Altes loslassen, blinde Flecken wahrnehmen, persönlich wachsen: Svenja Hofert liefert in ihrem Plädoyer acht Gründe, warum Coaching für alle wertvoll sein kann.

Die Welt wäre eine bessere, wenn sich alle coachen ließen. Doch leider haben die, die an den Schalthebeln sitzen, oft besonders wenig Zeit oder Sinn für das, was Coaching ermöglicht: Reflexion und Persönlichkeitsentwicklung. Denn häufig besteht ein Missverständnis über das, was Coaching ist: Es ist weder Zielerreichungsmaschine noch Speed-Lösungsfabrik.

Unsere Persönlichkeit wächst und wandelt sich, ist stetig im Werden. Das braucht Pflege und Begleitung, die ganz unterschiedlich aussehen kann: Mal geht es ums Abgrenzen, mal ums Umpflügen, dann wieder ums Anbauen und Ausmisten. So wird Coaching zur Lebens- und Berufseinstellung, bei der Probleme und Ziele keine zwingende Voraussetzung mehr sind. Im Folgenden habe ich acht Gründe zusammengetragen, warum Coaching aus meiner Sicht so wertvoll ist.

1. Ordnung: Coaching sortiert

Im Hamsterrad ist nie genug Zeit. Wer Erlebnisse, Gedanken, Gefühle und die eigenen Entscheidungen nicht sortiert, steht irgendwann vor einem riesigen, unübersichtlichen Berg, der hinter jeder Kurve eine Überraschung parat hat.

Gerade erfolgreiche Fach- und Führungskräfte verlieren oft den Bezug zu ihren eigenen Bedürfnissen. Wie sieht es überhaupt in mir aus Welche Möglichkeiten sehe ich, welche nicht?

Coaching kann eine innere Inventur sein, aber auch ein Aufräumen. Je öfter man sich coachen lässt, desto vertrauter ist einem das eigene Innere. Das Sortieren wird leichter. Viele Menschen entwickeln ihre inneren Strukturen ganz einfach: indem sie mit jemanden sprechen, der einfach nur aufmerksam und achtsam zuhört.

2. Zielfindung: Coaching gibt dem inneren Kompass eine Richtung

Ziele sind selten eindeutig und klar. Oft gilt es, sie erst herauszuarbeiten. Was will ich eigentlich wirklich? Und welche Kriterien lege ich bei Zielkonflikten an? Jeder kennt die Situation, wenn man sich immer wieder im Kreis dreht. Wie gut kann dann eine leichte Kursänderung oder auch ein Umdrehen tun! Manchmal geht es einfach nur darum, Ziele loszulassen, die einem nicht guttun. Dann braucht es jemanden, der einen selbst immer wieder als Kapitän:in auf das eigene Schiff holt.

3. Zielerreichung: Coaching macht erfolgreich

Zu groß denken oder zu klein: Es sind die eigenen Ansprüche, die Erfolg ermöglichen, aber auch verhindern. So normal es ist, dass widersprechende Verhaltensweisen genau das sabotieren, was man doch so gern erreichen möchte. Dazwischen grätschen all die „Mindfucks“ und schädlichen Glaubenssätze, die die Gedanken in Geiselhaft nehmen. Es ist wunderbar, schädliche Gedanken einzufangen, anzunehmen, loszulassen und die gestiegene mentale Kraft zu spüren.

4. Feedback: Coaching öffnet neue Fenster

Je weniger blinde Flecken wir haben, desto klarer unser Selbstbild.

Coaching ist auch eine gute Gelegenheit, die Rückmeldungen von anderen zu reflektieren – oder auch aktiver zu suchen. Gleichzeitig stärkt Coaching das Selbstbild, wenn im Mittelpunkt nicht nur die Frage steht „Wer bin ich?“, sondern auch „Wer will ich werden?“. Die eigene Tendenz, sich selbst zu begrenzen, kann sich in Luft auflösen, wenn innere Schranken fallen.

5. Altes loslassen: Coaching schafft den Boden für eine neue Saat

„Es ist nie zu spät, eine glückliche Kindheit gehabt zu haben“ – ob dieser Satz nun Ruth Cohn oder Erich Kästner zugeschrieben werden kann (oder beiden): In ihm liegt eine äußerst heilsame Wahrheit. Denn die künftigen Möglichkeiten liegen auch in einer Neubetrachtung der eigenen Vergangenheit. Die Reflexion über die Vergangenheit ist deshalb vor allem dann hilfreich, wenn die bisherige Betrachtungsweise selbst beschränkt.

6. Neues entstehen lassen: Coaching lässt neue Samen aufgehen

Wir neigen oft dazu, immer die gleichen Wege zu gehen, ähnliche Gedanken zu denken und den bisherigen Vorlieben zu folgen. Dabei entsteht Neues häufig dort, wo man noch nie gewesen ist. Deshalb regt Coaching auch an, ermutigt, etwas auszuprobieren und widersprüchliche Emotionen und Gedanken anzunehmen. Denn wenn Neues entsteht, ist das Alte immer noch präsent und kann nicht einfach ausgeschaltet werden. Gutes Coaching ist deshalb immer auch ein motivierendes Framing für Veränderung. Es deutet auf die Sonne und das Licht, wenn wir diese noch nicht sehen können. Zugleich stärkt es die Durchhaltekraft, denn gerade Veränderung braucht die prozessuale Begleitung.

7. Entwicklung: Coaching lässt reifen

Ein reflexionsorientiertes Coaching hat immer eine narrative Komponente: Die eigene Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft werden neu interpretiert.

Das ist wie eine Verbreiterung der eigenen Oberfläche: Wir gewinnen mehr Perspektiven und werden differenzierter in unserer Wahrnehmung sowie flexibler in unseren Verhaltensweisen. Das ist die Basis für einen entspannteren Umgang mit schwierigen Situationen – und mit sich selbst. Kleine und große Krisen können so viel produktiver verarbeitet werden.

8. Sinn: Coaching trägt zu einer besseren Welt bei

Reflektierende Menschen kommen früher oder später auch zum Sinn, den sie dem Leben geben wollen. Die kleinen oder großen Despot:innen und Tyrann:innen dieser Welt werden diesen Punkt nie erreichen. Deshalb ist Coaching immer auch Prävention vor Machtmissbrauch. Es schützt nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Gesellschaft vor schädlichen Verhaltensweisen, die aus Zwängen oder engem Denken entstehen. Es lohnt sich also nicht nur für die, die sich coachen lassen, sondern auch für alle anderen.

 

 

Autorin

Svenja Hofert
ist Geschäftsführerin eines Hamburger Aus- und Weiterbildungsinstituts. Sie beschäftigt sich mit der Psychologie der Veränderung, hat zahlreiche Bücher veröffentlicht und coacht seit einem Vierteljahrhundert. Ihr neuestes Buch heißt „Business Slowdown. Co-kreativ führen in postagilen Zeiten“.
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Wir fragen Menschen nach ihren Quellen der Inspiration und bitten sie, fünf davon mit uns zu teilen. Marcus Reif liebt Sport und das regelmäßige Bloggen. Seine ehrenamtliche Tätigkeit bringt ihn auch beruflich weiter.

