Schlagwortarchiv für: Ausgabe 07/2024

Hybride Teams, in denen Menschen und Roboter zusammenarbeiten, werden an Bedeutung gewinnen. Doch worauf ist zu achten, damit das Miteinander im Team erfolgreich wird? Neben der Entwicklung von KI-Kompetenzen, ethischen Überlegungen, einer Wertediskussion, gutem Datenmanagement sowie klarer Rollenverteilung ist auch der Change-Prozess wichtig. Zudem gilt es für alle, mutig und lernbereit zu sein.

Der Einsatz von KI-Systemen hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Zusammenarbeit. Die immense Steigerung der Komplexität und Geschwindigkeit führt zu einer Beschleunigung der Arbeitsprozesse. Dies erfordert von Teams eine hohe Agilität, um einen konstruktiven Umgang mit den sich wandelnden Herausforderungen zu finden.

Das stellt wiederum höchste Ansprüche an die Führungskräfte, zumal sich viele Unternehmen in einem tiefgreifenden Wertewandel befinden. Menschen werden sich immer schwerer nur traditionell führen lassen. Ein offener Arbeitsmodus, Teamarbeit und Kollaboration sind entscheidende Faktoren im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz.

Verschiedene Formen der Teamarbeit

Werfen wir zunächst einen Blick auf die unterschiedlichen Formen der Teamarbeit.

Die Herausforderungen, die die unterschiedlichen Arbeitsformen an Führungskräfte und Teams stellen, werden oft unterschätzt.

Wir kommen aus einer Präsenzkultur, in der auf direktem Wege kommuniziert und interagiert wird. Digitale Technologien ermöglichen seit einigen Jahren für viele Berufsgruppen ein nahezu ortsunabhängiges Arbeiten, wodurch die virtuelle Zusammenarbeit enorm an Bedeutung gewonnen hat. Gleichzeitig erfordern Globalisierung und internationaler Wettbewerb, dass viele Teams auch interkulturell zusammenarbeiten.

In Zukunft werden nun zusätzlich hybride Teams, in denen Menschen und Roboter zusammenarbeiten, an Bedeutung gewinnen. Ziel dieser Entwicklung ist es, die Stärken von Mensch und Maschine zu kombinieren. Menschliche Fähigkeiten wie Kreativität und Problemlösungskompetenz können in Kombination mit der Geschwindigkeit und Präzision von Robotern zu einer erheblichen Produktivitätssteigerung führen.

Zudem arbeiten die meisten Teams interdisziplinär zusammen, das heißt, oftmals müssen technisches und nicht technisches Wissen vereint werden, um KI-Projekte erfolgreich umzusetzen. Dies hat den Vorteil, dass unterschiedliche Perspektiven und Kompetenzen für innovative Lösungsansätze gebündelt werden können. Gleichzeitig treffen unterschiedliche Denk- und Arbeitsweisen aufeinander, die es zu managen gilt.

Flexiblere und qualitativ hochwertigere Arbeitsprozesse

Zu den größten Chancen des Einsatzes von KI-Systemen zählen Effizienz- und Innovationssteigerungen, durch die Arbeitsprozesse flexibler, effizienter, kostengünstiger, sicherer und qualitativ hochwertiger gestaltet werden können. Zum Beispiel können die Führungskräfte und Teams durch die Automatisierung von Routineaufgaben mehr Zeit für wertschöpfende und strategische Aufgaben gewinnen.

Ein weiterer Vorteil ist die schnellere Verarbeitung von Daten. KI-Systeme sind in der Lage, große Datenmengen in kürzester Zeit zu analysieren, was neue Dimensionen des Erkenntnisgewinns eröffnet und innovative Lösungen sowie fundiertere Entscheidungen ermöglicht. Zudem können Arbeitsabläufe optimiert und Prozesse effizienter gestaltet werden.

Insbesondere die Kommunikation in Teams kann personalisierter erfolgen, da die Präferenzen und das Zeitmanagement der Teammitglieder ihre Berücksichtigung finden. Auch die Durchführung von Besprechungen wird erleichtert, da Besprechungsprotokolle automatisch erstellt werden können und somit die Transparenz und Verbindlichkeit in der Umsetzung erhöht wird. KI-Systeme arbeiten rund um die Uhr, was eine kontinuierliche Bearbeitung der Aufgaben und eine hohe Verfügbarkeit sicherstellt.

Ein weiterer wichtiger Vorteil liegt im intelligenten Wissensmanagement. Unternehmen verfügen oft über große Daten- und  Wissensbestände. KI kann dafür sorgen, dass Teammitglieder die für sie relevanten Informationen zum richtigen Zeitpunkt bekommen und Führungskräfte den Überblick behalten.

Optimismus und Ängste bestehen gleichermaßen

Es ist allerdings ein Trugschluss zu glauben, dass sich diese Vorteile beim Einsatz von KI-Technologien „automatisch“ einstellen. KI-Tools sind leistungsfähige Werkzeuge, die die menschliche Kommunikation und Zusammenarbeit unterstützen können. Die gezielte Steuerung, Anpassung und persönliche Ansprache obliegen jedoch immer dem Menschen.

Das persönliche Wort von Mensch zu Mensch ist und bleibt ein zentrales Element in der Zusammenarbeit.

Die persönliche Kommunikation erhöht auch das Vertrauen und die Akzeptanz der Teammitglieder in die neuen Technologien. Es gibt eine Vielzahl an Ängsten, wie zum Beispiel Angst vor Kontrollverlust und Überwachung, die ernst genommen werden sollten.

