Tools und Methoden im Change von Katja Manski, Deutsche Bahn
Für die einen Allheilmittel, für die anderen völlig überbewertet: Tools und Methoden im Change. Wir fühlen Expertinnen und Experten auf den Zahn und wollen ihre Sicht der Dinge sowie einige Tipps erfahren. Diesmal fragen wir Katja Manski.
Mal ehrlich, Tools und Methoden werden im Rahmen von Veränderungen überschätzt! Richtig?
Ich kann nur mit Nachdruck sagen: Ja, stimmt. Ich habe zahlreiche Qualifizierungen für Change-Begleiter:innen, HR-Business-Partner:innen und für Führungskräfte der Deutschen Bahn konzipiert und moderiert. Dabei erlebe ich immer wieder, dass vor allem neue Tools und Methoden der Gradmesser für die Zufriedenheit mit Qualifizierungen sind. Danach kann ich mich natürlich richten. Dennoch bleibt das wichtigste Tool von guten Berater:innen vor allem eines: das Gespräch.
Tools und Methoden werden also meines Erachtens überschätzt, dagegen wird die Rolle einer guten Change-Begleitung unterschätzt. Unsere Profession bietet eine eigene Sichtweise, die für das Gelingen von Gruppenprozessen, von Veränderungsprojekten und Transformationen essenziell ist. Natürlich spielt dabei auch ein spezifisches Tool- und Methodenset eine Rolle.
Man lernt ja doch hin und wieder die ein oder andere neue Methode oder einen neuen Ansatz in Bezug auf Change und Transformation kennen. Wann hatten Sie diesbezüglich das letzte Mal ein Aha-Erlebnis?
Ein für mich neuer Ansatz, der mich vor ein paar Jahren wirklich nachhaltig fasziniert hat, ist die lösungsorientierte Kurzzeittherapie nach Steve de Shazer. Der Ansatz selbst ist schon viele Jahre alt und im Coaching weit verbreitet. Wir Organisationsentwickler:innen können daraus aber gerade heute viel lernen: Jedes Problem hat eine Ausnahme, und die Lösung des Problems liegt in dieser Ausnahme.
Für mich war interessant, dass viele Moderator:innen mit lösungsorientierten Methoden arbeiten, ohne aber deren Ursprung zu kennen: Denn Skalenabfragen und die Wunderfrage sind beides Methoden, die für mich für die lösungsorientierte Kurzzeittherapie stehen. Mein Aha-Erlebnis war die Wirkung von Skalenabfragen in Gruppenprozessen. Auch sehr pessimistische Gruppen bekommen so die Energie für einen produktiven Lösungsfindungsprozess, wenn es nicht mehr darum geht, ein Problem zu lösen, sondern (nur) einen Schritt in die richtige Richtung zu machen.
Ein zweiter Ansatz mit Aha-Erlebnis war für mich vor ein paar Monaten Spiral Dynamics, genutzt als Messinstrument für Organisationsentwicklungsprozesse. Faszinierend, wie gut das funktioniert, obwohl die Ursprungstheorie von Clare W. Graves und auch die Übertragung auf Organisationen durch Don Edward Beck und Christopher C. Cowan hochumstritten sind.
Sie treiben als Change Managerin und Kulturentwicklerin unter anderem Vernetzung und bereichsübergreifende Zusammenarbeit bei der Deutschen Bahn voran. Was ist das größte Hindernis dabei?
Die fehlende Fähigkeit und Bereitschaft, sich in andere wirklich hineinzuversetzen und das Problem als ein gemeinsames zu verstehen. Die Deutsche Bahn muss viele komplexe Prozesse mit zahlreichen Schnittstellen bewältigen, da wäre es gut, wenn man möglichst gemeinsam um die Verbesserungen ringen würde. Schuldzuweisungen im Konfliktfall, der Ansatz, vor allem den eigenen Garten sauber zu halten, oder das „Not Invented Here-Syndrom“ sind dagegen mehr als kontraproduktiv.