1 FOMO (Fear of missing out)

Die Flut an Nachrichten ist mindestens seit den sozialen Medien überwältigend. Seit vielen Jahren stoße ich auf tolle Nachrichtenportale, super geschriebene Blogs, You-Tube-Kanäle, Podcasts, E-Paper, Hörbücher und Communitys. Man kann alle Angebote gar nicht kontinuierlich im Blick haben und verpasst leider im hektischen Alltag etliche gute Beiträge. Deshalb sammle ich alle diese tollen Plätze im Internet in meinem Feedly-RSS-Reader und arbeite diesen täglich ab. So verpasst man nicht den besten Content für die eigenen Themen, der kommt nämlich nicht immer von den großen Medienportalen.

2 Bloggen

Das Schreiben eines eigenen Blogs gleicht einer Katharsis. Gerade während der Anfangszeit der Pandemie galt es, sowohl viele sich schnell ändernde Regeln in die Personalarbeit zu überführen als auch dabei den Kolleginnen und Kollegen Halt und Orientierung zu geben. Mir hilft das regelmäßige Bloggen sehr, die eigenen Gedanken zu sortieren. Und wenn ich dabei inspirieren oder Gedanken anstoßen kann, freue ich mich doppelt.

3 Ehrenamt

Ein Löwenanteil meiner Freizeit wird für Ehrenämter investiert. Seit 25 Jahren wirke ich in einer Partei, bin seit 20 Jahren Mandatsträger in meiner Heimatstadt und eine Dekade auf Landkreisebene in der Kommunalpolitik aktiv. Seit nunmehr 13 Jahren bin ich auch Fraktionsvorsitzender und kümmere mich in meiner Heimatstadt mit 22.000 Einwohnern um die großen und kleinen Themen. Das erdet ungemein und bietet so viele neue Facetten, die mich auch beruflich weiterbringen. Darüber hinaus bin ich aktiver Rotarier.

4 Sport

Nach einigen Jahren des Nichtstuns bin ich mittlerweile regelrecht süchtig nach Sport. Jeden Tag steht Sport auf meinem Programm. Ohne mein Fitnessstudio hätte mich die Pandemie sicherlich noch tiefer runtergezogen. Neben des täglichen Work-outs golfe und jogge ich regelmäßig. Das ist ein guter Ausgleich zum Pandemie-Office.

5 Learning Nuggets

Lebenslanges Lernen ist keine Plattitüde. Jede Woche gönne ich mir ein Nugget, einen besonderen Anlass, etwas Neues zu hören. Ob es ein
Webinar ist, ein Austausch mit anderen Personalern und Personalerinnen, ein fachlicher Podcast, eine virtuelle Konferenz oder ein Workdate. Wir leben in einer volatilen Welt, in der die Planbarkeit nicht mehr mit Jahreszielvereinbarungen und Jahresendgesprächen
zusammenpasst. Es ist gut, wenn wir täglich versuchen, mit der Entwicklung Schritt zu halten.

 

changement! Heft 03/2022

 

Autor

Marcus K. Reif
ist HR-Direktor bei einer internationalen Bank. Er betreibt zudem den Blog Reif.org. Seine Schwerpunkte sind: New Work, Leadership, Organisation des Personalwesens, Recruiting und Employer Branding.
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Ihnen hat das Format „Quellen der Inspiration“ gefallen? Hier finden Sie einen weiteren Beitrag dazu: „Quellen der Inspiration: Nico Rose, International School of Management“.

Wie in gesellschaftlichen Bereichen ist die Nutzung der sogenannten gendergerechten Schreibweise auch in der Wirtschaft umstritten. Wir haben zwei Kommunikationsmanager:innen gefragt, warum ihr Unternehmen explizit (k)eine gendergerechte Sprache nutzt.

Wertschätzung der Sprache

„Wir haben uns bei Trumpf bewusst dazu entschieden, auf das Gendern zu verzichten. Trumpf-Chefin Nicola Leibinger-Kammüller, eine Germanistin, die über Erich Kästner promoviert hat, schrieb dazu im vergangenen Jahr im internen Mitarbeitermagazin: ‚Wir behalten die vollständige Schreibweise Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die eine Wertschätzung der Sprache an sich ist, auch in Zukunft im Unternehmen bei und verzichten in unserer Außen- und Innendarstellung auf Sternchen oder Doppelpunkte.‘

Unser Personalchef Oliver Maassen hat diese Richtungsentscheidung in einem Gastkommentar für das Handelsblatt aufgegriffen: ‚Ob wir echter Gleichberechtigung und Toleranz dadurch näherkommen, dass nun in Radiosendungen kurze Sprechpausen innerhalb der Worte eingelegt werden, ob wir inklusiv handeln, wenn wir etwas tun, was dem Sprachgefühl der meisten Menschen zuwiderläuft, erscheint mir zumindest fragwürdig. Vermutlich riskieren Medien und Politik sogar das Gegenteil des Gewünschten, nämlich als elitär und bevormundend wahrgenommen zu werden.‘ Auf dieser Basis kommunizieren wir fortan bei Trumpf ganz selbstverständlich.“

 

Andreas Möller
Leiter Unternehmenskommunikation, Politik, Marke bei Trumpf

 

Minderheiten unterstützen

„Vielfalt und Gleichberechtigung sind für uns bei Otto ein hohes Gut. Um das auch sprachlich deutlich zu machen, setzen wir seit 2019 in unserer internen und externen Kommunikation das Gendersternchen ein – im Marketing, im HR-Bereich und auch schon teilweise in der Kommunikation mit unseren Kund*innen. Man kann eine gendergerechte Sprache anstrengend, oll und unästhetisch finden, es gibt sicherlich auch valide Argumente gegen das Gendern. Aber allein der Versuch, alle Menschen gleichwertig anzusprechen – Männer, Frauen und non-binäre Menschen – ist aus unserer Sicht diese Mühe wert. Mehrheiten sollten Minderheiten nicht nur schützen, sondern auch unterstützen. Eine inklusive Sprache gehört dazu.“

 

Linda Gondorf
Chefin vom Dienst in der Otto-Unternehmenskommunikation und Mitglied der Projektgruppe Gendersprache bei Otto

 

 

changement! Heft 03/2022

 

THE SHIFT INITIATIVE hat zum Weltfrauentag die Beiträge verschiedener Partner gebündelt, die Vielfalt als Erfolgsfaktor verstehen und präsentiert #newrolemodels aus Wirtschaft & Gesellschaft, die sich für das Thema Diversity & Inclusion stark machen.