Eine der größten Ängste ist die vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. Eine Umfrage von Zety ergab, dass 89 Prozent der Befragten befürchten, durch die Einführung von KI-Tools ihren Arbeitsplatz zu verlieren (siehe Infokasten zu Literaturquellen und -tipps). Diese Ängste sind durchaus berechtigt, denn laut der aktuellen Studie „A new future of work“ des McKinsey Global Institute (MGI) könnten bis 2030 bis zu drei Millionen Arbeitsplätze in Deutschland betroffen sein. Andererseits ist der Optimismus bei vielen Expertinnen und Experten groß, dass durch Künstliche Intelligenz mehr neue Arbeitsplätze entstehen als wegfallen. Es bedarf jedoch entsprechender Qualifizierungs- und Personalentwicklungsmaßnahmen, damit die neuen beruflichen Möglichkeiten von den Mitarbeitenden auch genutzt werden können.

Wichtige Voraussetzungen und Rahmenbedingungen

Bei der Einführung von KI-Technologien sind neben dem technischen Fokus der Bezug zu den Menschen und zur Organisation elementar wichtig. Die Entscheidungsträger:innen und Teams sind davon zu überzeugen, dass sich der KI-Einsatz in ihrem Unternehmen lohnt und es müssen gangbare Wege für die Realisierung aufgezeigt werden. Dabei spielen die Themen wie Datensicherheit und der Schutz personenbezogener Daten eine wichtige Rolle. Die Mitarbeitenden müssen wissen, wie die Speicherung ihrer Daten erfolgt.

Zudem sind die entsprechenden organisatorischen Rahmenbedingungen und Strukturen zu entwickeln sowie Verantwortlichkeiten zu klären. Hierbei ist die Entwicklung einer KI-Strategie sehr empfehlenswert. Eine KI-Strategie sollte Orientierung bieten und festlegen, wofür und wie Künstliche Intelligenz genutzt wird, um die Unternehmensziele zu erreichen. Sie gibt Antworten unter anderem auf Fragen zu Technologien, Daten, Infrastruktur, Ressourcen und auch zu ethischen Überlegungen.

Die Klärung ethischer Grundsatzfragen, die Erarbeitung von ethischen Richtlinien sowie eine umfassende Wertediskussion sollten die Einführung einer KI-Technologie im Unternehmen begleiten. Das ist eine wichtige Voraussetzung, um die Akzeptanz für die Zusammenarbeit mit KI zu bekommen.

Eine weitere wichtige Voraussetzung ist das Datenmanagement. Es sollten nur qualitativ hochwertige und gut strukturierte Daten verwendet werden, da die Leistung von KI-Modellen stark von der Qualität der zugrunde liegenden Daten abhängt. Fehlerhafte oder unvollständige Daten können zu falschen oder verzerrten Ergebnissen und Entscheidungen führen.

Teammitglieder bei der Implementierung einbeziehen

Viele Unternehmen beschäftigt derzeit auch die Frage, wie man Teams auf „den neuen Kollegen KI“ vorbereiten kann. Wenn der neue Kollege ein Roboter wird, ist es in jedem Fall wichtig, die Teammitglieder in den Implementierungsprozess einzubeziehen.

Hierbei sollten offene und interessierte Mitarbeitende als Multiplikatoren wirken, damit die noch eher skeptischen Kolleg:innen auf die digitale Reise mitgenommen werden können. Beim Einsatz von Robotern als Kollaborationspartner ist auf eine klare Rollenverteilung zu achten, bei der der Mensch als übergeordnete Steuerungsinstanz fungiert. Zudem muss der Roboter von den Mitarbeitenden als Teammitglied akzeptiert und darf nicht als Konkurrenz, sondern sollte als Unterstützung betrachtet werden.

Es gilt zu klären, welche Aufgaben zukünftig vom Roboter übernommen werden.

Und welche Aufgaben weiterhin zum Tätigkeitsfeld des Mitarbeitenden zählen werden. Die Akzeptanz wird sich maßgeblich erhöhen, wenn die Arbeitserleichterung und der Mehrwert für jeden Einzelnen nachvollziehbar sind sowie eine unterstützende Einarbeitung angeboten wird.

Im Rahmen der Teamentwicklung sollte ausreichend Zeit für die bereits erwähnte Wertediskussion eingeplant werden, um zu klären, wie ein ethisch verantwortungsvoller Umgang sichergestellt werden kann. Weiterhin ist entscheidend, Testphasen einzuplanen, in denen das Team Erfahrungen im Miteinander sammelt. Mut und Zutrauen für neue Konstellationen entwickeln sich in einem Arbeitsumfeld, wo eine vertrauensvolle und wertschätzende Kommunikation sowie ein konstruktiver Umgang mit Fehlern gepflegt werden.

Wissen erwerben, um mit KI zusammenarbeiten zu können

Klar ist jedoch auch: Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Arbeitswelt erfordert die Entwicklung neuer Kompetenzen bei den Mitarbeitenden und Teams. Immer wichtiger werden digitale Kompetenzen, da ein grundlegendes Verständnis von KI-Technologien und die Fähigkeit zur Datenanalyse entscheidend sind für eine effektive Nutzung der KI. Und es braucht das entsprechende Knowhow, um zum einen mit den KI-Systemen zusammenarbeiten zu können sowie zum anderen bei aller Offenheit kritisch zu hinterfragen, ob die jeweiligen KI-Ergebnisse wirklich nutzbar sind.

 

Literaturquellen und Tipps

McKinsey Global Institute (2024): A new future of work: The race to deploy AI and raise skills in Europe and beyond. www.McKinsey.com/mgi

Sylke Piéch (2024): Die Auswirkungen der künstlichen Intelligenz auf die Zukunft der Arbeit. In: Jörn Basel; Sylvia Manchen Spörri (Hrsg): Angewandte Psychologie für die Wirtschaft, Springer.

Sylke Piéch (2020): Internationale Talententwicklung in der digitalen Arbeitswelt. Springer Gabler.

Kathrin Przadkiewicz (2024): Zety-Studie zeigt allgemeines Interesse an der Entwicklung von KI-Kompetenzen inmitten von KI-bedingten Arbeitsplatzverlusten.
Quelle: https://zety.de/blog/ki-am-arbeitsplatz

 

Da sich die technologischen Anforderungen ständig weiterentwickeln, sind auch Anpassungsfähigkeit und Lernbereitschaft entscheidend. Teams müssen sich kontinuierlich weiterbilden und flexibel auf neue Technologien und Arbeitsweisen reagieren. Dabei spielen die Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit ebenfalls eine wichtige Rolle.

