Hunger nach wirklichem Wandel. Ein Beitrag von Alexander Buschermöhle, Bayer AG.

Hunger nach wirklichem Wandel

Der Chemie- und Pharmakonzern Bayer wagt sich an eine Transformation, die in dieser Konsequenz und Größenordnung eine Seltenheit ist in Deutschland. Mit der Einführung des Betriebsmodells Dynamic Shared Ownership (DSO) will der Konzern Bürokratie abbauen sowie schneller und innovativer werden, indem unter anderem Entscheidungen vom Management auf die Mitarbeitenden übergehen. Alexander Buschermöhle, Stabschef des Konzernvorstands, spricht im Interview darüber, wie dieser System- und Kulturwandel gelingen soll und welche Art der Führung es zukünftig braucht.

Herr Buschermöhle, überrascht es Sie, wie viel Aufmerksamkeit Ihr Betriebsmodell „Dynamic Shared Ownership“ bei anderen Unternehmen und in der Öffentlichkeit erzeugt?

Eigentlich nicht. Wir wollen bei Bayer viele Dinge ändern, die wir über Jahre und Jahrzehnte einfach so hingenommen haben. Wir stellen uns nun grundlegenden Fragen. Und es sind Fragen, die viele Menschen bewegen, die sich ebenfalls nach Veränderung sehnen.

„Es scheint, als hätten wir einen Nerv getroffen mit unseren Themen.“

Sie passen gut in die Zeit: In ganz Deutschland – in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik – wird über Bürokratie, Innovation und Geschwindigkeit diskutiert.

Und jetzt wollen Sie Ernst machen mit dem Bürokratieabbau und dem Erhöhen von Geschwindigkeit?

Absolut. Ich habe in den vergangenen 23 Jahren bei Bayer unterschiedliche Rollen gehabt: mal mehr strategische, mal mehr operative Rollen. Und es war für mich klar, wenn ich Strategie machen will, muss ich in eine strategische Rolle wechseln, und wenn ich operativ tätig sein will, muss ich eine operative Rolle haben. Im Unternehmen führt diese Trennung dazu, dass die Strategie in der Regel zu wenig die operative Umsetzung im Blick hat und die operativen Rollen zu wenig die langfristigen Implikationen berücksichtigen. Diese blinden Flecken wurden lange als normal hingenommen, was bei uns – und sicher auch in vielen anderen Unternehmen – zu langsamen Prozessen und Fehlern führen kann.

Das neue Modell sieht vor, dass 95 Prozent der Entscheidungen direkt von den Mitarbeitenden getroffen werden sollen, insbesondere dort, wo sie nah am Kunden sind. Was sind die Kernvoraussetzungen für eine so tiefgreifende Veränderung?

Die Grundvoraussetzung ist, dass wir „Mindset“ und „Mechanics“ gleichzeitig angehen. Es reicht nicht aus, den Leuten einfach zu sagen: „Seid agiler, handelt schneller!“ Wenn wir nicht die zugrunde liegenden Prozesse ändern – zum Beispiel den jährlichen Budgetprozess –, werden die Menschen, die anders arbeiten wollen, sehr schnell wieder ausgebremst. Statt eine zügige Entscheidung zu bekommen, wird ihnen gesagt: „Sorry, der Budget- und Planungsprozess ist abgeschlossen, meldet euch im Oktober wieder.“

Weiterlesen…

Weiterlesen?

Für alle, die das Morgen schon heute denken.

* Testen Sie uns jetzt 4 Wochen kostenlos und unverbindlich –
mit Zugriff auf diesen und viele weitere Artikel und Ausgaben.


Sie sind Abonnent, aber haben noch keinen kein Login? Hier registrieren mit Ihrem Abocode und vollen Zugriff auf diesen und viele weitere Artikel erhalten.

Autor

Alexander Buschermöhle ist seit dem 1. Mai 2023 Stabschef des Konzernvorstands der Bayer AG. Zuvor hatte er in der Agrar-Sparte Bayer Crop Science verschiedene Führungspositionen mit wachsender Verantwortung inne, unter anderem als „Business Model Lead North America“, „Head of Business Unit Insecticides“, „Head of Go-to-Market Strategy“ und als Landesleiter der Division in Rumänien und Bulgarien. Vor seiner Berufung zum Stabschef des Konzernvorstands leitete er die Abteilung „Global Digital Strategy & Digital Crop Protection“ von Bayer Crop Science.