Dr. Petra Köppel gehört zu diesen Role Models. Als Inhaberin der Diversity-Beratung Synergy Consult und Gründerin des Netzwerks Synergie durch Vielfalt sagte sie in ihrem Gastbeitrag „Gender Diversity ist Männersache“ über Frauen in der Führung:

Diversity Management ist eine tolle Sache. Doch ich möchte nicht, dass die dafür zuständige Person eine Frau ist. Ich möchte kein Frauen-Mentoring, und ich möchte nicht über Kindergartenplätze reden.

Für die aktuelle changement! hat sie gemeinsam mit Dr. Bruno Gross von Thorlabs GmbH einen neuen spannenden Beitrag beigesteuert: „Diversity Management in KMU ist überfällig – und zahlt sich aus“. Denn auch in der changement! Ausgabe 03/2022 dreht sich alles um den Schwerpunkt Vielfalt und Inklusion:

 

changement! Ausgabe 03/2022

Keine Frage: Das Thema Diversität haben auch Spitzenmanager:innen seit ein paar Jahren auf dem Radar. Doch konkrete Maßnahmen, die Vielfalt in den Unternehmen fördern, sind immer noch eher die Ausnahme. Was man stattdessen hört, sind eine Menge, nicht immer ernst gemeinte, Willensbekundungen – und viele Vorurteile, die oft von Unwissenheit zeugen. Victoria Wagner räumt mit zehn der gängigsten Vorurteile auf und macht deutlich, welche Bedeutung Vielfalt für die Wirtschaft hat.

Wir schreiben das Jahr 2022: Deutschland ist seit über 50 Jahren Einwanderungsland. Knapp 27 Prozent der in Deutschland lebenden Menschen haben eine Migrationsgeschichte. Das sind über 22 Millionen Menschen aus mehr als 190 Ländern. Nicht zuletzt führen auch Globalisierung und Digitalisierung dazu, dass Landesgrenzen zunehmend verschwimmen und unsere Gesellschaft durch Vielfalt geprägt ist. Der permanente globale Austausch eröffnet neue Perspektiven, setzt Maßstäbe und treibt Volkswirtschaften im Wettbewerb untereinander zu Höchstleistungen an.

So muss auch Deutschland sich im internationalen Vergleich behaupten. Es geht dabei nicht nur um die Wirtschaftskraft, sondern auch um die Gewinnung von Talenten und damit um Diversität. Hier schneiden wir als Land seit Jahren schlecht ab und belegen in internationalen Diversitäts-Rankings im Gegensatz zum Norden Europas, den USA und Kanada die hintersten Plätze. Selbst bei der am weitesten etablierten Diversitätsdimension „Gender“ geht es in der deutschen Wirtschaft nur schleppend voran. Mit einer Steigerung um 5,4 Prozentpunkte in den Vorständen der 30 Dax-Konzerne belegen wir mit nur 18,2 Prozent Frauen den vorletzten Platz hinter den USA, Großbritannien, Schweden und Frankreich, wie eine aktuelle Studie der Allbright Stiftung zeigt.

Checkliste Status quo der Diversität

 

Die Vielfalt der Gesellschaft in der Wirtschaft abbilden

Daher erstaunt es nicht, dass Forderungen von Kund:innen und Mitarbeitenden nach mehr Transparenz bezüglich der Diversitätsentwicklung und zukunftsgerichtetem Handeln immer lauter werden. Die Stakeholder:innen möchten die Vielfalt der Gesellschaft auch in der Wirtschaft abgebildet sehen. Zwar nimmt der Diversitätsdiskurs zunehmend an Fahrt auf, dennoch: Das Thema scheitert häufig an Unwissenheit, Unsicherheit oder sogar Ignoranz. Daher ist es dringend erforderlich mit den zehn gängigsten Diversitätsvorurteilen nachhaltig aufzuräumen.

1. „Wir würden ja gerne vielfältiger einstellen, aber es mangelt an Bewerbungen.“

Mangelnde Gender-Diversität im Unternehmen wird oftmals damit begründet, dass es keine oder nur wenige geeignete Kandidatinnen für die vakante Position geben würde. Ein Argument, das sich bei einem Anteil von 47 Prozent an weiblichen Erwerbstätigen nur schwer nachvollziehen lässt. Es mangelt meist weniger an weiblichen Talenten als vielmehr an auf die Bedürfnisse der weiblichen Zielgruppe angepassten Arbeitsbedingungen, wie zum Beispiel familienfreundliche flexible Arbeitszeiten. Unternehmen, die sich nicht um Diversität und ein inklusives Arbeitsumfeld bemühen oder ihre Bemühungen nicht transparent nach außen kommunizieren, werden es schwer haben passende Bewerberinnen für sich gewinnen zu können.

2. „Diversität richtet sich gegen Männer in Führungspositionen.“

Vielfalt, Chancengerechtigkeit und Inklusion zu etablieren, bedeutet nicht, sich gegen Männer zu verschwören und diese zu ersetzen. Vielmehr geht es darum, zu erkennen, dass verschiedene Perspektiven und Erfahrungen zu besseren Lösungen und höherer Innovationskraft führen.

Diversität inkludiert Männer. Männer sind nicht die Gegner der Diversitätsbefürworter:innen, sondern vielmehr Verbündete und Wegbereiter des Diversitätsprozesses.

3. „Warum sprechen auf einmal alle über Diversität? Deutschland steht doch wirtschaftlich gut da!“

Wie fatal es sein kann, Transformationsprozesse zu verpassen und Zukunftsthemen nicht frühzeitig zu erkennen, hat uns die fehlende Digitalisierung während der Corona-Pandemie drastisch vor Augen geführt. Ähnlich dramatisch ist das Bild, wenn es um Diversität in Deutschland geht. Betrachtet man internationale Diversitäts-Rankings, so zeigt sich, dass Deutschland seit Jahren die hinteren Plätze belegt und im Vergleich zum Norden Europas sowie den USA und Kanada in dieser Beziehung eher einem „Entwicklungsland“ gleicht. Ignoriert die deutsche Wirtschaft Diversität als Erfolgsfaktor weiter, wird dies auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und des sich hieraus ergebenden Arbeitskräftemangels fatale Folgen haben.

4. „Erst einmal müssen wir andere wichtige Themen angehen, bevor wir uns der Diversität widmen können.“

Trotz eindeutiger Studienlage wird der Wert von Diversität als erfolgskritischer Wirtschaftsfaktor von vielen Unternehmen immer noch verkannt. Dass sie dadurch enormes, ökonomisches Potenzial verschenken, scheinen sie billigend in Kauf zu nehmen. Fehlende Vielfalt kann schnell zu einer Verkettung negativer Entwicklungen führen.

So sinkt zum Beispiel die Attraktivität als Arbeitgeber:in, wenn Unternehmen sich nicht nachweislich für mehr Diversität und ein inklusives Arbeitsumfeld einsetzen – in Zeiten eines allgemeinen Arbeitskräftemangels eine gefährliche Entwicklung. Kann der Personalbedarf nicht mehr gedeckt werden, sinken als Folge auch die Umsätze. Welches Thema könnte also aktuell wichtiger sein?