Abbildung: Führungskompetenzen im digitalen Zeitalter

Abbildung: Führungskompetenzen im digitalen Zeitalter

 

Zudem ist der Erwerb von Führungskompetenzen von Bedeutung – auch für die Mitarbeitenden. Denn durch die Zusammenarbeit mit KI-Systemen übernimmt jeder Mitarbeitende eine Führungsrolle, da er konkrete Anweisungen geben und die Ergebnisse der KI kontrollieren muss. Dies erfordert nicht nur technisches Wissen, sondern ebenso Urteilsvermögen, Verantwortungsbewusstsein, Selbstkompetenz und die Fähigkeit zur kritischen Reflexion. In der Abbildung auf Seite 25 wird das vielseitige Spektrum an Führungskompetenzen im Zeitalter der KI grafisch dargestellt.

Menschen reagieren unterschiedlich auf Veränderungen

Der Einsatz von KI-Systemen löst in Unternehmen umfassende Veränderungsprozesse aus. Wie bei allen Change-Prozessen ist zu beachten, dass Menschen sehr unterschiedlich auf Veränderungen reagieren. Während die einen sich inspiriert und motiviert fühlen, empfinden andere Angst und Unsicherheit.

Und es ist wichtig, im Rahmen des Teammanagements die unterschiedlichen Werte und Einstellungen der Mitarbeitenden gleichberechtigt in die hybride Zusammenarbeit einzubeziehen.

Lernen

KI-Campus

Auf der Lernplattform für Künstliche Intelligenz, dem KI-Campus, können Interessierte unter anderem an kostenfreien Online-Kursen teilnehmen, um KI-Kompetenzen zu erwerben, beispielsweise auch rund um „KI & Leadership“.

 

Der zunehmende Einsatz von KI-Technologien verändert die Zusammenarbeit in Teams und eröffnet vielfältige neue Möglichkeiten für das Teammanagement. Qualifizierung spielt eine entscheidende Rolle, um diese Chancen erfolgreich zu nutzen und die Herausforderungen souverän zu meistern. Kontinuierliches Lernen ist daher wichtiger denn je.

 

 

Autorin

Sylke Piéch
ist Expertin für KI im Kontext von Leadership, Arbeit und Bildung. Sie leitet die Akademie für Leadership, KI und Digitaltransfer und ist als Bereichsverantwortliche „KI & Leadership“ am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz tätig. Ihr Fokus liegt unter anderem auf Digital Leadership, Mensch-Roboter-Kollaboration, Digitaler Ethik sowie Talentmanagement in Zeiten des digitalen Wandels..
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Was sind (zukünftig) wichtige Voraussetzungen für eine Organisationskultur, in der Mensch und KI erfolgreich zusammenarbeiten können? Wir haben bei verschiedenen Expertinnen und Experten nachgefragt. Teil 6 von 6.

Mal angenommen, Sie machen es sich beim Lösen einer Aufgabe durch die Verwendung von KI leicht. Würden Sie stolz darüber mit Ihrer Führungskraft sprechen?

Solange die Antwort darauf nicht eindeutig „Ja“ lautet, steht die Organisationskultur vor großen Herausforderungen. Die Förderung eines KI-offenen Mindsets auf individueller wie auch kollektiver Ebene ist deshalb wichtig. KI-Anwendungen sollten als strategischer Vorteil wahrgenommen werden, nicht als Zeichen von Arbeitsvermeidung. Nicht wer ohne KI arbeitet, sondern wer sie für sich und die Organisation am besten nutzt, sollte gefeiert werden. Statt Angst vor einem Ersatz durch KI sollten Mitarbeitende ermutigt werden, die Disruption von Jobs durch KI aktiv mitzugestalten.

Eine reflektierte KI-Ethik dabei zu etablieren, wird eine weitere Schlüsselaufgabe für Führungskräfte und die Personalentwicklung sein. Sie hilft, eine gesunde KI-Kritik zu kultivieren, die anerkennt, dass Künstliche Intelligenz Grenzen hat, voreingenommen sein kann und Ergebnisse kritisch geprüft werden müssen.

 

 

Autorin

Porträt Klara Haddix

Klara Haddix
ist Head of Culture bei der LichtBlick SE.
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Was sind (zukünftig) wichtige Voraussetzungen für eine Organisationskultur, in der Mensch und KI erfolgreich zusammenarbeiten können? Wir haben bei verschiedenen Expertinnen und Experten nachgefragt. Teil 5 von 6.

Der aktuelle Diskurs über KI auf Panels und Konferenzen ist oftmals überraschend banal und erinnert daran, wie ein Spielzeug unter dem Weihnachtsbaum noch am selben Abend neugierig erobert wird. An dieser Stelle des Diskurses dürfen wir in Organisationen allerdings nicht stehen bleiben – KI als buntes Gimmick, das lustige Ergebnisse produziert. Soll KI einen wirklichen Platz in den Unternehmensprozessen erobern, braucht es – neben Offenheit und Veränderungsbereitschaft – vor allem analytische Kompetenz, Outcome-Orientierung und eine gezielte Qualifizierung der Mitarbeitenden.

Wenn der Wunsch nach Effizienzgewinnung stärker ist als der Wunsch nach kreativer Abwechslung, gelingt die gezielte Suche nach profitablen Use Cases. Die richtige technische Umgebung und die Stärkung analytischer Kompetenzen ermöglichen, am Outcome orientierte Einsatzmöglichkeiten zu erschließen. Eine unkritische „Lasst uns das Neue umarmen“- Haltung führt hingegen zwangsläufig zur Verbrennung wertvoller Ressourcen. Die Gefahr, dass KI dann zur Seite geschoben wird, ist ziemlich hoch. Das darf nicht passieren!

