Mal ehrlich: Methoden für HR
Für die einen Allheilmittel, für die anderen völlig überbewertet: Tools und Methoden im Change. Wir fühlen Expertinnen und Experten auf den Zahn und wollen ihre Sicht der Dinge sowie einige Tipps erfahren. Diesmal fragen wir Angelika Kambeck.
Mal ehrlich, Tools und Methoden werden im Rahmen von Veränderungen überschätzt! Richtig?
Laut dem Duden bedeutet Tool bzw. Werkzeug ein „für bestimmte Zwecke geformter Gegenstand, mit dessen Hilfe etwas bearbeitet oder hergestellt wird“. Was mir an dieser Definition gefällt, ist, dass es zweckgebunden ist. Den Einsatz von Tools und Methoden nur um ihrer selbst willen, halte ich für weniger geeignet. Es braucht immer den unternehmerischen Kontext und die Frage, was ich damit bezwecken kann.
Dann können Tools und Methoden sehr wohl – auch im Rahmen von Veränderungen – ein probates Mittel sein, um das Erreichen von Zielen und den Inhalt „herzustellen“ oder zu beschleunigen und dabei auch für Spaß und echte Lernmotivation zu sorgen.
Man lernt ja doch hin und wieder die ein oder andere neue Methode oder einen neuen Ansatz in Bezug auf Change und Transformation kennen. Wann hatten Sie diesbezüglich das letzte Mal ein Aha-Erlebnis?
Bei den Methoden OKR und Scrum. Durch die OKR-Methode kann die Organisation – und zwar bottom-up und top-down – strategisch perfekt ausgerichtet werden. Durch den dreimonatigen Zyklus ist eine sehr hohe Anpassungsfähigkeit an die sich immer schneller verändernden Realitäten möglich. Aber der OKR-Ansatz ist schwierig und kompliziert in der Einführung und jedes Unternehmen muss da seinen eigenen Weg finden. Dennoch ein sehr spannender Ansatz aus meiner Sicht.
Beim Scrum gefallen mir der Wert des Teams und die sehr klar festgelegten Rollen, die Sprints sowie die Möglichkeit, in kürzerer Zeit als früher im klassischen Projektmanagement ein potenziell lieferbares Produkt zu haben. Die Methode sollte jedoch sehr eng der Lehre gemäß umgesetzt werden, sonst geht der echte agile Mehrwert schnell verloren.
Kann man als mittelständisches Unternehmen, das keine Fachkräfte findet, das Recruiting-Problem mit Methoden oder einer bestimmten Herangehensweise zumindest lindern? Was empfehlen Sie?
Eine gute Recruiting-Strategie, die mit den richtigen Methoden unterstützt wird, führt immer zu höherem Erfolg. Meines Erachtens ist im Recruiting zunächst einmal maßgebend, dass HR und das Business sehr verzahnt in Echtzeit miteinander arbeiten und die richtigen „Zielscheiben“ gemeinsam definiert werden. Dann muss man schauen, welche Methode in welchem Kontext hilfreich ist. Das kann dann das Active Sourcing sein, das Social Recruiting oder auch ein Mitarbeitenden-Empfehlungsprogramm. Mal braucht es die auf Tech Recruiting spezialisierte Job-Plattform, mal kann sogar wieder eine Printanzeige im städtischen Wochenanzeigeblatt durchaus hilfreich sein – je nach Job und Zielgruppe.
Darüber hinaus müssen wir gerade beim Thema Fachkräftemangel alle ein wenig kreativer werden und ein flexibleres Mindset haben. Stellenweise ist der Fachkräftemangel ein hausgemachtes Problem, da in vielen Unternehmen immer noch mit der Schablone der Vergangenheit rekrutiert und geführt wird und nicht mit iterativen Schritten eine Anpassung an die komplexe Realität erfolgt. Warum nicht einen 62-Jährigen einstellen? Oder einen 22-Jährigen zur Führungskraft oder die Reinigungskraft zur Fachkraft machen? Wir müssen hier umdenken.