5. „Diversität ist bei uns kein Thema, wir haben bereits genug Frauen im Unternehmen.“

Diversität wird häufig pauschal mit Gleichberechtigung von Frauen assoziiert. Nicht selten wird argumentiert, dass es bereits genug Frauen im Unternehmen gebe. Die Erhöhung des Frauenanteils kann durchaus ein sinnvoller erster Schritt bei der Diversitätstransformation eines Unternehmens sein, es müssen aber noch weitere folgen. Denn wenn man den vollen Nutzen von Vielfalt ausschöpfen möchte, dürfen weitere Diversitätsdimensionen wie Disability, Ethnicity, Generation, LGBT+ und Social Mobility nicht fehlen. Stattdessen müssen sie im Transformationsprozess gleichermaßen berücksichtigt werden.

6. „Wir setzen uns für mehr Diversität ein und hissen die Regenbogenflagge.“

Immer mehr Unternehmen färben ihre Logos in Regenbogenfarben ein und veranstalten Diversity Days, um so ein Zeichen gegen Diskriminierung und für Diversität zu setzen. Dadurch erfährt Vielfalt zwar im öffentlichen Diskurs mehr Aufmerksamkeit. Allerdings ist es wenig nachhaltig und überzeugend, wenn es sich dabei mehr um aufmerksamkeitsstarke PR- und Marketingmaßnahmen als um echte Diversitätsbemühungen handelt. Um zu verdeutlichen, dass Diversität mehr als nur ein Lippenbekenntnis ist, sollten unter anderem ambitionierte Diversitätsziele in den Bonusvereinbarungen der Führungskräfte vereinbart und entsprechend notwendige personelle wie finanzielle Ressourcen für die Diversitätstransformation zur Verfügung gestellt werden.

7. „Für ein gutes Diversitätsmanagement fehlt uns die Datenbasis, da wir die Daten zur Diversität der Belegschaft ja
nicht erheben dürfen.“

So oft die strengen Datenschutzregelungen in Deutschland kritisiert werden, so gerne werden sie als willkommene Entschuldigung für fehlendes Diversitätsmanagement genutzt. Doch diese Argumentation greift zu kurz und ist oft ein Hinweis auf mangelndes Diversitätsengagement im Unternehmen. Bei der Erhebung besonders sensibler Informationen kann es zum Beispiel hilfreich sein, auf Annäherungen, Hochrechnungen und die Freiwilligkeit der Mitarbeitenden zu setzen. Denn nur mit einem systematischen Datenmanagement können Verbesserungspotenziale identifiziert sowie Maßnahmen zur Steigerung der Diversität gezielt durchgeführt und damit die Auswirkungen von Diversität auf den Unternehmenserfolg sichtbar gemacht werden.

8. „Junge Menschen mögen zwar digital versierter sein, aber für Führung braucht es jahrelange Erfahrung.“

Sich als Unternehmen divers aufzustellen, bedeutet auch, Talente unterschiedlichen Alters für eine Vakanz in Erwägung zu ziehen. Jedoch ist bei dieser Diversitätsdimension das Schubladendenken oft noch sehr ausgeprägt. Der Generation der „Digital Natives“ wird zum Beispiel unterstellt, dass ihnen ihre Work-Life-Balance wichtiger als der Unternehmenserfolg sei. Menschen über 50 Jahren sagt man nach, dass sie sich neuen Entwicklungen nicht mehr schnell genug anpassen können oder wollen, um notwendige Transformationen mitzugehen oder diese sogar anzuführen. Mit Blick auf den demografischen Wandel und den damit einhergehenden Fachkräftemangel wird es jedoch zunehmend wichtiger werden, die Erfahrungs- und Wissensvielfalt unterschiedlicher Generationen für das Unternehmen zu nutzen.

9. „Solange Qualifikation und Arbeitseinstellung stimmen, kann sich jede:r bei uns bewerben.“

Die Behauptung, man befürworte Diversität und stelle nur nach Qualifikation ein, erweist sich bei genauerem Hinsehen oft recht schnell als haltlos. So ist es in Deutschland beispielsweise üblich, Bewerbungen mit Foto einzureichen. Hier wird also bereits im ersten Schritt anhand äußerlicher Merkmale entschieden. Auch Personen mit Behinderungen oder Talente aus Haushalten von Nichtakademiker:innen haben oftmals Schwierigkeiten, im Bewerbungsprozess von sich zu überzeugen, da erst einmal ihre Andersartigkeit im Fokus steht.

Um Vielfalt im Unternehmen zu fördern, braucht es Maßnahmen wie zum Beispiel anonymisierte Bewerbungen, Unconscious-Bias-Trainings sowie ein inklusives Arbeitsumfeld.

10. „Diversität und Inklusion können sich nur große Unternehmen leisten.“

Während das Thema Diversität aus dem öffentlichen Diskurs kaum mehr wegzudenken ist, mangelt es häufig noch an der Umsetzung. Dies wird damit begründet, dass die notwendige Diversitätstransformation zu viele finanzielle und personelle Ressourcen binden würde und daher nur von großen Unternehmen zu bewältigen sei. Das Thema wird schnell depriorisiert und Potenzial verschenkt. Stattdessen sollten Unternehmen Diversität als erfolgskritischen Wirtschaftsfaktor erkennen und entsprechend in der Unternehmensstrategie verankern. Hierbei ist es wichtig, der Unternehmensgröße entsprechend realistische Ziele zu setzen und Ressourcen zu allokieren.

 

changement! Heft 03/2022

 

Autorin

Victoria Wagner
ist Gründerin und CEO der Diversitäts-Initiative Beyond-GenderAgenda. Sie ist Seriengründerin, versierte Strategieberaterin und passionierte Kommunikationsexpertin. Seit August 2021 bietet sie mit BeyondGenderAdvice Diversitätsberatung zur erfolgreichen Verankerung von Vielfalt, Chancengerechtigkeit und Inklusion in Unternehmen an.
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In heutigen Unternehmen gewinnt Diversität zunehmend an Bedeutung. Doch welche Facetten der Vielfalt existieren eigentlich, und wie tragen sie zum Erfolg eines Teams bei? Dies wird im Beitrag „Dimensionen von Diversität“ beantwortet.

Seit dem Ukraine-Krieg hat sich für Tatjana Kiel viel verändert. Sie lebt und arbeitet nun in einer Art Ausnahmezustand. Diesen extremen Wandel hat sie angenommen. Sie hilft, wo sie kann.

Was sagen Sie Menschen, die sich vor Veränderungen fürchten?