 

 

Autorin

Porträt Sirka Laudon

Sirka Laudon
ist Vorständin People Experience und Arbeitsdirektorin bei AXA Konzern AG..
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Für die einen Allheilmittel, für die anderen völlig überbewertet: Tools und Methoden im Change. Wir fühlen Expertinnen und Experten auf den Zahn und wollen ihre Sicht der Dinge sowie einige Tipps erfahren. Diesmal fragen wir Sven Zeising.

Mal ehrlich, Tools und Methoden werden im Change überschätzt! Richtig?

Tools sind Werkzeuge, die im Change eingesetzt werden, um zu analysieren, umzusetzen oder zu monitoren. Methoden sind Strategien oder Denkraster, die als Blaupause dienen, um Veränderungen zu strukturieren und die Komplexität zu managen. Ich nutze Tools gerne, da sie mein Denken strukturieren und Bewegung im Klientensystem erzeugen. Zum Beispiel ist es sinnvoll, zu Beginn eines Transformationsprozesses die Stakeholder-Landschaft zu analysieren, um Interventionen besser zu priorisieren.

Aber: „A fool with a tool is still a fool.“ Der beste Werkzeugkasten benötigt den passenden Kontext und einen kompetenten Impulsgeber, der flexibel agieren kann. Mit Methoden ist es ähnlich: Es gibt interessante Modelle, die helfen, die Nicht-Linearität von Transformationen zu verdeutlichen. Systemische Methoden ermöglichen es, Unternehmen als Systeme zu betrachten und Wechselwirkungen, Beharrungstendenzen und die Grenzen dieser Systeme zu verstehen.

Auch das SCARF-Modell liefert spannende Einblicke aus der Neurowissenschaft, um Entscheider und Entscheiderinnen für bestimmte Dynamiken in Restrukturierungsprojekten zu sensibilisieren. Es gibt viele Methoden, die den Rahmen für Change-Prozesse erleichtern. Einige wie Psychological Safety und viele New-Work-Modelle erleben gerade eine Renaissance.

Du sprichst immer wieder von „Energizing Humans“. Was braucht es, um Menschen in Organisationen zu energetisieren?

Zukunftsfähigkeit entsteht durch Energie, Engagement und Gestaltungswillen der Mitarbeitenden. Selbstführung, Resilienz und Gesundheit sind wichtige Faktoren, die von den Gestaltenden in Veränderungsprozessen gestärkt werden sollten.

Viel Change auf unterschiedlichen Ebenen zur gleichen Zeit kann Mensch und Organisation Energie bringen – oder auch nehmen. Ich sehe mich in meiner Rolle als „Perspektivenkellner“ in Anlehnung an Gunther Schmidt, der den Begriff des „Realitätenkellners“ geprägt hat.

Neben dem soziologischen Blick auf Organisationen spielt das psychologische Modell eine Rolle.

Es konzentriert sich auf Verhalten, Haltung und Identität. Ich bin als Berater, Begleiter oder in HR dann wirkungsvoll, wenn ich verschiedene Perspektiven im Blick habe und je nach Bedarf anbiete, um Dinge in Bewegung zu bringen.

Können Formate dabei helfen?

Ja, es gibt viele Formate, die hilfreich sein können. Einige sind heutzutage öffentlich im Netz verfügund nutzbar, wie etwa Liberating Structures, 9 Spaces oder Management 3.0. Diese Formate fokussieren sich auf strukturelle Impulse, andere blicken auf Teams und den Menschen und bieten zum Beispiel Achtsamkeitsübungen oder Modelle zur Stärkung von Teamresilienz. Oft ankopplungsfähig sind Formate rund um „Psychological Safety“ oder stärkenorientierte Formate.

Sollten Unternehmen bei Transformationen generell noch stärker auf die kollektive Intelligenz setzen?

Ich persönliche bin ein Freund von Co-Creation. Die Transformationsansätze hängen jedoch von Ziel und Kontext ab. Müssen Unternehmen in kurzer Zeit restrukturieren, ist ausgeprägte Partizipation aufgrund von Zeitknappheit oft eingeschränkt. In vielen anderen Fällen, wie der unternehmerischen Zukunftsgestaltung oder auch der Vorbereitung auf sich ändernde Marktdynamiken und Kundenbedürfnisse, kann die kollektive Intelligenz durch partizipative und co-kreative Ansätze enorm wertschöpfend genutzt werden.

Welche Methoden haben sich für dich hierbei bewährt?

Ich arbeite aktuell zusammen mit meinem Team in einem mittelständischen familiengeführten Konzern an dessen Zukunftsgestaltung mit Fokus auf organisationale und kulturelle Dimensionen. Dabei kombinieren wir Top-down- und Bottom-up-Ansätze und nutzen im Zeitverlauf immer mehr die kollektive Intelligenz der Mitarbeitenden. Themen wie Führung, Zusammenarbeit und Kultur werden in gemischten Workstreams bearbeitet. Insbesondere auf der Ebene von Change und Kommunikation bieten wir Dialogräume an, die mehr Beteiligung und Mitgestaltung ermöglichen. Die Rückmeldung auf diese neue Art ist sehr kraftvoll.

Welche Rolle spielt HR aus deiner Sicht, wenn es um die Gestaltung von Change geht?

Die People-Funktion spielt eine zentrale Rolle in der unternehmerischen Gestaltung und Begleitung von Zukunft. Einerseits muss unser „operativer Maschinenraum“ reibungslos funktionieren, andererseits müssen wir uns als strategischer Begleiter und Impulsgeber etablieren. Wir sollten die richtigen Fragen stellen dürfen, können und wollen.

Wie wäre es, wenn wir Change mit einem Fokus auf Menschen und Organisationen strukturieren und unsere Führungskräfte befähigen? Gleichzeitig sollten wir als Seismografen für die Kulturentwicklung agieren. Da Change ein ständiger Begleiter sein wird, sollten wir als HR jetzt die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, um Wirkung zu erzielen.

