Schlagwortarchiv für: Ausgabe 06/2022

Bei Personalveränderungen im Rahmen einer Transformation wird in Unternehmen oft noch auf klassische Instrumente des Personalabbaus zurückgegriffen. Zudem werden kreative Lösungen für das Recruiting neuer Potenzialträger und Potenzialträgerinnen für Zukunftsbereiche gesucht. Doch heutzutage braucht es vielmehr nachhaltige Lösungen auf Basis eines ganzheitlichen und integrierten Chancen-Ansatzes. Anhand eines Fallbeispiels wird ein erfolgversprechendes Vorgehen hinsichtlich einer Workforce Transformation skizziert.

Unternehmen können es sich aufgrund des Fachkräftemangels und der demografischen Entwicklung immer weniger leisten, sich von Mitarbeitenden zu trennen, die sie an anderer Stelle dringend brauchen. Daher lohnt ein ganzheitlicher Blick auf das Unternehmen. Wie mit einem solchen Ansatz die Transformation von Unternehmen und Belegschaft gelingen kann, erläutere ich am Beispiel des fiktiven Maschinenbau-Unternehmens Bertinexpo, in dessen Ausgangssituation (oder einer ähnlichen) sich viele Unternehmen aktuell wiederfinden werden.

Restrukturierung und Wachstumschancen

Vor fünf Jahren hatte Geschäftsführer Alexander Bertini vom Vater das mittelständische Maschinenbau-Unternehmen Bertinexpo mit knapp 4.000 Beschäftigten mit Standorten in Deutschland, Polen und Tschechien übernommen, das nach der EU-Osterweiterung stark expandiert war.

Aufgrund des härter gewordenen Wettbewerbs braucht die Sparte Verpackungsmaschinen mit knapp der Hälfte der Mitarbeitenden eine harte Restrukturierung. Die deutschen Hochlohn-Standorte lassen sich nicht mehr halten. So sollen hier die klassischen Instrumente greifen: Die zukunftsträchtigen Produktionslinien werden nach Polen und Tschechien verlagert und eine Transfergesellschaft wird für die deutschen Standorte eingerichtet.

Deutlich größere Sorgen bereitet Alexander Bertini die zweite Sparte Werkzeugmaschinen, obwohl sie starke Wachstumschancen hat. In der ersten Phase der Corona-Pandemie konnten die Service-Technikerinnen und -Techniker nicht zu den Kunden und Kundinnen in Asien und Nordamerika fahren, sodass in kürzester Zeit Fernwartungssysteme entwickelt werden mussten. Dabei haben sich neben dem eigentlichen Hardware-Produkt völlig neue Dienstleistungen rund um die Themen Service, Maintenance und Vernetzung des Maschinenparks der Kundenunternehmen ergeben, die strategische Investitionen rechtfertigen.

Vierstufen-Plan für smarte Workforce Transformation

Der Bertinexpo-Geschäftsführer holt eine Workforce-Transformation-Expertin an Bord, obwohl ihm der Begriff bislang völlig unbekannt war. Statt die beiden Sparten als getrennte Problemfälle zu betrachten, wirbt die externe Beraterin für einen integrierten Ansatz. Dazu gehört auch, nicht wie üblich mit Cost Cutting zu starten. Stattdessen soll ganzheitlich an die widersprüchlichen Veränderungen von Bertinexpo herangegangen werden. Der Vorschlag der Beraterin eines Vierstufen-Plans aus strategischer Personalplanung, Skill-Analysen der Mitarbeitenden, einer ganzheitlichen Change-Kommunikation und einer agilen Projektorganisation für beide Sparten klingt für Alexander Bertini aufwändig und teuer: „Warum sollten wir noch in kostenintensive Analytik für die Beschäftigten in der Abbau-Sparte investieren? Und das zusätzlich zu den Kosten der Transfergesellschaft?“

Die Vorteile allerdings sind enorm:

Mit der strategischen Personalplanung werden die Chancen und Herausforderungen für die Talent Supply Chain in den nächsten zehn Jahren identifiziert.

Nicht nur die deutschen Standorte sind vom Faktor Demografie betroffen, sondern auch die Werke in Polen und Tschechien werden spätestens in fünf Jahren mit Personalengpässen zu kämpfen haben. Daher braucht es jetzt eine detaillierte Analyse für die Beschäftigen aller Standorte über die Spartengrenzen hinweg. Nur so ist es möglich, bereits jetzt gegenzusteuern, beispielsweise ausgewählte Dienstleistungen von Partnerfirmen einzukaufen, statt in drei oder fünf Jahren mit chronischem Personalmangel zu kämpfen.

Als Ergebnis der Untersuchung könnte sich ergeben, dass ein deutlich geringerer Teil der Beschäftigten der deutschen Standorte in der Sparte Verpackungsmaschinen in die Transfergesellschaft gehen muss. Mitarbeitende mit attraktiven Skills und starken Lernpotenzialen wechseln stattdessen innerhalb des bestehenden Arbeitsvertrages in eine Transformationseinheit. Die innerbetriebliche Transformationseinheit und die externe Transfergesellschaft bilden zusammen den Raum der offenen Veränderung.

Perspektiven mit den Mitarbeitenden entwickeln

In der Transformationseinheit werden die Mitarbeitenden innerhalb von sechs bis zwölf Monaten für eine Beschäftigung in der Sparte Werkzeugmaschinen vorbereitet.

Um das „lean“ aufgestellte HR-Team von Bertinexpo zu entlasten, übernimmt der externe Partner das Qualifizierungsmanagement und die Fördermitteladministration. Damit wird einem teuren und teilweise existenzgefährdenden Personalengpass vorgebeugt. Denn als mittelständischer Arbeitgeber an peripheren Standorten wird es Bertinexpo kaum gelingen, in ausreichendem Maße Fachkräfte für die Digitalisierung der Sparte Werkzeugmaschinen zu gewinnen.

Gleichermaßen wird es Arbeitnehmende in der Wachstumssparte geben, deren Mindset und Skills für die ambitionierten Veränderungen nicht ausreichen werden. Hier gilt es als verantwortlicher Arbeitgeber nicht auf ein Scheitern in zwei oder drei Jahren zu warten, sondern bereits heute externe Perspektiven mit den Mitarbeitenden zu entwickeln.