Das beste Gegenmittel ist, Veränderungen aktiv zu gestalten, auch die ungewollten. Dazu brauche ich den richtigen Mindset. Ich muss mich und meine Ziele kennen, sie immer wieder neu justieren. Mein Job ist seit Beginn des Ukraine-Krieges ein anderer. Dr. Wladimir Klitschko, an dessen Seite ich seit 16 Jahren arbeite, ist die Stimme aus Kyiv, die aufruft, Haltung zu zeigen und zu helfen. Das tue ich, mit aller Kraft. Indem wir unter #WeAreAllUkrainians große Gütertransporte organisieren, Container-Dörfer bauen und vieles mehr. Es ist an uns, selbst bei extremen Veränderungen nicht zu verharren, sondern zu handeln. Wladimir Klitschko lebt es gerade vor. Ich habe diesen Mindset von ihm gelernt, weil er sein Wissen teilt. Dafür hat er unser Unternehmen gegründet.

Was würden Sie gerne noch lernen?

Aktuell: Fremdsprachen. Ukrainisch und Polnisch würden mir bei der Organisation der Hilfe für die Ukraine gerade sehr helfen. Das Erlernen von Sprachen ist allgemein eine Verjüngungskur fürs Gehirn und fördert die kognitive Beweglichkeit. Und ich würde im derzeitigen Ausnahmezustand gerne auf Kommando schlafen können. Ob das geht? Es wäre schön.

Wo oder wie kommen Sie auf die besten Ideen?

Ideen entstehen durch die Kombination von Intuitionen und Informationen. Für mich ist die Diskussion, der Austausch auf Augenhöhe mit Gleichgesinnten und Freunden eine unerschöpfliche Quelle. Für mich gilt: Wenn der Appetit beim Essen kommt, dann kommen Einfälle beim Sprechen.

Was ist Arbeit für Sie?

Die Arbeit nimmt den größten Teil unserer Zeit in Anspruch. Neben der Liebe ist die Arbeitszeit das Schönste, was Menschen schenken können und sollte in Ehren gehalten werden. Die Arbeit anderer Menschen ist tatsächlich ein Reichtum, die eigene Arbeit eine Möglichkeit, dem Leben einen Sinn zu geben. Sie interessant und sinnvoll zu gestalten, ist echte Arbeit an sich.

Wie finden Sie Ausgleich zu Ihrem Berufsalltag?

Ich glaube an das Prinzip der ungeteilten Aufmerksamkeit. Wenn ich, wie gerade, die Task Forces für die Ukraine organisiere, liegt mein Fokus zu 150 Prozent darauf. Und wenn ich – die derzeit wenige – Zeit mit meiner Familie verbringe, widme ich ihnen diese gemeinsame Zeit ganz – auf den Moment konzentriert. Ehrlich gesagt, glaube ich nicht an die berühmte „Work-Life-Balance“. Ich glaube eher an die „Ego-Eco-Balance“: eine Verbindung zwischen einem starken Geist, einem fitten Körper sowie einem starken Beziehungsnetz.

Warum sind Vorbilder wichtig, wenn es um Verhaltensänderungen geht?

Vorbilder geben uns Inspiration durch ihren Mut.

Schauen Sie sich Wladimir Klitschko an. Er könnte überall anders sein, aber er hat sich entschieden, bei seinen Landsleuten zu bleiben, im Bombenhagel. Was ist wahrer Mut? Es ist genau das: Der Erste zu sein, der etwas tut, der Erste zu sein, der eine Veränderung in Gang setzt. Kurz gesagt, ein Beispiel für andere zu sein. Das ist wichtig, denn echte und dauerhafte Veränderungen gibt es nur im Kollektiv.

 

changement! Heft 02/2022

 

 

Autorin

Tatjana Kiel
arbeitet seit 16 Jahren an der Seite von Wladimir Klitschko. Sie ist CEO von Klitschko Ventures.
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Dieser Beitrag ist Teil der Ausgabe 03/22 „Vielfalt und Inklusion“. Die Ausgabe erscheint am 01. April.

Unter dem Hashtag #WeAreAllUkrainians lassen sich zahlreiche Initiativen finden, die die notleidende ukrainische Bevölkerung unterstützen.

Sirka Laudon über die passenden Fragen an Menschen, die Angst vor Veränderungen haben, den perfekten Arbeitstag sowie ihren Wunsch, endlich gute Handy-Videos schneiden zu können.

Was sagen Sie Menschen, die sich vor Veränderungen fürchten?

Ich würde ihnen folgende Fragen stellen: Wie hast du von dem aktuellen Status quo der jetzigen Situation profitiert? Was hat er dir gegeben, was du jetzt aufgeben müsstest und dich daran hindert, dich auf etwas Neues einzulassen? Wodurch könntest du diesen „Gewinn“ in der Zukunft sichern? Wie könntest du persönlich von dem ersehnten neuen Zielzustand profitieren? Welche Teilschritte dorthin lösen positive Veränderungsenergie bei dir aus?

Was würden Sie gerne noch lernen?

Videos mit dem Smartphone zu schneiden. Bewegtbild wird immer wichtiger – vor allem in Social Media. Hier schnell und unkompliziert einen kleinen, halbwegs professionellen Film hochzuladen wäre ein erstrebenswertes Ziel für 2022.

Wo oder wie kommen Sie auf die besten Ideen?

Ich liebe es, am Wochenende durch unbekannte Ecken in Berlin zu streifen: neue Shop-Konzepte zu entdecken oder Gastro-Trends, die aus anderen Ländern hier ankommen, kennenzulernen. Auch zum Beispiel Mode, Design und Streetart geben mir die besten Inspirationen. Trends, die man hier entdeckt, sind dann auch bald in anderen Bereichen angekommen – in Lernkonzepten, Organisationsentwicklung, Bürogestaltung, Kommunikationsformaten. Ein anregendes Arbeitsumfeld und Antworten auf die Sinnfrage sind im beruflichen Kontext genauso wichtig wie im Privaten. Deshalb verschmelzen diese Welten auch in ihrem ästhetischen Anspruch und in ihrer intellektuellen Interaktion immer mehr.

Was muss passiert sein, dass Sie von einem „perfekten Arbeitstag“ sprechen?

Die Zeit ist verflogen; ich habe viele Dinge „abgearbeitet“ und erledigt; ich hatte Termine, die mich kreativ gefordert haben; ich hatte Begegnungen mit Menschen, die mich bereichert haben; ich konnte etwas sichtbar voranbringen. Und dann wäre es noch ein Luxus, nicht komplett durch den Tag zu hetzen, sondern für manche Dinge ausreichend Zeit zur Verfügung zu haben.

Wie finden Sie Ausgleich zu Ihrem Berufsalltag?

Ich bin gern am Meer und habe das Gefühl, dass am Strand mit dem weiten Horizont und dem rhythmischen Klang der Wellen sich vieles von selbst relativiert. Dinge, die uns im Alltag beschäftigen, werden plötzlich kleiner und Lebens- und Sinnfragen werden plötzlich größer. Das rückt Dinge wieder an ihren passenden Platz, priorisiert sie neu. Solch einen Perspektivwechsel gibt es auch in „klein“: Einfach den Blick aus dem Fenster in die Weite schweifen lassen, sich an einer Tasse mit frischem Ingwertee wärmen, zwischen zwei Meetings tief durchatmen. Das wirkt sofort.