Man lernt ja doch hin und wieder die ein oder andere neue Methode, ein Vorgehen oder einen neuen Ansatz in Bezug auf Change und Transformation kennen. Wann hattest du diesbezüglich das letzte Mal ein Aha-Erlebnis?

Kürzlich habe ich mich mit der Organisational Network Analysis beschäftigt. Diese Methode visualisiert formale und informale Netzwerke in Unternehmen und kann bei der Erstellung einer Stakeholder-Map helfen, indem sie informelle Führungskräfte identifiziert, die den Change unterstützen können. Auch bin ich immer wieder positiv überrascht, welchen Mehrwert die Nutzung von Tools wie Miro, Trello und Slack in der Kommunikation, der Strukturierung und der Co-Kreation von Zukunft bietet.

Wer oder was inspiriert dich?

Mich inspirieren mutige Menschen, die versuchen, Unternehmen neu zu erfinden und besser aufzustellen. Ich folge „Thought Leadern“ auf LinkedIn, tausche mich mit ihnen aus, lese Artikel, Bücher und höre Podcasts. Dabei hinterfrage ich immer, wer echten Change vorantreibt und wer eher nur an der Oberfläche arbeitet. Mutige Organisationen, die neue Wege gehen, sollten wir als Change-Community unterstützen, damit Change nicht nur aus netten Plakaten besteht, sondern Substanz gewinnt.

Change ist kein Selbstzweck. Es geht um die Schaffung einer gemeinsamen Zukunft.

 

 

Autor

Sven Zeising
ist Betriebswirt und Organisationspsychologe, Leiter der Fachgruppe Change des Bundesverbands der Personalmanager:innen und aktuell „Head of People & Culture“ bei der Vorwerk Stiftung. Er lebt mit seiner Familie in Langenfeld bei Düsseldorf und gewinnt Energie durch Freunde, Sport und Bergerlebnisse.
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Was sind (zukünftig) wichtige Voraussetzungen für eine Organisationskultur, in der Mensch und KI erfolgreich zusammenarbeiten können? Wir haben bei verschiedenen Expertinnen und Experten nachgefragt. Teil 4 von 6.

Wir müssen weg von einer Wissens- und hin zu einer Lernkultur. Denn unser Wissen verliert an Halbwertszeit. Mehr denn je ist es die Aufgabe der Arbeitgeber, allen Mitarbeitenden die Chance zu geben, sich weiterzubilden und mit den technologischen Entwicklungen Schritt zu halten. Wir müssen lebenslanges Lernen am Arbeitsplatz demokratisieren. Indem wir „Lernen“ positiv besetzen und die Lust am Lernen wecken. Mit einer neuen, zeitgemäßen Lernatmosphäre und mit individuellen, zielgruppenspezifischen Lernangeboten.

Dafür brauchen wir zuallererst ein Software-Update in unseren Köpfen: Wir sollten unsere Zukunftsängste vor Robotern und KI abbauen und sie umwandeln in Zuversicht und Neugierde.

Darüber hinaus braucht es eine neue Haltung. Lernen ist Einstellungssache. Denn: Technologie ist gekommen, um zu bleiben. Und damit auch Veränderung. Und wo Veränderung alltäglich ist, muss auch Lernen selbstverständlich sein. Das ist die Basis von zukünftigem Erfolg. Denn Lernfähigkeit gehört zu unserer Zukunftsfähigkeit wie das Atmen.

Und schließlich die wohl größte kulturelle Herausforderung für Unternehmen und jeden Einzelnen von uns: Wir alle müssen lernen zu vertrauen! Vertrauen in eine Zukunft mit Technologie. Und Vertrauen in uns selbst. Darin, dass wir den technologischen Wandel meistern. Mit Mut, Neugierde, Zuversicht und Optimismus.

 

 

Autorin

Porträt Felicitas von Kyaw

Felicitas von Kyaw
ist Geschäftsführerin Personal sowie Arbeitsdirektorin von Vodafone Deutschland.
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Was sind (zukünftig) wichtige Voraussetzungen für eine Organisationskultur, in der Mensch und KI erfolgreich zusammenarbeiten können? Wir haben bei verschiedenen Expertinnen und Experten nachgefragt. Teil 3 von 6.

Künstliche Intelligenz bringt nicht nur ein einzelnes neues Tool in Teams, das jeder lernen muss. Die zahllosen Möglichkeiten von KI bedeuten eine grundlegend neue Systematik, wie wir unsere Arbeit erledigen und wie wir zusammenarbeiten. Vom Brainstorming über Produktentwicklung bis zum Marketing wird KI integraler Bestandteil aller Workflows einer Organisation sein.

Vor allem braucht es deshalb teamübergreifende Offenheit für Neues und von jedem Einzelnen das Commitment, unabhängig von Alter und Karrierestufe noch einmal grundlegend neue Skill-Sets zu erlernen. Erfolgskritisch sind also eine Kultur der Experimentierfreudigkeit, der Flexibilität und die Bereitschaft, kontinuierlich in Weiterbildung und in KI-Schulungen zu investieren. Souveränität in agilen Methoden wie Scrum kann dabei helfen, anpassungsfähig zu bleiben und neue Prozesse und KI-Tools schneller zu integrieren.

 

 

Autorin

Porträt Katharina Baum

Katharina Baum
ist Presales Managerin DACH & FR bei Miro.
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Fünf Fragen an Ingo Elfering, Group CIO, Fresenius

Bislang hat sich im Change Management noch kein Konzept als ultimativ richtig erwiesen. Veränderungen in Organisationen verlaufen höchst unterschiedlich. Deshalb sind die Erfahrungen, Erlebnisse und Eindrücke der Verantwortlichen auch so verschieden. Uns interessiert die persönliche Perspektive von erfolgreichen Managern und Managerinnen. Diesmal stellt sich Ingo Elfering unseren fünf Satzeröffnungen.

Meine bislang größte/wichtigste Business Transformation …

… die IT-Transformation bei Fresenius. Und sie ist es immer noch, denn eine solch umfassende, globale IT-Transformation ist eigentlich nie abgeschlossen.