Den Beschäftigten werden individuelle Angebote für die berufliche Neuorientierung unterbreitet. Dies passiert mithilfe einer zugangsgeschützten Online-Plattform. Ein Blue-Collar-Mitarbeiter mit Ende 40 braucht andere Formen der Begleitung als eine White-Collar-Kollegin mit Mitte 30. Statt wie bislang mit dem indirekten Druck durch Führungskräfte im Rahmen von Freiwilligenprogrammen zu arbeiten, entfaltet die optimal unterstützte Veränderungsreise einen direkten Sog zu neuen Arbeitgebern mit mehr Zukunftschancen. Im Unterschied zur klassischen Restrukturierung, die immer Gewinner und Verlierer erzeugt, strebt die smarte Workforce Transformation nach einem Optimum an Chancen für alle Beschäftigten.

Energiewelle dank der Change-Kommunikation

Ein zweiter entscheidender Faktor für das Gelingen der Transformation ist die Kommunikation. Change-Kommunikation wird seit vielen Jahren gelehrt, eingeübt und trägt leider dennoch allzu oft zum Scheitern der Transformation bei. Zuerst einmal dürfen die objektiven Interessensgegensätze zwischen dem Arbeitgeber und den Arbeitnehmenden nicht ignoriert werden. Zuerst werden die beiden Ufer des Flusses vermessen, um eine stabile Brücke bauen zu können. Der Prozess des Bauens erfordert Planung, Geduld und Sicherheit, der von beiden Ufern des Flusses erfolgen muss. Heute dagegen überwiegt immer noch die einseitig vom Management geführte Change-Kommunikation (Information), die der Mitbestimmung und den Beschäftigten eng begrenzte Reaktionskorridore vorgibt.

Wenn die Transformation von Bertinexpo vom klassischen Maschinenbau-Unternehmen zu einem innovativen Anbieter von vernetzten Produkten und Dienstleistungen gelingen soll, braucht es das überdurchschnittliche Engagement der Beschäftigten als die entscheidende Ressource für den Erfolg am Markt.

Daher geht es bei der Change-Kommunikation nicht primär um die Botschaft, wer kann an Bord bleiben und wer wird beim Wechsel in neue gute Arbeit bestmöglich unterstützt. Viel wichtiger ist die Entfaltung von Ideen und Initiativen der Beschäftigten, die der Transformation eine Energiewelle verleiht, die Bertinexpo echte Wettbewerbsvorteile verschafft. Das bedeutet auch, dass manch kluger Ideengeber oder innovative Initiatorin keinen Platz in der neuen Organisation finden wird. Aber hier übernimmt die smarte Workforce Transformation das Versprechen, für diese Mitwirkenden attraktive Job-Perspektiven zu finden.

Eng verknüpft mit der Change-Kommunikation ist das Thema Stakeholder Management. Hier spielt die Einbindung der Mitbestimmung eine zentrale Rolle. In der Restrukturierung wird der Betriebsrat oft als Gegenspieler gesehen, den es zu „zähmen“
gilt. Wesentliches Motiv ist es hier, die Kosten für Sozialplan und Interessensausgleich zu reduzieren und die Imageschäden bei externen Stakeholdern gering zu halten (Fixed Mindset).

Die Transformation dagegen fordert vom Management ein Growth Mindset, das den Betriebsrat und die mit ihm häufig verbundene Gewerkschaft als echte Mitgestalter gewinnt. Dafür müssen beide Seiten eine völlig andere Form der Kommunikation wagen: Mut zur Offenheit, Fehler als Meilensteine des Lernens betrachten und mehr Raum für das „Wir“ als für das „Ich“.

Integrierte Projektorganisation mit einem Partner-Netzwerk

Wenn die drei bisherigen Stufen gelungen sind, kommt es auf die vierte Stufe an: die Projektorganisation für die Transformation. Statt in einer Sparte abzubauen und in der anderen Sparte aufzubauen, wird Bertinexpo gleichzeitig über die Spartengrenzen hinweg vielfältige Prozesse des Hinausbegleitens von Beschäftigten in den Arbeitsmarkt, interne Weiterbildung und Gewinnung von Fachkräften sowie externe Rekrutierung steuern müssen. Dafür eignet sich der Zusammenschluss von eigenen HR-Ressourcen mit den Kapazitäten des externen Beratungspartners. Dominiert in der klassischen Restrukturierung die Abstimmung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer mittels fixierter Schnittstellen, ermöglicht die Transformation einen flexiblen Netzwerk-Ansatz, in den je nach Projektphase und Kundenbedarf Dienstleistungen von weiteren Partnern eingebunden werden.

Die Transformation ist ein langer und oft schmerzhafter Prozess. Die meisten Unternehmer und Unternehmerinnen mögen sich wie Geschäftsführer Alexander Bertini einen leichteren Weg wünschen. Doch die Erkenntnis, dass dieser nicht existiert, ist der erste wichtige Schritt hin zu einem auch in der weiteren Zukunft erfolgreichen Unternehmen.

Autor

Christian Summa
ist als Geschäftsführer, Partner und Chief Consulting Officer bei v. Rundstedt & Partner tätig. Das mittelständische Beratungshaus hat sich auf die Themen Workforce Transformation und Outplacement spezialisiert und nutzt ein breites Partnernetzwerk von Arbeitsrechtlern sowie Strategie- und Restrukturierungsberatern.
»Christian bei LinkedIn

 

Bei der Workforce Transformation stellen sich Unternehmen je nach Industrie, Größe und Art des Geschäftsmodells unterschiedlichen Herausforderungen. Eine Studie auf Basis von über 50 C-Level-Interviews zeigt Wege auf, wie mit den Herausforderungen bestmöglich umgegangen werden kann: „Studie: Workforce Transformation“.

Im engen Zusammenspiel von HR und Business

Workforce Transformation ist in Deutschlands Führungsetagen eines der dominanten Zukunftsthemen. Je nach Industrie, Größe und Art des Geschäftsmodells haben die Unternehmen allerdings unterschiedliche Herausforderungen. Eine Studie auf Basis von über 50 C-Level-Interviews zeigt Wege auf, wie mit den Herausforderungen bestmöglich umgegangen werden kann.