HR hat oft die Herausforderung, von den Fachbereichen nicht ernst genommen zu werden. Denken Sie, man kann sie mit Methodenkompetenz beeindrucken?
Ich denke es geht weniger um beeindrucken. Jede Job-Familie hat ihre Kernkompetenz, inklusive dem zugehörigen Methoden-Koffer. Entscheidend ist, dass in HR unternehmerisch gedacht und gearbeitet wird. Wo will das Unternehmen hin und was sind gerade die größten „Pain Points“? Und was bedeutet dies auf der People-Seite und für das People Management? HR muss das dann fokussiert in Maßnahmen umsetzen, die echte und sichtbare Wirksamkeit im Kontext der Unternehmensstrategie und fürs Geschäft erzeugen. HR muss die Unternehmensentwicklung stärker als in der Vergangenheit mit vorantreiben –und ihren Humor dabei nicht vergessen. Dann ist auch das „Buy-In“ vom Business da.
Welche Tools, Methoden oder Plattformen mögen Sie, wenn es um Ihr eigenes (digitales) Lernen geht?
Als zertifizierter Coach halte ich Coaching für ein sehr hilfreiches Mittel. In der aktuellen Zeit der schnellen Veränderungen geht es immer mehr darum, sich selbst kompetent durch die (digitale) Transformation zu führen und allzeit in einem guten resilienten Zustand zu halten. Coaching ist dabei die perfekte Methode zur schnellen und spürbaren Selbstbefähigung mit messbaren Ergebnissen – und funktioniert dabei immer über die Stärkung und die Mobilisierung des eigenen Talents.
Bezüglich des eigenen Digital Upskilling habe ich mich vor einiger Zeit im Rahmen eines E-Learnings mit Coding beschäftigt. Unter anderem musste man ein Computerspiel so „programmieren“, dass die Spielfigur bestimmte Bewegungen macht. Das hat Spaß gemacht und mir gezeigt, wie hochkonzentriert man beim Programmieren sein muss. Der kleinste Fehler hat Auswirkungen.
Was würden Sie empfehlen, um lang etablierte Verhaltensroutinen zu durchbrechen?
Sich immer mal wieder in Reflexion zu begeben. Ob es im Coaching ist oder bei hilfreichen Gesprächen mit dem eigenen Netzwerk oder anderen Methoden, die einem helfen, Abläufe einfach immer mal wieder anders zu machen. Dies durchbricht auch sehr schön Routinen. Ich persönlich versuche zum Beispiel nicht stets den gleichen Weg zu gehen, sondern immer mal wieder neue Strecken zu nehmen oder auch ab und an meine linke Hand zum Zähneputzen einzusetzen, um meine Denkmuster im Gehirn neu zu fordern.
Wie wichtig sind Workshops in Präsenz, um Veränderungen voranzubringen?
Lernen funktioniert am besten in einem sozialen Kontext. Dann kann durch Austausch und Interaktion echtes Lernen erfolgen. Es ist echt klasse, dass mittlerweile auch über Online-Meetings und -Workshops gelernt wird. Diese können auch wunderbar effizient sein. In der Präsenz zusammenzukommen, entfacht jedoch eine andere zwischenmenschliche Energie und häufig auch eine höhere Interaktion. Um Veränderung voranzubringen, kann ein Auftakt in Präsenz sehr wertvoll sein. Angereichert mit virtuellen Meetings im Anschluss. Man sollte mit beidem arbeiten, online und in Präsenz, da sich die Verknüpfung meistens auszahlt.
Autorin
Angelika Kambeck arbeitet als HR Consultant, Executive Advisor und Coach für internationale Unternehmen. Zuvor war sie unter anderem CHRO bei Klöckner & Co und der CWS Group. Vom Personalmagazin wurde sie 2019 als „Transformatorin“ zu den 40 führenden HR-Köpfen gewählt.
»Angelika bei LinkedIn
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