Was braucht es als ersten Schritt, um lang etablierte Verhaltensroutinen zu durchbrechen?
Ich bleibe bei Steve de Shazer: Wir müssen uns darauf konzentrieren, wann es uns schon mal gelungen ist, die störende Routine anders zu gestalten. Was waren da die Rahmenbedingungen und wie können wir diese wiederherstellen bzw. skalieren?
Wann waren Sie das letzte Mal ganz besonders wirksam als interne Beraterin?
Ich verantworte den Beteiligungsprozess zur „Starken Schiene“, die Strategie der Deutschen Bahn. Mitarbeitende entwickeln in diesem Beteiligungsprozess eigene „Ausbausteine“. Sie setzen also Themen, die aus ihrer Sicht die Deutsche Bahn besser machen.
Wir haben im vergangenen Jahr einen neuen Baustein auf den Weg gebracht, in dem es unter anderem um die engere Vernetzung von Fahrdienstleiter:innen und Lokführer:innen geht. Um dadurch Kommunikations- und Informationsprobleme zu lösen. Davor haben in einem von meinem Team moderierten Workshop Fahrdienstleiter:innen und Lokführer:innen in einem Theaterstück vorgespielt, wie es sich anfühlen würde, den Zug wirklich gemeinsam zu fahren und Rücksicht auf die Bedürfnisse des anderen zu nehmen. Ich habe den Entscheidern diese Erfahrung vor Augen geführt und konnte dazu beitragen, dass aus dem Anliegen wirklich ein Ausbaustein geworden ist, von dem alle Beteiligten jetzt besonders profitieren.
Welche Kompetenz sollte jeder Change Manager und jede Change Managerin auf jeden Fall mitbringen?
Fragen, Zuhören und den Mut, um Hypothesen zu bilden und auszusprechen.
Und wie umfangreich muss der Methodenkoffer sein?
Wir Change Manager:innen werden ja schon auch als Expert:innen für Methoden gerufen. Man sollte also immer ein paar gute und passende Methoden parat haben, um Gruppen ins Arbeiten zu bringen. Vor allem aber braucht man ein Gespür dafür, wie Abläufe von Veranstaltungen prinzipiell funktionieren und wie eine konkrete Gruppe auf den Einsatz einer bestimmten Methode reagiert. Was mich wirklich stört, ist die Angewohnheit mancher oft noch unerfahrener Kolleg:innen, sich hinter einer Methode und kleinteiligem Time Boxing zu verstecken.
Für mich ist das wie beim Gärtnern: Ich muss die Pflanzen und die Lebensräume in einem ersten Schritt erst mal kennen, sie dann aber in einem zweiten Schritt zu einem stimmigen Gesamtbild in einem Garten zusammenstellen und zum Wachsen bringen. Und selbst dann kann ich nicht alles beeinflussen.
Welches Buch haben Sie zuletzt rund um Change und Transformation gelesen?
Das Buch „Change mich am Arsch“ von Axel Koch, das einem noch mal die Augen öffnet, was Unternehmen Menschen eigentlich zumuten. Die Hauptbotschaft daraus ist für mich aber, wie wichtig es für jeden Einzelnen ist, in Veränderungsprozessen in die Gestalter:innen-Rolle zu kommen. Mehr Selbstwirksamkeit aller Beteiligten in einem Veränderungsprojekt oder einer Transformation sollte das Ziel jeder Change-Begleitung sein.
Autorin
Katja Manski
ist Leiterin der „Ausbausteine“ der Mitarbeitenden und Verantwortliche der Change-Grundsätze bei der Deutschen Bahn. Sie leitet zudem die Community der Changer:innen im Konzern, die in den verschiedenen Geschäftsfeldern des Unternehmens aktiv sind.
»Katja bei LinkedIn
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