Workforce Transformation ist in aller Munde, nicht zuletzt aufgrund schier endlos erscheinender Warteschlangen an Flughäfen oder der Ankündigung großer Unternehmen, wie der von Daimler, die laut Medienberichten bis 2030 mehr als 1,3 Milliarden Euro in die Weiterbildung von Beschäftigten investieren wollen.

Das Thema ist an sich kein neues, mittlerweile aber ganz oben auf der Prioritätenliste von Vorständen angekommen – wie unsere Studie mit über 50 C-Level-Interviews und einer breiten Umfrage (N=509) bestätigt. Und das überrascht nicht. Es ist seit Langem bekannt, wird aber gerne verdrängt, dass sich in Deutschland bis 2030 etwa vier Millionen Mitarbeitende (MA) beruflich neu orientieren müssen und zusätzlich circa fünf Millionen Fachkräfte fehlen werden, weil unter anderem Babyboomer in Rente gehen und zu wenig Menschen in die Workforce nachrücken. Die Zahlen hat das Institut der Deutschen Wirtschaft in diesem Jahr errechnet.

Orientierung durch den strategischen Überbau

Aus unserer Studie haben sich „3+2 Themen“ herauskristallisiert, die für alle Gesprächspartner:innen in Bezug auf Workforce Transformation zentral sind:

1 MA-Gewinnung – wie man Mitarbeitende für sich gewinnt
2 MA-Entwicklung – wie man Mitarbeitende weiterbildet
3 MA-Bindung – wie man Mitarbeitende hält

Die Umsetzung dieser drei Themen bedarf eines strategischen Überbaus (+1), der als zielorientierte Wegbeschreibung in der Umsetzung der drei oben genannten Kernthemen dient. Hier ist auch die Employer Value Proposition (EVP), also das Alleinstellungsmerkmal als Arbeitgeber, zu verorten, mit dem man (potenziellen) Mitarbeitenden ein Werteversprechen gibt und ausdrückt, warum man der richtige Arbeitgeber ist.

Zusätzlich benötigt es einen system-organisatorischen Unterbau (+1), der vor allem durch das richtige Operating Model, ein Upgrade digitaler Systeme sowie die Einbindung von People Analytics – die Sammlung und Anwendung von Daten zur Entscheidungsfindung – die Basis der Implementierung bildet.

Purpose wird immer wichtiger

Dabei hängt es vom Unternehmen und der spezifischen Marktsituation ab, ob alle Kernthemen plus Über- und Unterbau zusammen oder einzelne Themen fokussiert bearbeitet werden müssen (siehe Abbildung).

 

1. MA-Gewinnung – wie man Mitarbeitende für sich gewinnt

Die Gewinnung von Mitarbeitenden stellt in der heutigen Zeit für alle Organisationen eine umfassende Herausforderung dar. Und zwar unabhängig von Branche und Größe. So das eindeutige Ergebnis unserer großen Umfrage (96 Prozent Zustimmung).

Was können Unternehmen tun, um begehrte Talente für das eigene Unternehmen zu gewinnen? Insbesondere die junge Generation von Mitarbeitenden möchte für Unternehmen tätig sein, die einen tiefergründigen Purpose verfolgen, wie die CHRO eines großen FinTech-Unternehmens beschreibt: „Je nach Lebensphase sind unterschiedliche Faktoren wichtig. Purpose und Sinnhaftigkeit werden immer wichtiger, um als Arbeitgeber attraktiv zu sein.“ Ein gelebter Purpose, mit dem sich die Mitarbeitenden identifizieren können, ist demnach eine Grundvoraussetzung, um als Arbeitgeber interessant zu sein.

Flexibilität spielt eine weitere wichtige Rolle. Viele Mitarbeitende haben sich seit der Corona-Krise an eine gewisse Flexibilität des eigenen Arbeitsmodells gewöhnt und sind oft nicht mehr dazu bereit, ständig ins Büro zu fahren. Der „Head of Global People and Culture“ eines führenden Medienunternehmens konstatiert: „Flexibilität ist heute eine Währung, genauso wie Vergütung.“ Vollständige Flexibilität in Bezug auf Arbeitsort und -zeit wird aber durch die hiesige Arbeitsgesetzgebung erschwert.

Ein weiterer Faktor ist die positive „Candidate Experience“. Bei der Candidate Experience geht es darum, jeden einzelnen Kontaktpunkt auf der Gewinnungsreise der Mitarbeitenden positiv aufzuladen, denn diese Erfahrungen beeinflussen die Entscheidung für das Unternehmen positiv bzw. werden von Bewerber:innen in der Regel nach außen weitergetragen.

2. MA-Entwicklung – wie man Mitarbeitende weiterbildet

Neben der Herausforderung der Gewinnung von Mitarbeitenden stellt die Veränderung von Geschäftsmodellen und -prozessen neue Anforderungen an die Belegschaft in Bezug auf das Erlernen neuer Kompetenzen und Fähigkeiten. 85 Prozent unserer Gesprächspartner:innen bestätigen, dass kontinuierliche Mitarbeitenden-Entwicklung fundamental ist, um mit den sich stetig ändernden Anforderungen der heutigen VUCA-Welt umgehen zu können.

Dabei bringt Mitarbeitenden-Entwicklung für Unternehmen gleich zwei Vorteile mit sich: Investiert ein Unternehmen in Lernangebote, erhöht sich nicht nur die Qualität der Belegschaft, es zahlt auch automatisch positiv auf eine gesteigerte Arbeitgeberattraktivität (EVP) ein. Dies verdeutlicht die Aussage des Vorstandes eines internationalen Konsumgüterunternehmens: „Lernmöglichkeiten sind der neue Dienstwagen – und zwar mit Badges und Zertifizierungen.“

Lernen als Teil der DNA eines Unternehmens

Doch was können Unternehmen konkret tun, um dem Entwicklungsbedarf von Mitarbeitenden zu begegnen und diesen als Asset für sich zu nutzen?

