Humanocracy: Organisation ohne Bürokratie?
Das Modell Humanocracy von Gary Hamel und Michele Zanini fasziniert sowohl Berater:innen als auch Manager:innen. Es verspricht nicht weniger, als Organisationen von der Last der Bürokratie zu befreien – für mehr Kreativität und schnellere Entscheidungen. Doch kann das Konzept in der Praxis wirklich bestehen? Sven Kette und Kai Matthiesen sind skeptisch. Sie beschreiben die grundlegende Problematik des Konzepts und unter welchen Umständen es durchaus funktionieren kann.
Humanocracy ist eines dieser Konzepte, das viele Manager:innen elektrisiert. Das gleichnamige Buch von Gary Hamel und Michele Zanini verspricht eine Organisation, die sich radikal vom (vermeintlichen) Ballast der Bürokratie befreit, um Innovation und Eigenverantwortung zu maximieren. Besonders in Zeiten großer Transformationen scheint das attraktiv: Wenn Unternehmen agiler, flexibler und menschenzentrierter werden sollen, klingt Humanocracy wie die passende Antwort. Der interessanteste „Feldversuch“ findet derzeit wohl bei der Bayer AG statt. Deren CEO, Bill Anderson, hat das Buch Humanocracy wiederholt als seine „Bibel“ bezeichnet. Es überrascht daher nicht, dass der bei Bayer entwickelte „Dynamic Shared Ownership“-Ansatz sichtbar von den Ideen Hamels und Zaninis inspiriert ist.
Doch was ist von dem Modell zu halten? Handelt es sich tatsächlich um eine – zumal humanere – Alternative zur Bürokratie, wie die Autoren dies schreiben; oder sind die Versprechen zu groß?
Individuen und ihre Fähigkeiten sollen im Zentrum stehen
Das von Gary Hamel und Michele Zanini beschriebene Konzept der Humanocracy versteht sich explizit als Gegenentwurf zum Modell der Bürokratie.
Anstatt auf Regeln, Status, Zuständigkeiten und Top-down-Logiken zu setzen, geht es in der Humanocracy darum, Individuen inklusive ihrer Fähigkeiten und Interessen ins Zentrum zu rücken. Teams sollen selbstorganisiert agieren sowie Personal- und Führungsverantwortung tragen, Marktmechanismen sollen die organisationsinterne Ressourcenallokation steuern, und Einfluss sollen Mitarbeitende erlangen, indem sie sich unter ihren Peers Reputation erarbeiten – nicht, weil sie eine hierarchische Position bekleiden.
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Autoren
Sven Kette ist Soziologe. Als Senior Consultant bei Metaplan berät er seit 2021 Unternehmen, Hochschulen, Stiftungen, Verwaltungen und Non-Profit-Organisationen in Veränderungsprozessen. Zudem forscht und lehrt er als Privatdozent an der Universität Luzern zu organisationssoziologischen Fragestellungen (Kontakt: svenkette@metaplan.com)
Kai Matthiesen ist Kaufmann und Wirtschaftsethiker. Seit 2001 ist er Metaplaner, heute als geschäftsführender Partner. Vorwiegend berät er Führungsgremien in Strategie-und Organisationsfragen. Seit mehr als 20 Jahren hat er Freude an Lehraufträgen an der Universität St. Gallen (Kontakt: kaimatthiesen@metaplan.com)