Die Fresenius-IT war früher stark fragmentiert und dezentral aufgestellt, teilweise überaltert und sehr komplex. In nur zwei Jahren haben wir fundamentale Innovationsprojekte und umfassendes IT Sourcing parallel umgesetzt: Die zentralen IT-Services haben wir zu einem modernen, kosteneffizienten und globalen IT-Portfolio optimiert. Zudem wurde eine flexible und skalierbare Lieferorganisation aufgebaut, die auf Anforderungen der Fresenius-Strategie kurzfristig reagieren kann. Wir haben alle SAP-Systeme in die Cloud überführt – in nur 15 Monaten. Das war die Grundlage für weitere Innovationen, die wir nun konzernweit vorantreiben – vielfach unterstützt durch Künstliche Intelligenz. Neben Innovationen gilt es aber auch, IT relevanter für das Business zu machen und mit modernen Lösungen und Produkten einen wertvollen Beitrag zur Wertschöpfung zu kreieren.

Veränderungen von Unternehmen sind aus meiner Erfahrung im Wesentlichen geprägt durch …

… multiple externe und interne Faktoren. Bei Fresenius ist es zum einen die Neuausrichtung unseres Geschäfts unter #FutureFresenius sowie die technologischen Fortschritte im Gesundheitswesen. Weiterhin sind es vor allem die Menschen, die Teams und die Führungskräfte, die die Unternehmenskultur und -strategie prägen und leben. Ein Wertewandel innerhalb des Unternehmens kann ebenfalls tiefgreifende Veränderungen herbeiführen und die Art und Weise, wie Geschäfte geführt werden, neu definieren.

Die drei wichtigsten Erfolgsfaktoren von Change Management sind für mich …

  •  … erstens ein gut aufeinander abgestimmtes Team mit unterschiedlichsten Kenntnissen, Lebensläufen und Stärken. „Diversity of Thought“ ist das große Stichwort.

    Unterschiedliche Ansichten und Fähigkeiten liefern in der Regel bessere Gesamtlösungen als homogene Teams.

    Und sie sind in der Lage, alle Stränge miteinander zu verknüpfen. Unsere Teams sind global aufgestellt. Deshalb ist die Fähigkeit, effektiv mit anderen zu kommunizieren und zusammenzuarbeiten, für den Erfolg unserer Veränderungsprozesse unerlässlich. Wichtig ist mir außerdem, dass wir auch zusammen Spaß haben und lachen können.

  •  … zweitens ein umfassendes Stakeholder-Management, unterstützt durch ein professionelles Kommunikationsteam. Es stellt sicher, dass alle Beteiligten auf dem gleichen Stand sind und die Veränderungen verstehen. Das baut Widerstände ab und gewinnt Unterstützer für Veränderungen. Widerstände können so im Kleinen abgebaut werden, bevor sie zu echten Hindernissen werden.
  •  … drittens ein ganzheitlicher Ansatz mit neuen „People Skills“. Neue Technologien erfordern auch neue Prozesse und Fähigkeiten. Eine neue globale Organisation braucht neue Denk-, Arbeitsweisen, Qualifikationen und eine neue Kultur. Es ist wichtig, dies alles zu berücksichtigen und gemeinsam daran zu arbeiten. Nur dann kann eine Transformation auch erfolgreich sein. Grundvoraussetzung hierbei ist die Offenheit für Veränderung in den Teams.

Nicht alles gelingt. Was ich bei Veränderungen in meiner Verantwortung künftig anders machen werde oder was ich durch Lernen aus früheren Fehlern heute bereits anders mache, ist …

… wir lernen aus jeder Veränderung und jede Veränderung ist anders. Und genau das ist das Learning: Jede Veränderung braucht ihren eigenen Ansatz, nicht alles gelingt auf Anhieb. Es ist entscheidend, mutig zu sein und Dinge entschlossen anzugehen, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Wenn man etwas tut, was noch niemand zuvor getan hat, wird man mit Herausforderungen konfrontiert, die noch niemand zuvor bewältigt hat.

Ich verwende gerne das Bild des Wildwasser-Raftings: Man kennt das weit entfernte Ziel, sieht aber immer nur bis zur nächsten Kurve. Manchmal kommen unvorhergesehene Stromschnellen. Man erlebt alles: von einer wilden, holprigen Fahrt bis zum Dahingleiten auf ruhigem Wasser. Man trifft immer wieder auf neue Hürden – egal wie gut und wie lange man plant. Hier gilt, lieber schnell zu scheitern und dann nachzubessern, als auf der Stelle zu treten. Alle sorgen gemeinsam dafür, dass keiner über Bord geht. Und noch mal:

Es muss allen auch Spaß machen!

Mein persönlicher Tipp an eine Führungskraft, die Verantwortung für ein Veränderungsprojekt übernimmt, lautet:

Ich habe zwei Tipps. Erstens: Machen Sie mutige, große Schritte und lassen Sie sich dabei nicht von ewigen Zweiflern entmutigen. Es ist wichtig, Einwände zu hören und abzuwägen. Dennoch sollte man sich dadurch nicht aufhalten lassen und entschlossen und zielgerichtet vorangehen. Dazu gehört auch immer, im Fluss zu bleiben und Entscheidungen nicht aufzuschieben. Ich selbst bin sehr pragmatisch und immer zuversichtlich. Ich arbeite viel, tue das, was ich sage – „Walk the talk“ – und erwarte das umgekehrt auch vom Team. Ich bin nahbar und freue mich, wenn Mitarbeitende mit Vorschlägen direkt zu mir kommen oder den Status quo infrage stellen.

Zweitens: Jede vorgegebene Zeit wird auch „verbraucht“ werden. Wenn Sie für ein Projekt sechs Monate ansetzen, wird es auch mindestens sechs Monate dauern. Vorzeitig fertig werden die wenigsten. Setzen sie kurze, ehrgeizige Zeitpläne. Achten Sie auf sich bietende Chancen und ergreifen Sie diese, sobald sie sich zeigen. Es ist wichtig, die Initiative zu ergreifen, wenn sich Möglichkeiten bieten, um das volle Potenzial eines Veränderungsprojekts auszuschöpfen.