Der Aufbau einer „Learning Culture“, also einer Kultur, die geprägt ist von dem Anspruch, sich immer weiterentwickeln zu wollen, sorgt dafür, dass Lernen in die DNA des Unternehmens integriert wird. Dies bedeutet, dass Mitarbeitende erstens passgenaue Entwicklungsangebote zur Verfügung gestellt bekommen und zweitens den nötigen Raum erhalten, diese auch zu nutzen.

Eine Vielfalt zielgruppenspezifischer Lernprogramme ist hierbei erfolgskritisch, da unterschiedliche Lerntypen unterschiedliche Formate benötigen. On-the-job-training oder digitale Lernformate angereichert mit kurzen Lernhacks bieten heutzutage einfache Möglichkeiten, um Lernen bedarfsgerecht und je nach Präferenz der Mitarbeitenden in den Alltag zu integrieren.

Ein weiterer zentraler Aspekt ist die Aktivierung der direkten Führungskraft durch systematische Entwicklung. Diese sollte hierbei als Vorbild vorangehen, Lernmöglichkeiten eröffnen und Anreizsysteme schaffen, sodass sich Mitarbeitende proaktiv weiterentwickeln. Das kann zum Beispiel durch die feste Verankerung von „Lern-Zeit“ im Arbeitsalltag gelingen. Bei der Frage, ob digitale oder physische Trainings bevorzugt werden sollten, sind sich die Gesprächspartner:innen einig: „Die Mischung macht’s.“ Zwar bieten digitale Lernformate mehr Individualisierungspotenzial, das klassische Präsenztraining bleibt als kulturstiftendes Element jedoch weiterhin wichtig.

3. MA-Bindung – wie man Mitarbeitende hält

Das dritte zentrale Thema ist allein deshalb relevant, da wir uns in Deutschland auf einem Arbeitnehmermarkt befinden. Es gibt schlichtweg weniger Menschen auf dem Arbeitsmarkt als Jobs. Hinzu kommt das Phänomen der „Great Resignation“, also vermehrte Kündigungen vonseiten der Arbeitnehmer:innen, zum Teil ohne einen Anschlussjob zu haben.

Bislang war dieser Trend vorwiegend in den USA zu beobachten. Laut dem Gallup Engagement Index Dezember 2021 ist die Wechselwilligkeit in Deutschland mittlerweile sogar höher als in den USA, was auf eine drohende Kündigungswelle hinweist.

War früher das Halten von Mitarbeitenden noch vorwiegend eine Frage der Gehaltserhöhung, sind sich 90 Prozent unserer Studienteilnehmer:innen einig: Der Fokus verschiebt sich auf die ganzheitliche Motivation der Mitarbeitenden.

Das bedeutet, dass sich die zentralen Maßnahmen von Mitarbeitenden-Gewinnung und Mitarbeitenden-Entwicklung auch positiv auf das Halten der Beschäftigten auswirken.

Enorme Bedeutung der menschlichen Beziehungen

Wie bei den anderen Themen stellt sich hier ebenfalls die Frage nach konkreten Ansätzen für Unternehmen. Ein Hebel liegt in der Gestaltung der Arbeit im Sinne von New Work. Wie oben bereits skizziert, verändern sich die Prioritäten vieler Mitarbeitenden. Der Wert von Sinnhaftigkeit der Arbeit steigt und auch im Hinblick auf die Arbeitszeit ist eine Abkehr von früheren Ansichten zu beobachten, wie der Vorstand eines großen Telekommunikationsunternehmens berichtet: „Selbst im Upper Management merke ich eine ganz klare Abkehr von dem Willen, 60 Stunden die Woche zu arbeiten.“

Eine weitere Möglichkeit für Unternehmen, positiv auf die Mitarbeitenden-Bindung einzuwirken, ist die Aktualisierung des Führungsverständnisses, wie der Bereichsvorstand Organisation eines MDAX-Unternehmens treffend formuliert: „People join companies and leave bosses.“

Die zentralen Fragen hierbei sind: Welcher Führungsstil wird im Unternehmen gelebt? Kann ein potenzielles Talent sich damit identifizieren? Ist die Führungskultur wertschätzend und bietet sie genügend Freiräume, sodass sich Mitarbeitende weiterentwickeln können? Es geht hierbei aber nicht ausschließlich um die direkte Führungskraft, sondern auch um die Mikrokultur des unmittelbaren Teams, mit dem man permanent zusammenarbeitet.

Unsere Gesprächspartner:innen berichten unisono, dass die menschlichen Beziehungen innerhalb des direkten Arbeitsteams sowie dessen Kultur und Atmosphäre eine entscheidende Rolle spielen, ob Mitarbeitende motiviert sind und sich wohlfühlen. Und diese beiden Faktoren haben einen positiven Einfluss auf die Mitarbeitenden-Bindung.

Mit klarer Wegbeschreibung und starker Basis

Der alleinige Fokus auf Mitarbeitenden-Gewinnung, -Entwicklung und -Bindung wird allerdings nur selten zum Erfolg führen. Die Organisation braucht eine klare Orientierung, was die Ziele für die drei Themen sind, wie diese inhaltlich aufeinander abzustimmen sind und wie der Fahrplan aussieht, um diese auch zu erreichen.

Von elementarer Bedeutung ist die übergeordnete People-Strategie. Abgeleitet aus der Geschäftsstrategie, dient sie als Richtungsvorgabe für die gesamte Organisation.

Als Basis ist dabei eine Überprüfung des Operating Model (Aufbau- und Ablauforganisation) vonnöten, um sicherzugehen, dass auch gehalten wird, was nach außen versprochen wird. Gleichzeitig muss weiterhin in die IT-Infrastruktur investiert werden, um Prozess-Automatisierung voranzutreiben und eine Basis für moderne Analyse-Tools zu schaffen, die unabdingbar sind, um Veränderungen in der Belegschaft frühzeitig zu erkennen und entsprechend gegensteuern zu können.

HR und Business als Tandem gefordert

Obwohl die Mitarbeitenden im Mittelpunkt stehen, ist HR nicht in der alleinigen Verantwortung für die erfolgreiche Umsetzung.

Der Schlüssel zum Erfolg liegt vielmehr im engen Zusammenspiel von HR und Business, die sich einen gemeinsamen „Matchplan“ zurechtlegen, der flexibel anpassbar ist und mit der Workforce Transformation erfolgreich gestaltet werden kann.