In welchen Situationen sagen Sie: „Schön, wenn es so bleibt, wie es ist“?

Wenn es mir gelingt, innezuhalten und eine dankbare Perspektive auf mein Leben zu werfen. Leider sind wir alle allzu sehr darin trainiert, Dinge noch perfekter zu machen und überall Potenziale zu entdecken, die es freizulegen gilt. Mit diesem defizitorientierten Blick stehen wir einer ressourcenvollen Haltung im Weg! Wenn ich den „Alles-optimieren-wollen“-Blick mal kurz ausschalte, gibt es sehr viel, von dem ich möchte, dass es noch lange so bleibt, weil es sich richtig gut anfühlt.

changement! Heft 01/2022

 

Autorin

Sirka Laudon
ist Vorständin People Experience und Arbeitsdirektorin bei der AXA Konzern AG. Zuvor hat sie in verschiedenen Führungspositionen bei Otto, Axel Springer und der Deutschen Bahn die Digitale Transformation dieser Unternehmen begleitet. Sirka Laudon ist Mitglied im Beirat von changement.
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Bewusste Entscheidungen zu treffen, ist nicht leicht. Es gibt allerdings einige Ansätze, die dabei unterstützend herangezogen werden können. Für Felicitas von Kyaw ist eine Kombination solcher Ansätze hilfreich. Hier gibt sie acht Tipps, wie man aus ihrer Sicht in schwierigen Situationen zu guten Entscheidungen kommt.

1 Die eigene Motivation verstehen – die Warum-Frage:

Warum tue ich, was ich tue? Wann bzw. wie macht es für mich Sinn? Zu fragen, warum und wozu man etwas macht, ist immer ein sinnvoller Startpunkt. Jeder kennt die berühmte Dauerschleife der Warum-Fragen von Kindern. Man kann sie gezielt einsetzen, um zu einem bewussten Verständnis der eigenen Motivation zu kommen.

2 Nutzen Sie Ihr Potenzial – die Selbstkenntnis:

Legen Sie sich die Karten, wo Ihre Stärken und Schwächen liegen. Werden Sie sich Ihrer Ressourcen bewusst. Können Sie auf ihnen aufbauen, sie sinnvoll einbringen? Aber auch: Was können und wollen Sie weiter ausbauen? Führen Sie hierzu möglicherweise ein Protokoll oder Tagebuch über Momente, die leichtfallen und Energie geben. Oder fragen Sie Menschen, die Sie gut kennen.

3 Systematisieren Sie Ihre Gedanken – der Verstand:

Um verschiedene Möglichkeiten zu entwickeln bzw. zu sortieren, helfen ein Brainstorming und Mind Mapping. Zu empfehlen ist, konkrete Ideen zu sammeln, in Blöcken zu strukturieren und zu bewerten. Aber auch die berühmte Pro- und Contra-Liste ist hilfreich, wenn man bereits in der konkreten Abwägung ist.

4 Die Zukunft imaginieren – der Quantensprung:

Stellen Sie sich vor, Sie schauen in ein paar Jahren zurück auf heute. Welche Entscheidung würden Sie heute treffen unter dem Aspekt „morgen ist heute“? Über die zeitliche Distanzierung wird eine Adlerperspektive ermöglicht, die hilft, die Frage anzugehen, wo man in 5, 10, 20 Jahren stehen möchte. Denken Sie mutig und neu. Mit gewohnten Ansätzen wird Neues kaum gelingen.

5 Prüfen Sie Ihren „Appetite for Change“ – Revolution oder Evolution?

Ist es Zeit für die große Veränderung oder eher eine kleine Neuerung? Soll es Großes (zum Beispiel Jobwechsel) sein und ist die Veränderung den Preis wert? Oder wollen Sie eher an Stellschrauben drehen, Dinge spielerisch ausprobieren und etwas anderes im Kleinen anfangen? Denn: Bitte keinen Neuanfang aus reinem Selbstzweck.

6 Den Beraterstab mobilisieren – die Perspektivenvielfalt:

Holen Sie sich Rat und Unterstützung von außen. Suchen Sie sich einen eigenen Beraterstab mit unterschiedlichen Blickwinkeln aus und binden Sie so systematisch verschiedene Betrachtungsweisen ein. Auch ein diverser Freundeskreis mit unterschiedlichen Interessen, Sichtweisen und Lebensstilen fördert diese Vielfalt im eigenen Umkreis. Und er unterstützt dabei, einen wohlwollenden Spiegel vorgehalten zu bekommen. Am Ende der eigenen Überlegungen hilft das ehrliche, abwägende Gespräch mit Familie, Freunden und ausgewählten geschätzten Experten.

7 Auf Bauch und Herz hören – das gute Gefühl:

Am Ende bedeutet Veränderung auch Einsatz und einen gewissen Aufwand. Gegen das eigene Bauchgefühl dauerhaft anzugehen, ist schwierig. Verstand und Planung sind für den Erfolg genauso entscheidend wie die Begeisterung für die Idee, den Mut sie anzugehen sowie den Glauben an sich selbst. Dabei gibt es immer verschiedene „Wege nach Rom“. Finden Sie Ihren eigenen Weg.

8 Bleiben Sie offen und neugierig!

Die Reise geht immer weiter. Jede Entscheidung ist zunächst eine für eine Etappe und muss – so richtungsweisend sie auch sein mag – nicht auf ewig bleiben. Dinge können verändert werden. Lust am lebenslangen Lernen und Neugierde müssen wir uns bewahren. Es gilt, mit offenen Augen und wachem Geist durch die Welt zu gehen: Dabei lernt man nicht nur am meisten, wenn man Dinge ausprobiert, sondern wird durch das eigene Tun gestärkt. Denn: Wege entstehen dadurch, dass man sie geht.

 

changement! Heft 09/2021

 

Autorin

Felicitas von Kyaw
ist Geschäftsführerin Personal bei Coca-Cola Europacific Deutschland. Zum 1. Januar 2022 wird sie Arbeitsdirektorin und Geschäftsführerin Personal bei Vodafone Deutschland. Felicitas von Kyaw ist außerdem Mitglied des Beirats von changement! und Präsidiumsmitglied beim Bundesverband der Personalmanager.
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Richtige bzw. gute Entscheidungen zu treffen, ist eine echte Herausforderung für Führungskräfte. Florian Becker und Xiaojuan Ma erläutern, in dem Beitrag „Entscheidungen in der Führung“ welche Ideen es für bessere Entscheidungen gibt.

Was die Digitalisierung für Beschäftigte persönlich bedeutet

Jeder Mensch, der in Kontakt mit der digitalen Arbeitswelt kommt, entwickelt ein digitales Mindset. Eine wesentliche Rolle spielen hierbei die persönlichen Überzeugungen zur Digitalisierung und zum eigenen Selbst. Digitale Mindsets sind vielfältig, können positiv, neutral oder negativ sein und durch gezielte Maßnahmen im Außen entwickelt werden.