Mein Credo für Veränderungen: Mutig sein, Großes denken und einfach machen!

 

 

Autor

Ingo Elfering
ist seit Juli 2020 Group CIO bei Fresenius. In dieser Position treibt Ingo Elfering die digitale Transformation der Fresenius Group und die Harmonisierung der teils heterogenen IT-Landschaft voran. Während seines Studiums der Wirtschaftsinformatik gründete und leitete er das Digital-Health-Start-up MedicalData Service, das er 1997 an GlaxoSmithKline (GSK) verkaufte. Es folgten mehrere Führungspositionen in den Bereichen IT, Shared Services und Innovation bei GSK und später als CIO bei Indivior. Vor seinem Wechsel zu Fresenius war er Global CIO und Head of Digital Transformation für das Crop-Science-Geschäft von Bayer und weltweit verantwortlich für alle Aspekte der IT und der digitalen Geschäftsplattformen.
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Ihnen hat das Format „5 Fragen an…“ gefallen? Hier finden Sie einen weiteren Beitrag dazu: „5 Fragen an Marius Mühlenberg, LEVACO Chemicals GmbH

Was sind (zukünftig) wichtige Voraussetzungen für eine Organisationskultur, in der Mensch und KI erfolgreich zusammenarbeiten können? Wir haben bei verschiedenen Expertinnen und Experten nachgefragt. Teil 2 von 6.

Die Integration von KI sehe ich als Schlüssel zur Steigerung unserer Effizienz und Innovationskraft. Entscheidend für die erfolgreiche Zusammenarbeit unserer Mitarbeitenden mit KI sind regelmäßige und auf unsere Bedürfnisse zugeschnittene Schulungen. Dabei ist Transparenz besonders wichtig. Wir brauchen einfache Erklärungen zu den Themen KI und Daten, und Klarheit darüber, wo wir KI einsetzen und welche Faktoren die KI berücksichtigt. So können wir Befürchtungen und Vorurteile reduzieren und Vertrauen schaffen. Denn ohne KI werden wir nicht mehr arbeiten!

Die Integration von KI in Arbeitsprozesse spielt für uns eine zentrale Rolle. Dabei werden menschliche Expertise und Kreativität weiterhin entscheidende Erfolgsfaktoren bleiben. Kurzum: Wir fördern eine offene Unternehmenskultur, die Lernen ermöglicht, Transparenz schafft und die Beschäftigten im Blick behält.

 

 

Autor

Porträt Dr. Roland Schütz

Dr. Roland Schütz
ist Mitglied des Vorstands IT & Digital und CIO der PHOENIX group.
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Was sind (zukünftig) wichtige Voraussetzungen für eine Organisationskultur, in der Mensch und KI erfolgreich zusammenarbeiten können? Wir haben bei verschiedenen Expertinnen und Experten nachgefragt. Teil 1 von 6.

Der Einsatz Künstlicher Intelligenz macht Prozesse transparenter. Mitarbeitende müssen sich an ein Umfeld anpassen, in dem Handlungen umfassend nachvollziehbar und überprüfbar sind. Diese Transparenz erfordert eine Unternehmenskultur der Offenheit und der Fehlertoleranz.

Darüber hinaus stellt KI möglicherweise jahrzehntelang etablierte Prozesse infrage und bringt neue Vorschläge ein, die Schwächen in der Unternehmensführung offenlegen können. Führungskräfte müssen lernen, konstruktiv mit dieser Art der „Entzauberung“ umzugehen und mithilfe der Erkenntnisse der KI zu wachsen.

Schließlich führt die Integration von KI zu hybriden Teams, bestehend aus Menschen und Maschinen. In diesen Teams müssen auch komplexe Interaktionsdesigns wie Emotion und Empathie funktionieren. Dies verlangt von allen Beteiligten, neue Formen der Interaktion zu entwickeln, um das volle Potenzial der Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine auszuschöpfen.

 

 

Autorin

Porträt Prof. Dr. Sabina Jeschke

Prof. Dr. Sabina Jeschke
ist CEO des KI Park e. V., Aufsichtsrätin, Gründerin und Wissenschaftlerin.
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Eine KI, die dem Menschen dient

Die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz hat in den vergangenen Jahren einen enormen Schub bekommen – mit gravierenden Auswirkungen für Wirtschaft und Gesellschaft. Wichtiger denn je ist deshalb eine klare Strategie für den Übergang in die neue KI-gestützte Arbeitswelt und es gilt, den Fokus zu verschieben: von einer Rationalisierungslogik hin zu einer menschenzentrierten KI. Anderenfalls drohen Frustration, Entfremdung und soziale Unsicherheit.

Das Thema Künstliche Intelligenz (KI) hat in den vergangenen Jahren eine beeindruckende Entwicklung durchlaufen und ist längst aus der Science-Fiction in unseren Alltag übergegangen. Was einst 1936 mit der Turing-Maschine als visionäre Technologie begann, hat heute nahezu alle Branchen erreicht: Fertigungsstraßen steuern autonom Produktionsmaschinen und -prozesse, Chatbots beantworten Serviceanfragen in hoher Geschwindigkeit, und Handelsalgorithmen führen eigenständig Transaktionen an den globalen Finanzmärkten durch.

Klassische KI zielte darauf ab, Prozesse effizienter zu gestalten, Kosten zu senken und menschliche Fehler zu eliminieren. Diese Ziele sind prinzipiell sinnvoll, haben jedoch oft zu einem Ansatz geführt, bei dem Effizienzgewinne und Kostensenkungen mit der Rationalisierung menschlicher Arbeitskraft gleichgesetzt wurden: Maschinen erledigen die Arbeit – der Mensch schaut, wenn überhaupt, nur noch zu oder übernimmt eine Kontrollfunktion. Eine solche Denkweise birgt langfristig Risiken sowohl für Unternehmen als auch für die Gesellschaft.