Beim Gewinnungsprozess ist vor allem HR die treibende Kraft, den Purpose, flexible Arbeitsmodelle und Gehalt transparent nach außen zu tragen. Das Business hingegen steht in der Verantwortung, dass diese Themen auch gelebt und gepflegt werden.

Beim Thema Mitarbeitenden-Entwicklung übernimmt HR die Funktion als Servicedienstleister, der möglichst vielfältige Lernangebote schafft, während die Führungskraft im Business als Enabler für die Weiterentwicklung der eigenen Mitarbeitenden agiert.

Im Bereich Mitarbeitenden-Bindung setzt HR vor allem den Rahmen (unter anderem Motivations- und Benefits-Modelle, Gestaltung von New Work). Das Business ist hier besonders in der Führungsrolle gefordert, auf die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeitenden einzugehen und eine positive Führungskultur zu leben.

In allen Bereichen ist die Abstimmung mit dem Betriebsrat nicht nur notwendig: Die Abstimmung mit dem Betriebsrat kann  als Katalysator bei der Umsetzung der Transformation dienen.

Voraussetzung dabei ist, dass HR, Business und Betriebsrat sich gegenseitig als Partner verstehen, die alle dasselbe übergeordnete Ziel verfolgen: den erfolgreichen Umgang mit Workforce Transformation.

 

Autoren

Stefan Clemens Ulrich
ist Principal bei der Managementberatung undconsorten mit Fokus auf Leadership, People und Organization. Er berät unter anderem zu (agilen) Transformationen und einer Vielzahl von HR-Themen. Zuvor war er viele Jahre bei einer internationalen Strategieberatung tätig.
»Stefan bei LinkedIn

 

Dr. Tobias Duffner
ist ehemaliger Profifußballer vom SV Werder Bremen und hat im Bereich Sportmanagement an der Universität Leipzig promoviert. Er arbeitet bei der Managementberatung undconsorten als Associate in den Bereichen Transformation und Führung.
»Tobias bei LinkedIn

 

Große Summen werden in die Digitalisierung investiert, doch etwas Entscheidendes wird vergessen: das menschliche Element. Dabei ist die People-Transformation die wichtigste wirtschaftliche Herausforderung unserer Zeit. Ein dreistufiger Ansatz für die Workforce Transformation, der iterativ umgesetzt wird, kann dabei ein Schlüssel zum Erfolg sein: „Workforce Transformation in drei Stufen“.

Future Skills der (digitalen) Produktion entwickeln

Skill Management ist ein zentrales Instrument für eine flexible Zukunftsausrichtung von Fachabteilungen, das Trends berücksichtigt und Veränderungen dynamisch zulässt. Die konkrete Umsetzung hat das Pharmaunternehmen Daiichi Sankyo Europe für den Bereich Engineering und Industrie 4.0 an seinem Produktionsstandort Pfaffenhofen bei München pilotiert.

Es gibt kaum eine technologische Entwicklung, die die Arbeitswelt so stark verändert, wie die Digitale Transformation. Digitalisierung, Robotisierung und der Einsatz kognitiver Technologien bringen einen enormen Wandel und damit umfassende neue Anforderungen an die Belegschaft in der Pharmaproduktion mit sich.

Diese Workforce Transformation betrifft das gesamte Unternehmen über alle Generationen von Mitarbeitenden und Führungskräften hinweg. Vor allem in Zeiten des Fachkräftemangels stellen sich die folgenden Fragen: Welche Fähigkeiten werden in Zukunft genau benötigt und wer kann sie abdecken? Woher kommen die Menschen, mit denen die Transformation zum Leben erweckt werden kann?

Hier kommt Skill Management zum Einsatz. Denn: Was auf unternehmensweiter Ebene als Workforce Transformation bezeichnet wird, muss in der Umsetzung individuell gedacht werden. Wenn die Belegschaft ganzheitlich transformiert werden soll, bedeutet das eine Veränderung für jeden einzelnen Menschen.

Erfolgstreiber für die Belegschaftsentwicklung

Der Ressourcenbedarf wird dabei definiert durch die benötigten Fähigkeiten und die entsprechenden Ausprägungen. Dies ermöglicht den gezielten Einsatz von Mitarbeitenden sowie deren Förderung. Es fließt maßgeblich in die strategische Personalplanung und deren Umsetzung für die nächsten ein bis fünf Jahre ein.

Skill Management bedient sich ähnlicher Methoden wie die strategische Personalplanung, verwendet jedoch einzelne Skills bzw. Skill Cluster als Planungsgrundlage. In einem ganzheitlichen Assessment werden bestehende und benötigte Skills erfasst und abgeglichen, um die „Skill-Lücke“ zu ermitteln – entweder für einzelne Abteilungen oder für das gesamte Unternehmen. Diese Lücke (Gap) kann dann durch Personalentwicklungsmaßnahmen („Make“) oder Neueinstellungen („Buy“) geschlossen werden.

Flexibel auf neue Anforderungen reagieren

Die Unternehmen wissen: Neue Jobs werden kommen – und damit auch die neuen Anforderungen an Mitarbeitende. Zudem kennen eine Menge der Unternehmen die wichtigsten Schritte hin zur erfolgreichen Workforce Transformation: In einer Deloitte-Studie (Deloitte Global Human Capital Trends 2021) gaben rund 40 Prozent der befragten Führungskräfte als einen der wichtigsten Schritte den Aufbau von Fähigkeiten durch Upskilling, Reskilling und Mobility an. Die Anwendung des Skill Managements steht also für viele fest – jedoch ist einer großen Anzahl an Unternehmen noch nicht klar, wie der Weg dahin im Detail aussehen soll.

Das japanische Pharmaunternehmen Daiichi Sankyo Europe stand ebenfalls vor der Herausforderung, seine Belegschaft auf die neuen Anforderungen vorzubereiten. Gemeinsam mit Deloitte wurde das Projekt „Future Skills im Bereich Engineering und Industrie 4.0“ pilotiert mit dem Ziel, die Workforce Transformation operativ umsetzbar zu machen. Das Projektteam – bestehend aus Vertreter:innen von HR und des Fachbereichs auf Seite von Daiichi Sankyo Europe sowie Berater:innen von Deloitte – fand nicht nur Antworten darauf, die Mitarbeitenden fit für die Zukunft zu machen, sondern sie außerdem zu befähigen, künftig flexibel auf immer neue Anforderungen reagieren zu können.