Die Digitalisierung und die damit verbundenen Informationstechnologien verändern das Arbeitsumfeld von Beschäftigten radikal. Die Veränderungen können dabei sowohl positiv als auch negativ sein. Beispielsweise wird flexibles Arbeiten begünstigt, was für viele Beschäftigte eine bessere Work-Life-Balance bedeutet. Gleichzeitig fürchten manche Beschäftigte, von Informationstechnologien abhängig zu werden und ständig verfügbar sein zu müssen. Dies kann negative gesundheitliche Folgen haben, wie durch die Technostressforschung bekannt ist. Die Digitalisierung scheint für Beschäftigte keine eindeutige, sondern vielmehr eine mehrdeutige Sache zu sein, die positive, neutrale und negative Seiten aufweist.

Studien zur Technologieanwendung zeigen, dass diese Mehrdeutigkeit zum inneren Dialog anregt. In diesem inneren Dialog fragen sich Beschäftigte aktiv, welche Bedeutung eine Technologie oder die Digitalisierung für sie persönlich hat. Um dies zu beantworten, ziehen sie nicht nur ihre Überzeugungen über die Digitalisierung heran, sondern auch Überzeugungen über sich selbst: Was bin ich für eine Person und was bedeutet die Digitalisierung für mich?

Dieser Beitrag beleuchtet das Zusammenspiel der Überzeugungen zum eigenen Selbst und zur Digitalisierung als zentralen Aspekt digitaler Mindsets. Es wird deutlich, dass Beschäftigte positive, neutrale oder negative digitale Mindsets zeigen, die sich in ihren Emotionen und schließlich auch in ihrem Verhalten widerspiegeln.

Eine Frage der Vorerfahrungen und des Selbstverständnisses

Der Begriff Mindset wird in der Literatur häufig verwendet, aber unterschiedlich verstanden. Fokussiert man auf die wissenschaftlich geprägte Literatur, so kann ein digitales Mindset wie folgt beschrieben werden: Ein digitales Mindset ist eine Kombination von Überzeugungen, die im Kontext der Digitalisierung aktiviert wird. Es hilft einem Individuum, eine Situation wahrzunehmen, zu verstehen, zu erklären, einzuordnen und abzuschätzen sowie daraufhin sein Verhalten abzuleiten.

Die kognitive Komponente, hier die Überzeugungen, stellen den zentralen und aktivsten Teil eines digitalen Mindsets dar. Jedoch weist ein digitales Mindset weitere Dimensionen auf: Es entsteht in einem spezifischen Kontext, besitzt einen emotionalen Kern und zeigt sich im Verhalten einer Person, zum Beispiel in der Nutzung von Informationstechnologien.

Ein digitales Mindset entsteht in einem spezifischen Kontext, besitzt einen emotionalen Kern und zeigt sich im Verhalten einer Person.

In der Praxis wird der Begriff digitales Mindset oft dazu verwendet, eine der Digitalisierung positiv zugewandte Einstellung zu benennen. Es entsteht der Eindruck, als wäre es eine Frage des Willens, diese positive Einstellung gegenüber der Digitalisierung anzunehmen oder nicht. Im Gegensatz hierzu gehen wir davon aus, dass jeder Mensch, der in Kontakt mit der digitalen Arbeitswelt kommt, ein digitales Mindset entwickelt. Ob dieses Mindset positiv ist, ist weniger eine Frage des Willens als eine Frage der Vorerfahrungen und des Selbstverständnisses des Einzelnen. Folglich gibt es kein einzig wahres digitales Mindset, das jeder annehmen kann, sondern viele unterschiedliche digitale Mindsets.

Die vier digitalen Mindset-Typen

Um mit der Vielfalt unterschiedlicher Mindsets in der Praxis gezielter umgehen zu können, ist es sinnvoll, diese durch die Bildung von Typen zu reduzieren. Deshalb wurden in den durchgeführten Studien vier digitale Mindset-Typen identifiziert, die sich bezüglich der Anzahl und Verteilung positiver und negativer Gedanken zur Digitalisierung unterscheiden (siehe Abbildung).

Die 4 Dimensionen der digitalen Mindset-Matrix und ihre Verteilung positiver und negativer Gedanken zur Digitalisierung

Die Effektiven

Beschäftigte mit einem effektiven digitalen Mindset sehen sich selbst als eigenverantwortlich, selbstwirksam und lernfähig.

Die Digitalisierung verstehen sie als Werkzeug und Wissenszugang, wodurch sie ihre Arbeit entlasten und effektiver gestalten können. Ihre Fähigkeiten, Grenzen zu setzen, eigenständig zu arbeiten und Neues furchtlos anzupacken, helfen ihnen im Umgang mit der Digitalisierung.

Insgesamt sind sie von der Nützlichkeit und Anwenderfreundlichkeit von IT-Systemen überzeugt. Dieses digitale Mindset hat zwei Subgruppen: Die engagierten Effektiven zeigen die höchste IT-Nutzungsintention von allen anderen digitalen Mindsets. Beschäftigte mit diesem Mindset nutzen mehr Trainings in Bezug auf Digitalisierung und zeigten eine höhere Expertise im Bereich IT sowie Digitalisierung als die eher zurückhaltenden, unverbindlichen Effektiven.

Die engagierten Herausforderer

Beschäftigte mit einem engagiert herausfordernden digitalen Mindset verstehen sich als durchdacht und eigenverantwortlich Handelnde. Digitalisierung ist aus ihrer Sicht unspezifisch und somit schwer vorhersehbar, gleichzeitig aber auch eine Einsparmöglichkeit für Platz und Zeit. Durch ihre Fähigkeit, Dinge vielseitig zu beleuchten und kritisch zu hinterfragen, entstehen für sie unangenehme Situationen in der Digitalisierung. Sie bremsen die Digitalisierungseuphorie der Kollegen und Kolleginnen oder haben Schwierigkeiten, den Fokus zu bewahren.

Gleichzeitig sind sie gewillt, neue Dinge auszuprobieren und mehr Effektivität zu ermöglichen. Für sie ist die persönliche Bedeutung der Digitalisierung ambivalent: Einerseits fühlen sie sich aufgefordert, besonders durchdacht zu agieren und damit als Skeptiker aufzutreten. Andererseits stärkt die Digitalisierung ihre Effektivität. Insgesamt sind die engagierten Herausforderer von der Nützlichkeit und Anwenderfreundlichkeit von IT-Systemen überzeugt und zeigen eine hohe IT-Nutzungsintention.

Insgesamt sind die engagierten Herausforderer von der Nützlichkeit und Anwenderfreundlichkeit von IT-Systemen überzeugt.

Die Besorgten

Beschäftigte mit einem besorgten digitalen Mindset sehen sich als sehr sorgfältig arbeitende Menschen und als Teil eines Teams. In der Arbeit möchten sie einen sinnvollen Beitrag leisten und in sozialen Interaktionen gegenwärtig sein. Digitalisierung ist für sie in erster Linie schnelle Reaktionszeit. Ihre Fähigkeiten, gründlich und detailliert zu arbeiten sowie eine persönliche Beziehung mit ihren Kolleginnen und Kollegen zu pflegen, können sie in der Digitalisierung nicht zufriedenstellend ausleben. Sie sorgen sich, dass sie nicht hinterherkommen und den Kontakt zu ihren Mitmenschen verlieren.

