritt in Richtung einer nachhaltigeren Welt dar. Einer Studie von IBM zufolge sind über 70 Prozent der Verbraucher bereit, durchschnittlich 35 Prozent mehr für nachhaltige Produkte und Marken auszugeben. Da die Emissionen entlang der Lieferketten eines Unternehmens jedoch fünfeinhalb Mal höher sind als die des Unternehmens selbst, müssen wir bei diesen Lieferketten ansetzen, um Wertschöpfungsnetzwerke zu realisieren, die nach Ökosystemlogiken funktionieren. Wenn nachvollziehbar wird, welche Emissionen durch die Beschaffung, Herstellung und den Transport von Produkten innerhalb und außerhalb des Unternehmens entstehen, kann ein Unternehmen seine Prozesse gemeinsam mit seinen Zulieferern und Partnern entsprechend anpassen.

Ein intelligentes Unternehmen ist in der Lage, Informationen aus seinem Umfeld in Echtzeit zu erfassen.

Der Schlüssel liegt darin, diese Daten zu nutzen und in Geschäftsprozesse und Abläufe zu integrieren – und mithilfe der gewonnenen Erkenntnisse sicherzustellen, dass die Entscheidungen, die wir treffen, nicht nur die Geschäftsziele eines Unternehmens voranbringen, sondern auch unsere Nachhaltigkeitsziele. Ökosysteminitiativen wie Climate 21 ermöglichen Unternehmen, die Herausforderungen des Klimawandels ganzheitlich anzugehen und auf weitere Aspekte wie Wasser, Energie, Landnutzung und soziale Bereiche auszuweiten. Die Welt verändert sich – und intelligente Unternehmen können sich diesen Veränderungen anpassen. Technologischer Wandel ermöglicht wirtschaftliche Umbrüche und legt das Fundament für neue Geschäftsmodelle und die ökologische Transformation von Wertschöpfungsketten in nachhaltige Ökosysteme. Dieser Wandel schafft auch Transparenz und Spielraum für nachhaltigeres Handeln innerhalb unserer Wirtschaft und Gesellschaft. Wer sich gegen diesen Wandel sträubt, wird nicht in der Lage sein, fortzubestehen. Doch wer diesen Herausforderungen auf flexible Weise begegnet, ohne dabei die eigenen Wurzeln zu vergessen, wird an ihnen wachsen.

 

changement! Heft 08/2021

 

Autor

Jan Gilg

ist der Präsident von SAP S/4HANA, dem Kernprodukt der SAP, das die Bereiche ERP, Finance und Supply Chain umfasst. In dieser Funktion ist er weltweit für die Entwicklung und das Produktmanagement von SAP S/4HANA verantwortlich. Darüber hinaus trägt Jan die Verantwortung für die Produkte im Bereich der Digital Supply Chain und der Industry Cloud. Zum Profil von Jan Gilg auf LinkedIn.