Wenn der Mensch zunehmend durch Algorithmen und Maschinen ersetzt wird, geraten nicht nur Arbeitsplätze in Gefahr, sondern auch wertvolle Fähigkeiten.

Fähigkeiten, die Maschinen nicht leisten können: Empathie, soziale Interaktion und komplexes Problemlösungsdenken. Zudem bliebe das menschliche Bedürfnis nach sinnstiftender Arbeit zunehmend auf der Strecke, was zu einer allgemeinen Entwertung von Arbeit führen könnte.

Eine Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt

Eine Arbeitswelt, in der Menschen nur noch repetitive oder überwachende Aufgaben ausführen, während Maschinen die wesentliche Arbeit übernehmen, kann zu Frustration und Entfremdung führen. Die Folgen könnten gravierend sein: Eine Generation von Mitarbeitenden, die keine intrinsische Motivation in ihrer Arbeit findet, ist für Unternehmen ebenso problematisch wie eine Gesellschaft, die Arbeit nicht mehr als sinnstiftend wahrnimmt. Das Resultat könnte eine Zunahme sozialer Unsicherheit sein, was den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährdet.

Ohne eine klare Strategie für den Übergang in diese neue KI-gestützte Arbeitswelt, die den Menschen ins Zentrum stellt, droht möglicherweise eine Gesellschaft, in der ein Großteil der Bevölkerung entweder in prekären Beschäftigungsverhältnissen arbeitet oder ganz aus dem Arbeitsmarkt gedrängt wird. Daher ist es entscheidend, den Fokus von einer Rationalisierungslogik hin zu einer menschenzentrierten KI zu verschieben. Eine solch gestaltete KI ergänzt menschliche Fähigkeiten, fördert kreative und soziale Kompetenzen und bedingt eine Arbeitsumgebung, die Menschen in neue, wertschöpfende Tätigkeiten einbindet und gleichzeitig ihre Selbstbestimmung und Entscheidungsfreiheit wahrt, wenn nicht sogar stärkt.

Beispielsweise analysieren KI-basierte Assistenzsysteme in der Medizin große Datenmengen und unterstützen Ärztinnen und Ärzte bei der Diagnose, ohne deren Entscheidungshoheit zu ersetzen. Adaptive Lernplattformen ermöglichen personalisierte Lernpfade, die den Lernprozess unterstützen und fördern, während Lehrkräfte weiterhin die zentrale Rolle spielen. Es existieren auch KI-basierte Spracherkennungssoftwares, die gesprochene Sprache in Echtzeit in Text umwandeln, um beispielsweise Menschen mit Hörbeeinträchtigungen zu unterstützen und ihre Teilhabe zu erleichtern.

Solche Beispiele zeigen deutlich, dass technologisches und menschliches Potenzial gemeinsam Fortschritte erzielen können, wenn sie Hand in Hand gehen.

Ethische Leitlinien und rechtliche Regelungen

Damit menschenzentrierte KI erfolgreich entwickelt und umgesetzt werden kann, sind klare Rahmenbedingungen notwendig. Es braucht eine gemeinsame Strategie, die von allen Seiten im Unternehmen unterstützt wird.

Erstens sind ethische Leitlinien und rechtliche Regelungen notwendig, die den verantwortungsvollen Einsatz von KI sicherstellen. Hierzu gehören Datenschutz, Transparenz und faire Entscheidungsprozesse, um Diskriminierung und Missbrauch zu verhindern. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist der „AI Act“ der EU, der verbindliche Standards für den Einsatz von KI festlegt und sicherstellen soll, dass KI-basierte Systeme transparent und sicher gestaltet werden und die Grundrechte schützen.

Zweitens ist die frühzeitige Einbindung von Interessenvertretungen und der Mitarbeitenden in die Entwicklung und Implementierung von KI-basierten Systemen entscheidend. Nur wenn die Bedürfnisse und Bedenken derjenigen berücksichtigt werden, die direkt mit der KI arbeiten, kann diese Technologie ihre volle Wirkung entfalten.

Drittens:

Unternehmen müssen kontinuierlich in die Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden investieren.

Damit diese die neuen Technologien nicht nur bedienen, sondern auch aktiv mitgestalten können. Dies bedeutet nicht, dass alle Mitarbeitenden technologische Expertise beispielsweise im Bereich neuronaler Netze aufbauen müssen, sondern eher, dass sie die Grundkonzepte kennen und dadurch eine sinnvolle Einbettung KI-basierter Systeme in alltägliche Nutzungspraktiken gestalten können.

Es gilt, generell zu erwähnen, dass KI-basierte Automatisierung nicht per se verteufelt werden sollte. Sie kann sogar einen wertvollen Beitrag zur Bewältigung des Fachkräftemangels leisten – sollte allerdings aus einer menschenzentrierten Perspektive heraus entwickelt werden. Letztlich kann eine menschenzentrierte KI nur in einem Umfeld langfristige Vorteile schaffen, in dem technologische Innovationen als Mittel zur Förderung von Wohlstand und sozialem Fortschritt betrachtet werden.

Der Übergang zu einer menschenzentrierten Perspektive auf KI erfordert daher nicht nur technologische Investitionen, sondern auch einen kulturellen Wandel in Unternehmen und Gesellschaft. Es geht darum, eine Zukunft zu gestalten, in der die KI dem Menschen dient – und nicht umgekehrt.

 

 

Autor

Thomas Ludwig
ist Professor für „Bildungstechnologien für die digitale Transformation“ an der FernUniversität in Hagen. Er leitet dort den interdisziplinären Forschungsschwerpunkt „Arbeit – Bildung – Digitalisierung“ und verantwortet die wissenschaftlich-technische Arbeitsgruppe des Zukunftszentrums KI NRW (Kontakt: thomas.ludwig@fernuni-hagen.de).
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