Entscheidungen treffen für die Zukunft
Diese verdammte Zukunft!
Was gehört zu den primären Aufgaben von Führung? Diese Frage ist womöglich schwerer zu beantworten, als man zunächst annehmen könnte.
Wenn ich in einem Workshop in einem Unternehmen diese Frage stelle, dann wird erst einmal lange überlegt, um schließlich sehr viele Aufgaben aufzuzählen: motivieren, kontrollieren, coachen, eine Vision vorgeben, Mitarbeitende entwickeln, Struktur und Halt geben, Konflikte lösen, moderieren, inspirieren, organisieren.
Das ist alles nicht falsch. Doch was ist das Wichtigste? Die Antwort mag auch vom jeweiligen Kontext und der Führungsbeziehung abhängen. Es macht aber durchaus Sinn, sich als Einzelner, als Team und vielleicht sogar als Organisation Gedanken über das eigene Führungsverständnis zu machen und eine Idee zu entwickeln, wo grundsätzlich die Prioritäten in der Führung liegen – und sich zu fragen: Wozu ist Führung eigentlich da? Geht es nicht auch ohne?
Es gibt nämlich meiner Meinung nach eine Aufgabe, die grundsätzlich immer wichtig ist, die womöglich sogar die größte Bedeutung hat: das Entscheiden. Das kann beispielsweise ebenfalls heißen, für Entscheidungen zu sorgen oder dem Team die Entscheidung zu überlassen. Auch Teams und Mitarbeitende können Führung übernehmen.
Wer entscheidet was? Das ist oft nicht klar.
Allein eine Entscheidung zu treffen, reicht aber nicht. Die anderen müssen der Entscheidung folgen. Und dafür muss sie womöglich erklärt, muss der Entscheidungsweg transparent gemacht und/oder Mitarbeitende einbezogen werden, damit das Commitment ausreichend hoch ist.
Ich beobachte immer wieder, dass in Organisationen oder Teams nicht hinreichend klar ist, wer was entscheidet. Es gibt keine klaren Festlegungen. Die Folgen sind Verunsicherung bei den Mitarbeitenden, langsame Prozesse und ein uneinheitliches Verhalten. Es hängt dann stark von Individuen ab, die einfach machen und hoffen, dass es keine negativen Sanktionen gibt. Und wenn es um Themen geht, die fernab vom routinierten Arbeitsalltag auftreten, wird häufig auch einfach gar nichts entschieden. Und nichts geht voran.
Die fehlende Schnelligkeit aufgrund von mangelnder Entscheidungsfähigkeit lässt sich ebenfalls gut in vielen Projektorganisation im Rahmen von Transformationen oder Change beobachten. Da gibt es dann viele Work Streams und Arbeitsgruppen und auch Projektleitungen. Doch wann was durch wen entschieden wird, welche Dinge tatsächlich wie umgesetzt werden, lässt die Projektarchitektur zu oft unbeantwortet.
Eine Change-Projektarchitektur sollte aber Klarheit geben, wie die wesentlichen Basisprozesse abgedeckt werden:
- Wie erfolgt die Konzeption?
- Wie erfolgt die Umsetzung?
- Wie erfolgt die Kommunikation?
- Wie kriegt man Resonanz?
- Wie lernen die Akteure?
- Wie wird gesteuert?
- Und: Wie werden Entscheidungen getroffen?
Projektarchitekturen sind vermutlich auch nur ein Beispiel dafür, wie schwer uns Menschen Entscheidungen fallen bzw. wie schwer es uns fällt, festzulegen, wie was entschieden wird.
Das hat unter anderem mit dieser verdammten Zukunft zu tun, die wir nicht sehen können. Was wird wirklich passieren? Und dann sind Situationen auch noch komplex, die Entscheidung hängt vielleicht von vielen verschiedenen Faktoren ab. Manche Entscheidung für etwas ist vielleicht gleichzeitig eine Entscheidung gegen etwas. Ebenfalls blöd.
Deswegen gibt es oft den Rat, auf das Bauchgefühl zu hören. Für Individuen mag das in vielen Fällen funktionieren. Für Organisationen ist das allein zu wenig. Was könnte man aber empfehlen? Vielleicht dies: Mut! Beispielsweise Mut zur Klarheit, was Entscheidungsprozesse angeht, sowie die Bereitschaft, alle relevanten Perspektiven in die Abwägung einzubeziehen. Und dann heißt es: Mutig entscheiden. Führung übernehmen. Denn oftmals geht es nicht um richtig oder falsch, sondern einfach ums Tun. [JCW]