Porträt von Annette Malmann, Oerlikon Textile

Tools und Methoden im Change: Annette Malmann, Oerlikon Textile

Für die einen Allheilmittel, für die anderen völlig überbewertet: Tools und Methoden im Change. Wir fühlen Expertinnen und Experten auf den Zahn und wollen ihre Sicht der Dinge sowie einige Tipps erfahren. Diesmal fragen wir Annette Malmann.

Mal ehrlich, Tools und Methoden werden im Rahmen von Veränderungen überschätzt! Richtig?

Hundert Prozent ja! Es gibt viele bewährte oder innovative Tools in der Change-Welt. Sie mit detektivischem Spürsinn zu finden, einzusetzen, zu verändern und wieder neu auszuprobieren, das ist der Spaßfaktor.

Vor alldem stehen aus meiner Perspektive allerdings das Fragen, Verstehen, Hypothesen bilden und überprüfen und das Wiederneudenken. Wenn ich hier meine Hausaufgaben richtig gemacht habe, dann fallen die Tools wie von selbst „vom Band“. Das ist die Denk- und Fühlarbeit vorab und es ist richtig Arbeit.

Haben Sie den Eindruck, Führungskräfte in Unternehmen wollen ganz häufig vor allem konkrete Tools, Formate oder Methoden an die Hand bekommen, wenn es um das Gestalten von Veränderungen geht?

Führungskräfte sind generell kluge Menschen – wie die Mitarbeitenden auch. Sie suchen nach schnell funktionierenden Lösungen, die ihnen bei der Bewältigung heutiger und zukünftiger Aufgaben helfen. Daher kann ich den Wunsch nach konkreten Tools sehr gut verstehen. Meiner Erfahrung nach hilft es, sich Zeit für das Gespräch und die Auftragsklärung zu nehmen. Ich wünsche mir, dass wir als Experten und Expertinnen im Change und in der Transformation dabei die Sprache des Business sprechen. Sonst erzeugen wir auch negative Effekte, beispielsweise wenn erfahrungsorientiertes Lernen ohne ein sauberes und zielgerichtetes Debriefing zu „Können wir noch ein Spiel machen?“ wird und wir Lern- und Veränderungschancen ungenutzt lassen.

Wie können Methoden und Formate helfen, Kulturwandel voranzutreiben?

Passende Methoden können helfen, Abstraktes erfahrbar zu machen und ein Gefühl von „nicht mehr“ und „noch nicht“ zu erzeugen, also ein Gefühl von „zwischen Baum und Borke“. Sie helfen dabei, zu erkennen, wie es nicht mehr geht, also das Störgefühl besprechbar und somit bearbeitbar zu machen. Und sie unterstützen dabei, mindestens den Hauch davon zu erschnuppern, wie es sein könnte. Das gilt gleichermaßen für Change wie für Transformation.

Sie sind bei Oerlikon Textile Head of Talent and Organizational Development. Wie viel organisationaler Wandel lässt sich über ein Talentprogramm anstoßen?

Talent und Organizational Development bedingen sich gegenseitig. Ich brauche die Talente, um Wandel gemeinsam zu gestalten und Impulse zu setzen und Change auch ganz konkret umzusetzen. Gleichzeitig lernen Talente, wie wichtig Change ist. Wir haben in unseren Talentprogrammen Business-bezogene Projektarbeit unter realen Bedingungen fest verankert. So fördern wir internationales, funktionsübergreifendes und diverses Zusammenarbeiten im Netzwerk auf ein Ziel hin. Auch Stakeholder Management ist ein wichtiger Bestandteil. Wir bleiben dabei aber nicht auf der individuellen Ebene, sondern schärfen ebenso den Blick für die Organisation beispielsweise mit den 9 Levels of Value Systems.

Man lernt ja doch hin und wieder die ein oder andere neue Methode oder einen neuen Ansatz in Bezug auf Organisationsentwicklung kennen. Wann hatten Sie diesbezüglich das letzte Mal ein Aha-Erlebnis?

In einem Team habe ich kürzlich eine Heureka-Sitzung ausprobiert. Dabei haben alle ohne Verwertungsabsicht von Themen berichtet, die sie in der letzten Zeit fasziniert haben. Eine Kollegin hat dabei über eine Serie berichtet zum Thema Profiling. Darüber sind wir auf die Fragestellung gekommen, ob unsere PE- und OE-Angebote, zum Beispiel Trainings- oder Workshop-Zeiten, auch zur Realität der Teilzeitkräfte passen: nein, nicht gut genug. Wir werden die Angebote nun entsprechend anpassen. Hätten wir da auch von allein draufkommen können? Ja, hätten wir. Sind wir aber nicht. Absichtlich verwertungsfrei und ohne Druck zu starten, hat Raum für Kreativität geschaffen. Das möchte ich gerne demnächst in einem größeren Kontext ausprobieren, in dem eine Reizwortanalyse zu künstlich wirken könnte.

Und bei der Anwendung welcher Methode waren Sie zuletzt ganz besonders wirksam?

In einem Team, das sich sehr intensiv mit Transformation beschäftigt, haben wir als Intervention und um ein gemeinsames Bild der Realität und der Zukunft zu schaffen, einige Seiten einer Zeitschrift gestaltet. Diese haben wir genutzt, um unter der Prämisse einer erfolgreichen Transformation in der Zukunft auf das Jetzt zurückzublicken. Dabei wurden unterschiedliche Zeitschriften, wie zum Beispiel das ADAC-Mitgliedermagazin oder der Musikexpress, gewählt. Dieser Perspektivwechsel hat viel Energie freigesetzt und Lust auf die erfolgreiche
Transformation gemacht.

Welches Buch, welchen Podcast oder Video-Channel können Sie hinsichtlich Methoden und Tools im Change empfehlen?

Das bringt mich zum Schmunzeln, denn ich finde, überall gibt es Impulse zu Methoden und Tools. In jedem Roman, bei jedem Einkauf und auch bei jedem Fußballspiel. Ich muss nur genau gucken. Wenn die Mannschaft auf dem Platz zum Beispiel einen Hänger hat: Wer gibt welchen Impuls, um den Modus zu wechseln? Was funktioniert, was funktioniert auch nicht? Wie greift der Trainer oder die Trainerin ein? Und wie das umgebende System, sprich: die Fans? Welche Story wird nach dem Spiel erzählt?

Ich empfehle aber auch das Buch Komplexithode  von Niels Pfläging und Silke Hermann. Mir gefallen die vielen Anregungen, die Raum zum Selbstgestalten lassen.

Was braucht es vor allem, damit Trainings und Workshops eine nachhaltige Wirkung bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern erzielen?

Es gilt, den Transfer als integralen Bestandteil des Trainings oder Workshops einzubauen. Dies erst am Ende zu tun, ist meines Erachtens zu spät. Ich finde es auch wichtig, gesamthaft zu gucken. Was passiert vor, während und nach dem Workshop oder Training? Wer ist noch (indirekt) beteiligt und kann oder muss einbezogen werden? Und wie lege ich die Verantwortung in die Hände der Teilnehmerinnen und Teilnehmer? Denn da gehört sie meiner Meinung nach hin, auch wenn manchmal „methodisches Piksen“ hilfreich sein kann.

 

 

Autor

Annette Malmann
ist Head of Talent and Organizational Development bei Oerlikon Textile sowie Beraterin, Trainerin und Coach. Sie hat den St. Galler Leadership Award für das Potenzialprogramm erhalten.
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