Skill Management als Tool für Workforce Transformation

Im ersten Schritt definierten wir die konkreten Anforderungen als Future Skills (1), führten anschließend ein Skill Assessment durch (2) und identifizierten die „Skill Gaps“ durch den Abgleich benötigter und vorhandener Fähigkeiten (3). Abschließend entwickelten wir individuelle Lernreisen und definierten weitere Maßnahmen zur Umsetzung (4).

1. Future Skills

Wir haben verschiedene Annahmen über die Zukunft getroffen: Welche Technologien werden unsere Art zu arbeiten verändern? Welche Profile und Skills werden benötigt? Inwiefern werden diese Skills beeinflusst von Technologien und Software? Und welche Skills werden durch Digitalisierung und Automatisierung weniger gebraucht? Antworten auf diese Fragen werden gefunden durch:

  • Diskussionen mit den Führungskräften bei Daiichi Sankyo Europe,
  • eine intensive Beobachtung und Auswertung von Markttrends,
  • eine detaillierte Recherche mithilfe einer Kompetenzdatenbank von Deloitte und
  • Gespräche mit Industrieexpert:innen.

Daraus abgeleitet können die Veränderungen auf Jobprofilebene betrachtet und anhand von drei Kerndimensionen eingeordnet werden (siehe Abbildung 1):

Erstens haben wir die Frage danach gestellt, woher in Zukunft die Talente kommen und welche Aufgaben von externen Partner:innen (zum Beispiel von Dienstleistern oder Freelancern) übernommen werden können. Zweitens haben wir den Grad der Automatisierung bestimmter Aufgaben betrachtet und drittens den Aspekt des Arbeitsortes beleuchtet. Wird vor Ort oder remote zusammengearbeitet? Basierend auf dieser Analyse konnten wir aktuelle und zukünftige Arbeitsbedingungen gegenüberstellen.

Das Tempo, in dem die Digitalisierung der pharmazeutischen Fertigung voranschreitet, ist atemberaubend. Die technologische Weiterentwicklung trifft die Mitarbeitenden nicht selten unvorbereitet. Skill Management zeigt den Entwicklungsbedarf und ermöglicht Unternehmen frühzeitig, die Mitarbeitenden auf die neue Umgebung vorzubereiten. Vernetzte Maschinen bieten neue Möglichkeiten der Wartungsanalyse und unterstützen damit die Arbeit der Wartungsmechaniker:innen. Die Frage ist jedoch: Welche Skills müssen diese Mitarbeitenden lernen, um den Mehrwert der neuen Technologie für das Unternehmen nutzbar zu machen?

2. Skill-Evaluierung

Auf Basis von marktüblichen Mechanismen haben wir die Methode zum Assessment der Skills selbst entwickelt, um eine maßgeschneiderte Lösung für Unternehmensgröße, Ausrichtung der Produktion und Zielgruppe der Mitarbeitenden anwenden zu können. Die Teamleitungen nahmen anhand eines Evaluierungstools eine grobe Einschätzung der Teamkompetenzen vor.

So zeigten sich in der Evaluation die Potenziale der Teams: Es wurden gut ausgeprägte übergeordnete Skills wie unternehmerisches Denken, Mut zu Innovation und Soft Skills genauso festgestellt wie breites technisches Fachwissen zu Maschinen und Produktionsvorgängen, beispielsweise in der Sterilfertigung.

3. Skill-Gap-Analyse

Durch einen Abgleich der vorhandenen mit den Future Skills im Unternehmen ergibt sich eine Gap-Übersicht; die Skills, die im Unternehmen aktuell noch fehlen, werden sichtbar. Bei Daiichi Sankyo Europe liegen sie vor allem im Bereich der Digitalisierung. In Bezug auf das Profil eines Betriebsingenieurs sind beispielsweise die Skills „Data Analytics“ und „Predictive Maintenance“ gefragt.

Durch den flexiblen Ansatz im Skill Management kann dies auf organisationsweiter Ebene strategisch diskutiert werden. Gleichzeitig können erste individuelle Entwicklungsmöglichkeiten eruiert werden. Hierbei haben wir die große Spannbreite an vorhandenen Skills in einzelnen Teams sowohl als besondere Herausforderung als auch als Chance verstanden, da Mitarbeitende gezielt von ihren Kolleg:innen lernen können.

4. Umsetzungsmaßnahmen

Mit individualisierten Lernreisen (siehe Abbildung 2) haben wir einen Lösungsweg gefunden, wie die Mitarbeitenden die benötigten Future Skills entwickeln können – persönlich zugeschnitten auf die eigenen Bedarfe.

Die Chance liegt hier vor allem bei den Mitarbeitenden, die aufgrund ihrer aktuellen Tätigkeiten bereits über technologisches Wissen verfügen. Das konkrete Erarbeiten des Skill Managements ermöglicht es, nicht bei der strategischen Ausrichtung auf digitale Skills zu verbleiben, sondern konkret zu benennen, welche Fähigkeiten mit welchen Maßnahmen aufgebaut werden sollen.

Empowerment der Mitarbeitenden

Der Qualifikationserwerb passiert nicht von heute auf morgen. Daher braucht es ein vorausschauendes und strategisches Agieren. Alle an der Lernreise Beteiligten – von den Führungskräften über die Mitarbeitenden bis hin zu HR und Lernakademien – müssen auf die veränderten Kompetenzanforderungen vorbereitet und dabei unterstützt werden, die Qualifikationsprofile anzupassen und die damit einhergehenden Neuerungen umzusetzen.

Ein entscheidender Erfolgsfaktor ist die Transparenz über die veränderten Kompetenzanforderungen. Damit sich Mitarbeitende in Zusammenarbeit mit den Führungskräften genau jenes Wissen, jene Fertigkeiten und jene Fähigkeiten aneignen können, die für die zukünftige Pharmaproduktion gebraucht werden.