Dieses digitale Mindset hat zwei Subgruppen: Die tolerierenden Besorgten scheinen die Nützlichkeit der Digitalisierung bei der Arbeit anzuerkennen und den Einsatz von IT nicht infrage zu stellen. Besorgt scheinen sie jedoch in Bezug auf größere, zum Beispiel gesellschaftliche oder moralische Herausforderungen durch die Digitalisierung. Die sich schwertuenden Besorgten dagegen treten der Digitalisierung insgesamt negativ gegenüber. Beschäftigte mit diesem digitalen Mindset zeigen die geringste IT-Nutzungsintention.

Die unbeeindruckten Gleichgültigen

Beschäftigte mit einem unbeeindruckt gleichgültigen digitalen Mindset verstehen sich selbst als unvollkommen und niemals allwissend. Ihre Fähigkeiten, Grenzen zu setzen, zu akzeptieren, dass sie selbst Dinge nur bedingt verändern und nicht alles selbst wissen können, ermöglicht ihnen einen unaufgeregten Umgang mit der Digitalisierung.

Die digitalen Mindsets spiegeln sich auch in den Emotionen der Beschäftigten wider.

Die Effektiven und Herausforderer erleben mehr positive Gefühle, wenn sie mit der Digitalisierung konfrontiert werden als die Besorgten oder Gleichgültigen. Zum Beispiel fühlen sie sich stärker, inspirierter und enthusiastischer. Beschäftigte mit einem besorgten digitalen Mindset zeigen mehr negative Emotionen. Sie fühlen sich zum Beispiel ängstlicher, nervöser und unruhiger.

Persönliche Bedeutung der Digitalisierung macht den Unterschied

Die Ergebnisse der durchgeführten Studien zeigen, dass die Digitalisierung in Beschäftigten unterschiedliche digitale Mindsets aktiviert. Diese Mindsets kombinieren mehr oder weniger kompatible Überzeugungen über die Digitalisierung und das eigene Selbst.

Die Digitalisierung aktiviert Überzeugungen über das Selbst und ist somit eine zutiefst persönliche Angelegenheit.

Beschäftigte, die sich selbst als eigenverantwortlich, selbstwirksam, unvollkommen, offen und lernfähig verstehen, gehen der Digitalisierung positiver entgegen. Kritisch betrachtet wird die Digitalisierung hingegen von Beschäftigten, die sich über ihre Bedeutsamkeit, Zugehörigkeit, Sorgfalt, Bedachtsamkeit und Gegenwärtigkeit identifizieren. Diese Selbstüberzeugungen scheinen die Digitalisierung nicht zu stärken.

Dies richtet den Fokus auf die persönliche Bedeutung der Digitalisierung: Glaubt eine Person, dass die Digitalisierung ihr ermöglicht, ihr erstrebenswertes Selbstverständnis zu erhalten? Die Art und Weise, wie Beschäftigte Sinn aus der Digitalisierung erleben und ihr eine persönliche Bedeutung zuweisen, beeinflusst den Erfolg der Digitalisierung. Für Praktikerinnen und Praktiker ergeben sich hieraus drei Implikationen:

1. Sinngebungsprozesse rund um die Digitalisierung aktiv anstoßen

Sowohl die effektiven als auch die besorgten digitalen Mindsets gehen mit einer eindeutigen Haltung an die Digitalisierung heran. Auch wenn diese wie beim effektiven Mindset-Typ positiv ist, kann eine automatische Schlussfolgerung nachteilig sein. Die Digitalisierung konfrontiert Beschäftigte mit neuen Möglichkeiten, die aus herkömmlichen Perspektiven nicht gesehen werden können. Um Technologien vielseitig anzuwenden und die digitale Arbeitswelt innovativ zu gestalten, müssen positive und negative Eigenschaften in einem aktiven Denkprozess hinterfragt werden. Hierfür sollten unter anderem kritisches Denken, Reflexion und eine konstruktive Feedbackpraxis kultiviert werden.

2. Befürchtete Verluste kompensieren

Negative persönliche Bedeutungen der Digitalisierung geben Aufschluss über befürchtete Verluste, die in Veränderungsprozessen kompensiert werden sollten. Praktikerinnen und Praktiker können sich hierzu die Frage stellen: „Was kann ich zurückgeben, um befürchtete Verluste auszugleichen?“ Denkbare Kompensationen könnten die Stärkung zwischenmenschlicher Beziehungen, die Wertschätzung individueller Stärken und Beiträge oder die Förderung kritischen Denkens bei allen Beschäftigten (und nicht nur den engagierten Herausforderern) umfassen.

3. Die persönliche Entwicklung der Beschäftigten fördern

Die Digitalisierung aktiviert Überzeugungen über das Selbst und ist somit eine zutiefst persönliche Angelegenheit. Dies legt nahe, dass Beschäftigte
eine Möglichkeit zur Reflexion der persönlichen Vision und Identität im Rahmen der Digitalisierung benötigen. Darüber hinaus weisen die digitalen Mindsets auf spezielle Themen hin, die für einen konstruktiven Umgang mit der Digitalisierung förderlich zu sein scheinen. Diese Themen umfassen beispielsweise die Kompetenzen, Grenzen zu setzen, hohe Arbeitslast und -dynamik zu managen und Unsicherheiten auszuhalten.

Insgesamt gibt die differenzierte Betrachtung unterschiedlicher digitaler Mindsets Aufschluss darüber, dass die Digitalisierung eine weit bedeutsamere als nur eine technische Veränderung darstellt, mit der nicht jeder gut zurechtkommt. Gleichzeitig scheint kaum ein Weg an der Digitalisierung der Arbeitswelt vorbeizuführen. Entgegen seinen persönlichen Überzeugungen zu handeln wirkt sich langfristig nicht nur negativ auf die Arbeitsmotivation, sondern auch auf die Gesundheit der Beschäftigten aus.

Studien: Die Erkenntnisse des Beitrags stammen aus einem Promotionsvorhaben an der Universität der Bundeswehr München zur Untersuchung von digitalen Mindsets.

Autor:innen:

Ricarda Rauch promoviert zum Thema digitale Mindsets an der Universität der Bundeswehr München. Als selbstständiger Life and Business Performance Coach in ihrem Unternehmen „If I was ME“ begleitet sie Beschäftigte bei der Entwicklung von stimmigen Arbeits- und Lebensentwürfen, in denen Erfolg, Kreativität und ein gutes Selbst- und Lebensgefühl verschmelzen.

Prof. Dr. Stephan Kaiser ist im Vorstand des Instituts für Entwicklung zukunftsfähiger Organisationen und Inhaber der Professur für
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