aufgespießt: Feedback ist tot
Es gibt in der Arbeitswelt ein riesiges Missverständnis. Und der in den Medien viel diskutierte Fall „Zonar“ hat das einmal wieder deutlich gemacht. „Zonar“ ist das Performance- und Entwicklungstool von Zalando. Nach Angaben des Unternehmens soll es Mitarbeitern und Führungskräften gleichermaßen die Möglichkeit geben, sich 360-Grad-Feedbacks einzuholen.
Auf den ersten Blick ist es, im Vergleich zu anderen Systemen, tatsächlich ein Schritt nach vorne, weil es das Feedbackgeben nicht nur der Führungskraft überlässt, wie das noch in klassischen Unternehmen üblich ist. Doch „Zonar“ krankt an demselben Fehler wie auch die meisten traditionellen Performance-Management-Systeme: Es ist im Kern ein Bewertungssystem, das Lernen und Entwicklung eher erschwert als fördert. Menschen sowie deren Kompetenzen und Leistungen werden von anderen beurteilt und diese Beurteilungen haben Konsequenzen in Bezug auf Karriere und Vergütung. Das hat mit Feedback als Voraussetzung für das persönliche Lernen nichts zu tun. Im Rahmen eines solchen Systems wollen die Mitarbeiter nicht lernen, sie wollen gute Beurteilungen – und nur danach richten sie ihr Verhalten aus. Völlig verständlich.
Es ist erschreckend zu sehen, welcher Schindluder mit dem Begriff des Feedbacks in deutschen Unternehmen betrieben wird, wie er für jede Art der Rückmeldung genutzt und wie wenig gleichzeitig auf die tatsächliche zwischenmenschliche Kommunikation geschaut wird. Benotungen von Leistungen, infantiles Lob, beleidigende Meinungsäußerungen – so ziemlich alles geht hierzulande als Feedback durch.
Resonanz erzeugen
Echtes Feedback hat mit Bewertungen nichts zu tun. Es hat einzig den Zweck, beim Gegenüber Wirkung zu erzielen beziehungsweise Resonanz zu erzeugen. Der Feedbackgeber bietet seine Perspektive an und das ist wichtig, weil es Menschen grundsätzlich schwerfällt, wahrzunehmen, wie sie selbst wirken. Auf der Basis von ausgedrückter Wertschätzung wird die Wahrnehmung des Verhaltens des Feedbacknehmers dargestellt, wie es gewirkt hat und was sich der Feedbackgeber wünschen würde.
Dabei spielt das Timing eine wichtige Rolle. Nicht jede Situation ist dafür die richtige. Ob der Feedbacknehmer Konsequenzen aus den Anregungen zieht, liegt bei ihm. Das ist das gute Recht eines mündigen Menschen. Aber natürlich sind für eine effektive und produktive Zusammenarbeit eine gewisse Beweglichkeit und die Bereitschaft zu lernen unumgänglich.
Und wenn ein 360-Grad-Feedback eingesetzt wird, dann bitte als echtes Entwicklungsinstrument. In vielen Unternehmen geht es allerdings um Bewertungen von Führungskräften, die sich maßgeblich auf die jeweilige Karriere und Vergütung auswirken. Das lenkt die Betroffenen aber davon ab, sich auf das eigene Entwicklungspotenzial zu fokussieren. Stattdessen wird nur auf die Bewertung und die möglichen negativen Konsequenzen geachtet.
Coaching statt Bewertung
Kaum ein System verzichtet darauf, Beurteilungen in Form eines numerischen Wertes, einer Note beispielsweise, zusammenzufassen. Menschen bezüglich ihrer Leistung oder ihres Verhaltens eine Note oder einen Skalenwert zu geben, fühlt sich mehr als falsch an. Ganz egal, welche Objektivierungsanstrengungen unternommen werden: Am Ende wird die Vielfalt des Menschen, seine Einzigartigkeit und die Komplexität der Umstände auf eine einzige Zahl reduziert – und die bleibt, bis zum nächsten Jahr. Der Müller ist eine 3,1.
Eine Menge Mitarbeitende hat keine Lust mehr auf ein solches „Feedback“. Die Leute hören Feedback und denken an Prüfungen – und nicht an Entwicklungschancen. Deshalb ist der Begriff in der Arbeitswelt tot. Ein Grund übrigens, warum Microsoft „Feedback“ abgeschafft und „Perspectives“ eingeführt hat. „Das neue System verwendet eine Sprache, die weniger einschüchternd wirkt und Gespräche anregt, die eher wie Coaching als wie Bewertungen wirken“, heißt es vonseiten Microsofts. Es ist ein Anfang.
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