Gezieltes Skill Management ermöglicht den Mitarbeitenden, selbstwirksam ihre Entwicklung zu gestalten und aktiv an der Transformation mitzuwirken. Es zeigt ihnen konkrete Handlungsfelder und einen gemeinsamen Weg in eine von Veränderung und Unsicherheit geprägte Zukunft auf. Der von Deloitte vorgeschlagene und mit Daiichi Sankyo umgesetzte Ansatz soll dabei Nachhaltigkeit und Wertschätzung sicherstellen.

Ganz klar: Die Verantwortung für die Workforce Transformation soll nicht auf die Mitarbeitenden abgewälzt werden, HR zieht sich nicht aus der Verantwortung. Ein integrierter Ansatz vereint die Interessen von Belegschaft, Führungskräften und HR. Er beruft sich darauf, Mitarbeitende zu befähigen, selbst Teil der Transformation zu sein und ihren eigenen Weg mitzugestalten – ohne sie vor vollendete Tatsachen zu stellen.

Für Daiichi Sankyo sollten die zukünftigen Skill-Anforderungen aus einer Kombination von „Entwickeln“ und „Rekrutieren“ bedient werden. Insbesondere mit Blick auf den Fachkräftemangel und die Schwierigkeit, neue Mitarbeitende zu finden, ist es das Ziel, die eigene Belegschaft an das Unternehmen zu binden und ihre Entwicklung durch entsprechende Trainings und weitere Entwicklungsmaßnahmen sicherzustellen.

Das Skill Management selbst wird digitaler

Die Digitalisierung und der damit einhergehende Wandel an Tätigkeiten und Jobprofilen stellt viele Unternehmen vor große Herausforderungen. Wollen sie den Anschluss an ihre Wettbewerber auch in Zukunft nicht verpassen, müssen sie jetzt die Weichen stellen und ihre Mitarbeitenden auf eine umfassende Transformation vorbereiten. Es gilt, diesen fundamentalen Wandel für die gesamte Organisation, aber auch für jede:n einzelne:n Mitarbeitenden als Chance zu begreifen.

Das Projekt bei Daiichi Sankyo Europe hat gezeigt, dass durch ein integratives und strategisch orientiertes Skill Management auch für jede:n Einzelne:n große Potenziale für die Ausweitung des persönlichen, zukunftsorientierten Skillsets im digitalen Zeitalter realisiert werden können. Dabei wird das Skill Management selbst digitaler werden.

Dies ermöglicht, den Skill-Management-Prozess aus dem Pilotprojekt auf das Gesamtunternehmen zu skalieren. Es gibt am Markt ein großes Potenzial, die Entwicklung jobrelevanter Skills mithilfe künstlicher Intelligenz zielgerichtet zu unterstützen. In Zukunft werden Skills-Ökosysteme die Basis für intelligente, datengestützte Skill-Gap-Analysen im Unternehmen darstellen. Skills Intelligence unterstützt somit den gesamten Employee Lifecycle – von der Rekrutierung über das Onboarding und die Talententwicklung bis hin zum Offboarding.

Durch das Projekt ist deutlich sichtbar geworden, welche Skills über die kommenden Jahre entwickelt und aufgebaut werden müssen – die
Herausforderung wurde als Chance ergriffen. Digitalisierung wird die Pharmaproduktion revolutionieren – Daiichi Sankyo Europe ist bereit.

Autor:innen

Svenja Schnabel
begleitet als Psychologin die Digitalisierung der HR-Prozesse bei Daiichi Sankyo Europe. Bei ihrem Herzensthema Skill Management steht für sie nicht nur die angemessene Verarbeitung von Daten, sondern vor allem das Empowerment der Mitarbeitenden im Vordergrund. So auch aktuell in ihrer Dissertation über den Einfluss von People Analytics und Künstlicher Intelligenz auf „Decision Making“.
»Svenja bei LinkedIn

Cathrin Christ
ist Director bei Deloitte und Expertin zu „Workforce Planning“ und „Talent Management“ in Deutschland. Sie hat bereits zahlreiche Workforce Transformations umgesetzt. Deloitte Consulting ist weltweit eine der größten Unternehmens- und Technologieberatungen. Der Bereich Human Capital bietet Beratung in den Bereichen HR-Transformation, Workforce Transformation und Organisationstransformation.
»Cathrinbei LinkedIn

 

 

Der Change-Code: Intuition und Gefühle entscheiden

Wir fragen bei kreativen Menschen nach, warum es sich lohnt, sich mit ihren Produkten und Werken rund um Change und Transformation zu beschäftigen. Dieses Mal: Dieter Lederer, Autor von „Der Change-Code“.

Dieter Lederer (2022): Der Change-Code: Wie Menschen sich für Veränderungen begeistern und Unternehmen damit gewinnen, Wiley-VCH; 1. Edition

Um was geht es in wenigen Worten bei dem Buch?

„Der Change-Code“ entwirft die DNA erfolgreicher Transformation von morgen. Es geht um nichts weniger als einen Paradigmenwechsel: weg von der üblichen dysfunktionalen Rationalitätsdoktrin und dem Primat der Sachlogik hin zu einem emotional-intuitiven Verständnis davon, was Menschen brauchen, um sich für Veränderungen zu begeistern und darauf einzulassen. Es beschreibt die Prinzipien menschenorientierter Transformation samt sofort umsetzbarer Handlungsempfehlungen und lädt Führungskräfte zur intensiven Selbstreflexion und Erkundung ihrer eigenen Gefühle ein – als Basis für empathische Wirksamkeit.

Zitieren Sie doch mal Ihre Lieblingsstelle.

„Menschen für Veränderungen zu begeistern, kann einfach sein, überraschend einfach. Die erkenntnisleitende Frage dazu lautet: Was benötigen Menschen, um sich mit Begeisterung, mindestens aber vertrauensvoll auf neue Wege einzulassen, die sie vorher noch nie beschritten haben?“

Es gibt bereits viele Change-Bücher. Warum haben Sie trotzdem dieses Buch geschrieben?

Weil es dringend ein neues Denken und Handeln braucht, damit es mit dem Unternehmenswandel klappt. Nach wie vor gehen viel zu viele Change-Programme schief. Kein Wunder, liegt der Fokus der immensen Literatur doch auf der Organisation von Change und übersieht dabei die Menschen. Deren Intuition und Gefühle entscheiden jedoch weitaus mehr über das Gelingen als die perfekte Strategie und Orchestrierung. Genau das adressiert mein Buch, indem es auf konsequente Menschenorientierung setzt – und damit eine Lücke auf dem Markt der Change-Bücher füllt.

An wen richtet sich es?

An Unternehmer, Manager, Personalverantwortliche, Organisationsentwickler, Changemanager und andere Menschen, die Transformationsprogramme verantworten und engagiert zum Gelingen führen wollen.

Wer oder was hat Sie zuletzt besonders inspiriert?

Robert Habecks Umgang mit der aktuellen Krisensituation. Er kommuniziert kontinuierlich, leicht verständlich und nachvollziehbar.
Daraus entstehen Vertrauen und Verbundenheit.

Was finden Sie, ist richtig gut gelungen in dem Buch?

Vieles 🙂 Natürlich, dass es das derzeit einzige Buch ist, das umfassend auf Menschen und deren Bedürfnisse im Change fokussiert. Dass es die drei Säulen gelingender Transformation zu einem funktionierenden Konzept verbindet: Veränderungsstrategie, Führungsverhalten und Umgang mit Gefühlen. Dass es eine angenehm leichte Lektüre bietet mit vielen Praxisbeispielen und klaren Botschaften. Und dass es mittels der Kapitelessenzen in 15 Minuten „gelesen“ werden kann.

Autor

Dr. Dieter Lederer
ist Veränderungsexperte, Unternehmer, Investor und Musiker mit der Erfahrung aus mehr als 300 industriellen Change-Programmen. Sein Wissen über Unternehmenstransformation vermittelt er zudem als Vortragredner und Executive-Coach.
»Dieter bei LinkedIn

 

 

Eine Menge Kompetenzen werden wichtig sein, um in der Arbeitswelt von morgen bestehen zu können. Aber welche Kompetenz sollte ganz besonders hervorgehoben werden? Wir haben nachgefragt.

Komplexität erklärbar machen

„Die (Business-)Welt, in der wir leben, wird vernetzter und komplexer. Jegliche Veränderungen werden dadurch immer schwieriger nachzuvollziehen und verursachen dann Ängste und Sorgen. Komplexität auf ein erträgliches Maß zu reduzieren und so Veränderungsvorhaben noch besser im Gesamtkontext erklärbar zu machen, wird aus meiner Sicht eine der Kernkompetenzen im Changemanagement sein.

Dabei ist es stets wichtig abzuwägen, was in der jeweiligen Situation das ‚erträgliche‘ Maß an Simplifizierung ist. Eine zu stark vereinfachte Darstellung der Realität im Sinne eines ‚Schwarz-Weiß-Schemas‘ ist ein Stilmittel zur Polarisierung, das in Change-Prozessen wiederum genau das erzeugen kann, was man eigentlich vermeiden will: Angst und Feindbilder.

Diese wieder abzubauen, ist dann innerhalb des Veränderungsprozesses eine Mammutaufgabe. Das Finden des richtigen Maßes an Komplexitätsreduktion ist also eine prophylaktische Maßnahme, um später aufkeimende Verunsicherung im Prozess zu vermeiden.“

 

Dr. h. c. Roland Bursy
Bereichsleiter HR der TÜV Nord Group, Dozent und Autor

»Roland bei LinkedIn

 

Ambiguitäten aushalten

„Klimawandel, Energie- und Ressourcenknappheit setzen die deutsche Wirtschaft unter einen enormen Transformationsdruck; Nachhaltigkeit steht dabei im Fokus. Transformative Kompetenzen sind zentral, um diese Herausforderungen unter der Berücksichtigung der Qualitätsunterschiede verschiedener Informationsquellen beurteilen, konkrete Ziele zur Veränderung entwickeln und mit innovativen Lösungen den Status quo infrage stellen zu können.

Eines ist dabei von besonderer Bedeutung: das Aushalten von Ambiguitäten zusammen mit dem Vermitteln zwischen verschiedenen Perspektiven. Die Zielkonflikte in den Unternehmen nehmen zu und Lösungen sind zunehmend mehrdimensional, interdisziplinär und müssen auf allen Beschäftigungsebenen gedacht und umgesetzt werden. Dafür werden transformative Kompetenzen in allen Wirtschaftszweigen und bei allen Beschäftigten benötigt.“

 

Dr. Mathias Winde
Programmleiter Future Skills des Stifterverbands

»Mathias bei LinkedIn

 

Veränderungen als Chance

„Wir leben in sehr bewegten Zeiten – eine Krise folgt auf die nächste. Die Auswirkungen auf Beschäftigung sind teils disruptiv, teils noch nicht vollständig absehbar. Das führt bei vielen Menschen zu einem hohen Maß an Verunsicherung und Ungewissheit angesichts der eigenen beruflichen Zukunft. Auch Unternehmen fällt es immer schwerer, langfristig zu planen und ihren Beschäftigten klare Perspektiven aufzuzeigen.

In einem derart volatilen Umfeld kommt es vor allem darauf an, willens und in der Lage zu sein, sich wandelnden Bedingungen anzupassen. Zu einer solchen Anpassungsfähigkeit oder Adaptability gehört es, Veränderungen als Chance und nicht als Risiko zu sehen, die eigenen Kompetenzen immer wieder kritisch zu hinterfragen und bereit zu sein, sich im Laufe eines Berufslebens bei Bedarf mehrfach ‚neu zu erfinden‘. Letztlich kommt es auch darauf an, eine gewisse Gelassenheit mitzubringen.“

 

Prof. Dr. Jutta Rump
Professorin für Allgemeine BWL an der Hochschule Ludwigshafen

»Jutta bei LinkedIn

 

 

changement! Heft 06/2022

Micro-Learning-Cycles unterstützen das lebenslange Lernen. Ihre sofortige Umsetzbarkeit und die flexible Anwendung gehören zu den größten Vorteilen. Sie können sogar in Verbindung mit einem übergeordneten Reflexionszyklus einen Beitrag zur lernenden Organisation leisten. Anne Hoffmann spricht darüber im Beitrag „Lebenslanges Lernen in Micro-Learning-Cycles“.